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Bitte des Königs

Skandal um Amnestie für in Marokko inhaftierten Vergewaltiger: Spuren führen zum spanischen Geheimdienst

Von Carmela Negrete *

Daniel Galván Viña sitzt wieder im Gefängnis. Er wurde am Dienstag in Valencia festgenommen, nachdem auf Antrag Marokkos ein internationaler Haftbefehl gegen den 63jährigen ausgestellt worden war. Galván war in dem nordafrikanischen Königreich zu einer 30jährigen Haftstrafe wegen sexuellen Mißbrauchs von Minderjährigen verurteilt und am 30. Juli vom marokkanischen König Mohammed VI. aus Anlaß des Jahrestages der Thronbesteigung begnadigt worden.

Unklar blieb zunächst, warum Galván auf die Liste der zu Amnestierenden geraten war. Rabat übernahm am Mittwoch die Verantwortung für den »Fehler« – nach Meinung vieler aber vor allem, um zur Tagesordnung übergehen zu können. Denn in spanischen Medien wird längst eine Version der Ereignisse diskutiert, die die Schuld nicht allein bei Marokko sieht. Demnach hatte der spanische König Juan Carlos seinem Amtskollegen aus Anlaß des bevorstehenden Feiertages persönlich eine Liste von in Marokko inhaftierten Staatsbürgern Spaniens übergeben, offenbar mit der Bitte, diese zu begnadigen. Tatsächlich wurden 30 Personen auf freien Fuß gesetzt, unter ihnen auch Galván. Zunächst bestritt Madrid die Existenz dieser Liste. Als diese nicht mehr zu leugnen war, hieß es dann, der Name des Vergewaltigers, der sich an 30 Kindern vergangen hatte, sei »irrtümlich« auf das Dokument geraten.

Alles ein Versehen? Daniel Galván Viña heißt eigentlich Salahedin Gabhan Benia und war ursprünglich Offizier der irakischen Armee. Berichten der marokkanischen Presse zufolge erhielt er seine neue Identität vom spanischen Geheimdienst, nachdem er die westlichen Interventen beim Sturz des irakischen Staatschefs Saddam Hussein 2003 unterstützt hatte. Er lebte in der Folge unter anderem in Großbritannien und Ägypten, bevor er die spanische Staatsangehörigkeit erhielt und sich in Marokko niederließ. Dort war er in der Lage, sich zwei Häuser zu kaufen und präsentierte sich als Akademiker im Ruhestand, der zuvor an der Universität von Murcia in Spanien gearbeitet hat. Tatsächlich hatte er dort lediglich ein Forschungsstipendium erhalten und war wohl auch zeitweilig in der Verwaltung angestellt gewesen.

In die Mühlen der marokkanischen Justiz geriet der irakische Spanier, als ein Nachbar auf einem USB-Stick Galváns zahlreiche Fotos entdeckte, die den sexuellen Mißbrauch von Kindern zeigten. Der Mann schaltete die Polizei ein. »Mit Geld kriegt man alles«, sagte der Angeklagte im Prozeß aus und bezog sich damit auf die in Marokko weitverbreitete Prostitution von Frauen, Mädchen und Jungen. Das Königreich, vor allem die Städte Marrakesch und Agadir, ist zu einem der wichtigsten Ziele von Sextouristen aus Europa und arabischen Staaten, insbesondere den Golfmonarchien, geworden. Im Fall Galváns sagten dessen Opfer vor Gericht aus, der Vergewaltiger landete hinter Gittern.

Nach der Begnadigung durch den König reagierte die marokkanische Öffentlichkeit empört. Die Proteste entwickelten sich zunächst im Internet, dann jedoch auch – ungewöhnlich für die marokkanische Diktatur – durch Demonstrationen auf der Straße. In Spanien wurde die Nachricht zunächst ungläubig, dann ebenso mit Entsetzen aufgenommen: Der schlimmste Vergewaltiger in der Geschichte Marokkos, frei auf persönliche Intervention des spanischen Königs?

Im spanischen Torrevieja bei Alicante hat in dieser Woche ein weiteres Opfer Strafanzeige gegen Galván erstattet. Dieser dürfte die noch ausstehenden gut 27 Jahre seiner Haftstrafe vermutlich in Spanien absitzen dürfen. Das hatte er schon vor seiner Begnadigung beantragt, und die bilateralen Abkommen zwischen Marokko und Spanien sehen diese Möglichkeit vor, wenn beide Seiten zustimmen. Dazu kamen am Dienstag in Madrid Vertreter der Justizministerien beider Länder zusammen.

Doch der Skandal hat auch das spanische Parlament erreicht. Cayo Lara von der Vereinigten Linken (IU) forderte vom spanischen Geheimdienst Aufklärung über dessen Beziehungen zu »diesem Subjekt« und Informationen darüber, warum Galván alias Salahedin die spanische Staatsangehörigkeit gewährt worden sei.

* Aus: junge Welt, Freitag, 9. August 2013


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