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Medien im Visier

Mexikos Journalisten sind im Drogenkrieg zwischen die Fronten geraten. Präsident Calderón muß Scheitern eingestehen

Von Andreas Knobloch *

Die Leiche von Edelmiro Cavazos wurde am Mittwoch morgen gefunden – gefesselt und mit verbundenen Augen. Am Sonntag war der 39jährige Bürgermeister des Ortes Santiago, knapp 30 km von Mexikos Finanzzentrum Monterrey im Bundesstaat Nuevo León entfernt, von fünfzehn als Polizisten verkleideten Männern entführt worden. Der Fall reiht sich ein in eine Gewaltserie, die seit Monaten den nordmexikanischen Bundesstaat und zunehmend auch seine Hauptstadt Monterrey erschüttert. Zwei große Drogenkartelle kämpfen mit allen Mitteln um die Vormachtstellung in der Region. Erst am vergangenen Wochenende hatten Drogenbanden mindestens 39 Straßen im Zentrum Monterreys stundenlang mit Autos blockiert und sich Schußwechsel geliefert. Zudem wurde der Sitz des Fernsehsenders Televisa von einer Bombenexplosion erschüttert. Im Januar 2009 war der Sender schon einmal auf ähnliche Weise attackiert worden. Samstag nacht wurde zudem ein Televisa-Gebäude in Matamoros im Bundesstaat Tamaulipas mit Granaten angegriffen. Bereits im Juli waren in Durango im Norden Mexikos vier Journalisten entführt worden. Die Entführer verlangten die Ausstrahlung von drei Videos, sogenannten narcomensajes. Als die Verhandlungen über eine Freilassung ins Stocken gerieten, appellierten die betroffenen Fernsehsender Milenio TV und Televisa zuerst an die Behörden, ihre Aufgaben zu erfüllen, und stellten dann ihr Programm teilweise ein. Zwar wurden die vier Entführten später alle befreit, aber der Fall verdeutlicht die Gefahr, in der Mexikos Journalisten leben.

Die zunehmende Gewalt gegen Medien und Journalisten fällt auf. Wirkten die Drogenkartelle jahrzehntelang im verborgenen, suchen sie heute die Öffentlichkeit und verfolgen eine gezielte »Informationspolitik«. Zu diesem Ergebnis kam im Juli eine von der UNO und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gebildete Untersuchungskommission. Nach Angaben der Nationalen Menschenrechtskommission (CNDH) wurden in den letzten zehn Jahren 64 Journalisten getötet, davon knapp 30, seit Felipe Calderón Präsident ist. Elf weitere gelten als verschwunden. Dies macht Mexiko für Journalisten zu einem der gefährlichsten Länder der Welt. Me­dienvertreter fordern vom Staat immer wieder, ihre Sicherheit zu gewährleisten. Doch der scheint mit dem Kampf gegen die Drogenkartelle überfordert zu sein und sucht noch immer nach einer geeigneten Strategie. Mit militärischer Gewalt, das ist selbst dem Präsidenten nach dreieinhalb Jahren Drogenkrieg mit offiziell über 28000 Toten, davon 2000 Polizisten, mittlerweile klar, sind die Kartelle nicht zu besiegen. Die Offensive gegen die Drogen, die im Dezember 2006 ohne ein wirkliches Konzept gestartet wurde, um von den Problemen nach dem umstrittenen Wahlsieg abzulenken, hat dazu geführt, daß die Kartelle den taktischen Pakt mit der Macht aufgekündigt und das Land mit bis vor wenigen Jahren unvorstellbarer Gewalt überzogen haben.

Vor zwei Wochen begann Calderón eine Reihe von Treffen mit Oppositionspolitikern, Wissenschaftlern, Gouverneuren, Richtern, Kirchenvertretern und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren, um Ideen auszutauschen, wie der Kampf gegen die Drogen zu gewinnen sei. Dieser »Nationale Dialog« ist das Eingeständnis der Ideenlosigkeit der Regierung. Calderón sucht nun den größtmöglichen Konsens, um die gesellschaftlichen Kosten des gescheiterten Krieges aufteilen zu können. Sein Amtsvorgänger Vicente Fox hat sich derweil für die Legalisierung auch harter Drogen ausgesprochen, um das Geschäft zu entkriminalisieren und weniger gewinnträchtig zu machen. Calderón ist dagegen, da eine unilaterale Legalisierung den Konsum in Mexiko selbst erhöhen würde, ohne die Gewinne der Kartelle wirklich zu schmälern. Aber die Diskussion ist eröffnet und rückt die gesellschaftlichen und finanziellen Zusammenhänge des Drogengeschäfts in den Fokus: den Drogenkonsum in den USA und Lateinamerika, die liberalen Waffengesetze und die Geldwäsche.

* Aus: junge Welt, 20. August 2010


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