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EU-Parlament fällt Saharauis in den Rücken

Konflikt-Tomaten: Gemüse aus der besetzten Westsahara für den europäischen Markt

Von der Redaktion der "Kritischen Ökologie"

Am Donnerstag, dem 16. Februar hat das Europäische Parlament mit einer Mehrheit von 369 Stimmen bei 225 Gegenstimmen und 31 Enthaltungen den zollfreien Zugang um landwirtschaftliche Erzeugnisse und Fischereiprodukte aus dem Königreich Marokko zum europäischen Markt erweitert. Dies ist insofern ein schwarzer Tag für das Europäische Parlament, weil es damit auch das Tor für Agrar- und Fischereiprodukte aus der besetzten Westsahara geöffnet hat:

„Einer unserer starken Gemüseartikel sind Tomaten aus Marokko. … Greifen Sie zu und holen Sie sich die Sonne Marokkos nach Hause!“, so wirbt der „... Anbieter der hochwertigen Azura Produkte in Deutschland“. Azura ist ein französisches Unternehmen, das sich auf den Vertragsanbau und Vermarktung von Gemüse – vor allem Tomaten - spezialisiert hat. Das Problem allerdings besteht darin, dass nicht alle „Tomaten aus Marokko“ wirklich aus Marokko stammen; denn ein großer Teil „marokkanischer Tomaten“ wird in Wirklichkeit bei Dakhla im von Marokko besetzten Teil der Westsahara angebaut.

Hier können Sie den Report über die "Konflikt-Tomaten" herunterladen:

Conflict Tomatoes, herausgegeben von Western Sahara Resource Watch (WSRW).



Die international vernetzte zivilgesellschaftliche Organisation Western Sahara Resource Watch (WSRW) hat in einem aktuellen Bericht sowohl das Ausmaß des Gemüseanbaus als auch die Vermarktungswege am Beispiel von „Konflikt-Tomaten“ dokumentiert: www.wsrw.org (Englische Version). Danach konnten elf Standorte im Umkreis von 70 km von Dakhla im Süden der besetzten Westsahara identifiziert werden. Im Zeitraum zwischen 2002/03 und 2008/09 wurde der Gemüseabbau in der Region um 2.800% gesteigert. Die Erzeugung ist völlig exportorientiert: 95% der hier erzeugten Produkte gelangen auf externe Märkte. Der übliche Handelsweg führt zunächst über Agadir - hier werden aus den Tomaten der Westsahara „marokkanische“ Tomaten – nach Perpignan in Südfrankreich, dem Hauptsitz des bereits genannten Unternehmens Azura.

Alle diese elf Standorte befinden sich entweder im privaten Besitz der königlichen Familie, großen marokkanischen Konglomeraten oder französischen transnationalen Konzernen. Die Pflanzungen sind zumeist in Hydrokultur mit moderner Tröpfchenbewässerung angelegt. Das benötige Wasser wird aus artesischen Tiefbrunnen abgepumpt, das sich nicht regeneriert und früher oder später erschöpft sein wird. Keiner dieser Produktionsstätten gehört lokalen saharauischen Eigentümern. Die benötigten Arbeitskräfte sind marokkanische Siedler. „Wir Saharauis haben überhaupt nichts von dem marokkanischen Agrarbusiness“, sagt El Mami Amar Salem, Vorsitzender des „Komitees gegen Folter in der Westsahara“.

Jetzt hat das EU-Parlament diesem Abkommen, das die Rechte der Saharauis mit Füßen tritt, Tor und Tür geöffnet. Während die EU bei einem vergleichbarem Abkommen mit Israel in der Lage ist, die besetzten palästinensischen Gebiete expliziert auszuschließen, duldet sie gegenüber ihrem „privilegierten Partner“ Marokko klammheimlich einen Importanteil von etwa 55% aus der besetzten Westsahara als „marokkanisch“. Dies kommt einer faktischen Anerkennung des völkerrechtswidrigen Anspruchs seitens Marokkos über die Westsahara gleich. So verspielt die EU ihre mögliche Rolle als „ehrlicher Vermittler“. Ihre „Realpolitik“ hat längst dazu geführt, dass die EU als Teil des Problems wahrgenommen wird.

Wenn Sie zu dieser Jahreszeit wirklich Tomaten kaufen möchten, achten Sie auf die Angabe des Herkunftslandes. Und sollte da „Marokko“ stehen, greifen Sie nicht zu; denn jede zweite Tomate kommt gar nicht aus Marokko, sondern aus der besetzten Westsahara!

Redaktion "Kritische Ökologie", 18. Februar 2012


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