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Mauretaniens Aus für Sklaverei

Doch ein repressives Gesetz allein wird nicht ausreichen

Von Anton Holberg *

Am 8. August verabschiedete das mauretanische Parlament einstimmig ein Gesetz, das Sklaverei mit Gefängnisstrafen zwischen fünf und zehn Jahren und ihre Propagierung mit einer Strafe bis zu zwei Jahren Haft ahndet.

Der am 11. März zum Präsidenten des westafrikanischen Staates gewählte Sidi Ould Cheikh Abdallahi hatte sich im Wahlkampf verpflichtet, die Sklaverei im Land auszurotten. Da der neue Staatschef einer führenden Familie des vornehmen Marabout-Stammes der Ould Abdallahi und damit den traditionell herrschenden »Beidane« (Weißen) zugehört, war dieser Ankündigung zunächst mit Skepsis zu begegnen.

Offiziell wurde die Sklaverei bereits 1981 aufgehoben. Allerdings sah ein Gesetz statt Strafen für die Sklavenhalter eine Entschädigung wegen ihres Verlusts an Sklaven vor. Auch an dem neuen Gesetz, das sich von dem alten unverkennbar unterscheidet, gibt es Kritik. So fordert etwa die Organisation »Anti Slavery International« Gefängnisstrafen bis zu 30 Jahren und eine finanzielle Wiedergutmachung für die Opfer. Noch kurz vor seiner Verabschiedung verbessert, wird das Gesetz nun jedoch auch von der mauretanischen Organisation »SOS Esclavage« als gute Grundlage bewertet.

Die Sklaverei ist in weiten Teilen Afrikas und der arabischen Welt ein uraltes Phänomen. Ihr Fortleben in Mauretanien verdankte sie nicht zuletzt der Tatsache, dass die mauretanische Gesellschaft ursprünglich ethnisch geschichtet war. Vor der Ankunft berberischer nomadisierender Viehzüchter aus Nordafrika im 3. Jahrhundert bestand die Bevölkerung im Wesentlichen aus schwarzafrikanischen Bauern, die sich zunehmend in den Sahara-Oasen Oasen konzentrierten. Die heutige Gesellschaft ist Ergebnis des Eindringens der Beni Maqil, die im Zuge einer verheerenden Invasion der aus Jemen stammenden Beni-Hillal-Beduinen in Nordafrika ab Ende des 13. Jahrhunderts in die westliche Sahara vordrangen und deren Bevölkerung – Berber ebenso wie Schwarzafrikaner – unterwarfen. Im 18. Jahrhundert entstand auf diese Weise schließlich die deutlich geschichtete Gesellschaftsordnung, die sich bis heute weitgehend erhalten hat. Die arabischen Stämme bildeten den Kriegeradel, ein Teil der Berber wurde zu tributpflichtigen Marabout-Stämmen, die keine Waffen tragen durften, aber für die religiöse Bildung zuständig wurden. Die schwarzafrikanischen Gruppen wurden entweder hörige Bauern oder zum Reservoir für die Klasse der Sklaven. Diese Sklaverei ist im Wesentlichen eine Haussklaverei, bei der dem Herrn – wenigstens theoretisch – auch eine Schutz- und Fürsorgepflicht gegenüber den Sklaven obliegt.

Die Zahl der von dem neuen Gesetz Betroffenen ist umstritten. »SOS Esclavage« beziffert sie auf 600 000, also etwa 20 Prozent der Bevölkerung. Das wäre immerhin weniger als die Hälfte der Mitte der 60er Jahre geschätzten Zahl. Die senegalesische Tageszeitung »Wal Fajri« meint denn auch, dass die Sklaverei in ihrer ursprünglichen Form in Mauretanien selten geworden sei. Allerdings hat sie – auch bedingt durch den ökonomischen Niedergang der Beduinengesellschaft im Gefolge der Dürrekatastrophe in den 70er Jahren – neue Formen angenommen, wie etwa die Schuldsklaverei. Wenn man Zwangsehen hinzuzählt, wie das »Anti Slavery International« tut, werden die Umrisse des Begriffs und die Zahl der Betroffenen fließend. Sklaven und Hörige haben in der Vergangenheit den größten Teil der Arbeit im Haus, auf den Feldern und mit den Viehherden erledigt. Zur endgültigen Ausrottung der Sklaverei bedarf es sicher nicht nur repressiver Gesetze, sondern auch der ökonomischen Entwicklung des Landes.

* Aus: Neues Deutschland, 11. August 2007


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