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Schlacht ohne Sieger

In Mexiko soll künftig eine nationale Gendarmerie Drogenbanden bekämpfen

Von Sara Charlotte König, Mexiko-Stadt *

Der Krieg gegen die Drogen ist gescheitert. Täglich melden mexikanische Medien neuen Horror. Die Zahl der Opfer steigt kontinuierlich. Die Politik des neuen Präsidenten Enrique Peña Nieto wird daran mit hoher Sicherheit nichts ändern.

Mexikos Gewaltbilanz 2012 ist eine Bilanz des Schreckens. Auch dieses Jahr hat die Zahl grausiger Funde von zerstückelten Leichen nicht abgenommen. Zu den makabersten Fällen gehörte im Mai der Fund von 49 verstümmelten Leichen, verpackt in Plastiktüten, am Rande der Industriestadt Monterrey, und die Entdeckung von 23 Ermordeten in Nuevo Laredo an der USA-Grenze, neun davon an einer Straßenbrücke aufgehängt, 14 enthauptet. Schon längst sind die Gräueltaten der Drogenkartelle für mexikanische Polizisten, Soldaten und Gerichtsmediziner reine Routine. Immer länger wird die Liste der Opfer und mit ihr wächst auch die Zahl ungelöster Straftaten. Gerade zwei Prozent aller Verbrechen werden aufgeklärt, die Mehrzahl der Beamten ist korrupt.

Der ehemalige Präsident Felipe Calderón hinterließ seinem am 1. Dezember angetretenen Nachfolger Peña Nieto eine katastrophale Bilanz der Sicherheitspolitik. 50 000 Soldaten schickte er nach Amtsantritt 2006 in den Krieg gegen das Böse. Doch den großen Kartellen wurde das Handwerk nicht gelegt, die Gewalt breitete sich vom Norden des Landes bis nach Zentralmexiko aus. Auf jede erfolgreiche Razzia mit Festnahmen ranghoher Drogenbosse folgten Racheakte der Kartellmitglieder, um die Bevölkerung einzuschüchtern und der Regierung zu zeigen, wer das Sagen habe. Egal welcher Narco gefasst wurde, er hatte sofort einen Nachfolger. So wuchsen in dieser Zeit 60 bis 80 neue Kartelle heran.

Mehr als 70 000 Tote hat der Drogenkrieg laut mexikanischen Medien seitdem gefordert, außerdem ist von landesweit 10 000 Vermissten die Rede. Dabei gehen Menschenrechtler von deutlich höheren Zahlen aus. Die Regierung gibt seit Anfang 2012 keine offiziellen Mordstatistiken mehr bekannt, aus Gründen der nationalen Sicherheit, wie die Generalstaatsanwaltschaft erklärt.

Am 17. Dezember hat der neue Präsident Peña Nieto seine lang erwartete Sicherheitsstrategie vorgestellt, mit der er die Gewalt- und Drogenkriminalität im Gegensatz zu seinem Vorgänger effektiv bekämpfen wolle. Dabei werde sich die Regierung in Zukunft mehr auf die Ursachen des Problems mit den Drogenkartellen statt lediglich auf die Konsequenzen konzentrieren. Als erste Maßnahme seines Sechs-Punkte-Plans nannte der 46-Jährige die Gründung einer neuen nationalen Gendarmerie - ähnlich der Guardia Civil in Spanien. Diese militarisierte Truppe von 10 000 Mann solle die Armee beim Kampf gegen die Gewalt ablösen. Bis dahin sei das Militär aber entgegen angekündigter Wahlversprechen weiterhin auf den Straßen präsent. Ebenso solle es spezielle Einheiten geben, die in Fällen von Entführung und Erpressung eingesetzt werden können. Kritiker wie der Korruptionsexperte Edgardo Buscaglia vermissen im neuen Sicherheitspaket ein konsequentes Angehen der Geldwäsche durch »mafiöse Eliten«. Seiner Meinung nach werden Vermögensdelikte in Mexiko auch deshalb kaum geahndet, weil sie oft mit der politischen Elite in Verbindung stehen. Gerade dieses Geld sei es, was den Drogenkartellen zur Macht verhelfe, indem sie davon Waffen, Fahrzeuge und Beziehungen finanzieren.

Gleichzeitig facht die unersättliche Nachfrage nach illegalen Rauschmitteln den Drogenhandel weiter an. Zwischen den USA und Mexiko floriert ein tödliches Geschäft. US-amerikanische Schmuggler beliefern die Kartelle mit Waffen, 90 Prozent der beschlagnahmten Gewehre und Granaten in Mexiko stammen aus den USA. Mexikanische Narcos wiederum bedienen die Rauschmittelsucht ihrer besten Kunden: Konsumenten aus den USA.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 22. Dezember 2012


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