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Offensive in Chiapas

Polizei und Paramilitärs in Mexiko gehen gegen Unterstützer der EZLN-Guerilla vor. Streit um Ländereien und Ressourcen

Von Luz Kerkeling, Mexiko-Stadt *

Im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas spitzen sich die Auseinandersetzungen zwischen Regierungsvertretern und Unterstützern der Guerilla zu. Das »Zentrum für politische Analyse und soziale und wirtschaftliche Forschungen« (Capise) wies unlängst auf eine »heftige Offensive« hin. Die mit der »Zapatistischen Armee zur Nationalen Befreiung« (EZLN) sympathisierenden Gemeinden erlitten andauernd »brutale Angriffe der mexikanischen Regierung«, heißt es in dem Bericht, der vom Capise vor wenigen Tagen in San Cristóbal de las Casas vorgestellt wurde. Hinter der Offensive wird der Versuch vermutet, Ländereien der zapatistischen Gemeinden zurückzuerobern. So solle die de facto existierende Autonomie zurückgedrängt werden.

Die EZLN hat in den vergangenen Jahren über 100000 Hektar Land besetzt und an Tausende Familien verteilt. Seit Februar 1994 kämpft sie mit zivilen Mitteln um eine Verbesserung der sozialen Situation. 2003 wurden in diesem Zusammenhang 30 Landkreisen für autonom erklärt.

Am 11. September wurden mehrere Unterstützer der EZLN aus der Gemeinde Bolon Ajaw von ungefähr 50 politischen Gegnern mit Macheten und Schußwaffen attackiert. Es war der zweite bewaffnete Angriff dieser Organisation auf eine zapatistische Gemeinde binnen weniger Wochen. Die Angreifer gehörten der »Organisation zur Verteidigung der indigenen und bäuerlichen Rechte« an, die als regierungsnahe und paramilitärische Gruppierung gilt. Bereits am 18. August war die zapatistische Gemeinde San Manuel im Naturschutzgebiet Montes Azules von einem Großaufgebot der Polizei geräumt worden. Über 30 Menschen wurden dabei verletzt. Später hieß es aus Polizeikreisen, das Dorf sei »aus Gründen des Umweltschutzes« geräumt worden.

Berichte von Bedrohungen durch Polizei oder paramilitärische Organisationen wurden auch aus anderen Teilen des von den Zapatisten kontrollierten Gebietes bekannt. Auffällig ist, daß zugleich Elitetruppen der Armee in dem Gebiet stationiert werden. In der Aufstandsregion bestehen 56 ständige Militärcamps.

Unter der konservativen Regierungen von Präsident Felipe Calderón und der des sozialdemokratischen Gouverneurs von Chiapas, Juan Sabines, hat die Repression gegen die EZLN damit eine neue Qualität erreicht. Die Aufständischen stehen offenbar den staatlichen Wirtschaftsplänen für die Region im Wege. Im Süden Mexikos befinden sich schließlich zahlreiche Boden- und Naturressourcen, auf deren Ausbeutung lokale Eliten und Konzerne seit Jahren aus sind. Auf politischer Ebene belegen die Zapatisten zudem, daß sie ohne Regierungshilfe die soziale Situation der Bewohner verbessern konnten.

Die EZLN-Führung hat als Reaktion auf die Angriffe nun eine Rundreise durch Mexiko abgesagt. Im Oktober sollen dabei ursprünglich ein Programm für eine neue antikapitalistische Verfassung »von unten« vorgestellt werden. Die Comandantes bleiben nun vor Ort, um ihre Gemeinden mit friedlichen Mitteln zu verteidigen.

* Aus: junge Welt, 5. Oktober 2007


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