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Hollande in neokolonialer Mission

Frankreichs Präsident nutzte Afrikabesuch zur Ausweitung des Militärengagements

Von Bernard Schmid, Paris *

Drei Tage verbrachte François Hollande in Zentralafrika. Proteste gegen den französischen Staatschef waren nicht gern gesehen.

Als Geschenk für den hohen Gast gab es eine Reihe von Festnahmen. Am Freitag hielt sich Frankreichs Präsident François Hollande für einen 24-stündigen Staatsbesuch im mittelafrikanischen Staat Niger auf. Es war die zweite Station seiner dreitägigen Reise auf dem afrikanischen Kontinent. Am Vortag waren prominente Kritiker der neokolonialen Politik Frankreichs in der Region präventiv festgenommen worden.

Als bekanntester von ihnen landete Ali Idrissa in polizeilichem Gewahrsam. Er ist unter anderem Koordinator der Kampagne »Publish what you pay«, die für einen gerechteren Erlös der Rohstoffausfuhren für stark exportabhängige und »unterentwickelte« Länder eintritt, und des Kollektivs »Sauvons le Niger« (Retten wir Niger). Letzterem gehören rund 50 Nichtregierungsorganisationen (NGO) an. Wenige Stunden vor seiner Festnahme hatte sich Idrissa erdreistet, auf einer Pressekonferenz zu erklären, für die Interessen seines Volkes erwarte er »nichts« von dem Besuch Hollandes. Und er hatte die Menschen aufgefordert, auf die Straße zu gehen.

Gegenstand des Zorns ausgesprochen vieler Menschen in Niger ist die Politik des französischen Atomkonzerns AREVA, dessen Interessen sich mit denen des Staates – die Pariser Regierung ist mit 87 Prozent Hauptaktionär – vollständig decken. Frankreich hat 58 Atomreaktoren in Betrieb, ein an der Bevölkerungszahl gemessen trauriger Weltrekord. Über ein Drittel des darin verbrannten Urans kommt aus Niger. Das Land ist der zweitgrößte Lieferant des Atomgiganten AREVA sowie viertgrößter Uranexporteur weltweit. Gleichzeitig ist Niger laut Index für menschliche Entwicklung der Vereinten Nationen einer der drei ärmsten Staaten.

Viele Menschen folgten dem Aufruf der Koalition von NGO und Initiativen, gegen diese Politik zu demonstrieren. Alle, die ein gelbes Tuch – Erkennungszeichen der Protestierenden – oder ein T-Shirt der aufrufenden Organisationen trugen, wurden festgenommen und in der Nationalen Polizeischule inhaftiert.

Hollande folgte unterdessen nicht der Aufforderung Ali Idrissas, die an den Folgen von Radioaktivität Erkrankten in den Kliniken zu besuchen oder die Bevölkerung von Arlit im Norden Nigers. Infolge von 40 Jahren Uranabbau werden dort über 50 Millionen Tonnen strahlender Abfälle rund um die Stadt unter freiem Himmel gelagert, oft nicht einmal notdürftig abgeschirmt.

Hollande unterhielt sich stattdessen mit seinem, formal ebenfalls sozialdemokratischen, Amtskollegen Mahamadou Issoufou. Und er besuchte ein Wasserwerk, das dem französischen Konzern Veolia gehört, sowie die französische Militärbasis, auf denen Aufklärungsdrohnen und Kampfflugzeuge der Opération Serval stationiert sind. Unter diesem militärischen Codenamen stand die französische Intervention in Mali seit Anfang 2013. Bis jetzt sind noch gut 1000 Mann im westlichen Nachbarland Niger stationiert.

Das wird sich nun ändern, denn Serval wird durch eine neue Operation unter dem Namen Barkhane abgelöst. Ihre Leitung ist aber nicht länger in Mali angesiedelt, sondern in der Hauptstadt Tschads – in N’Djamena, wo Hollande am Wochenende seine Afrikareise abschloss. Also unter den Fittichen des tschadischen Staatschefs Idriss Déby Itno, der im Dezember 1990 durch einen Putsch an die Macht kam und als Schlächter gilt. Die Truppenstärke Frankreichs in der Region wird erhöht: In Mali betrug sie zuletzt maximal 1600, in Tschad 950, nun wird sie auf insgesamt 3000 Soldaten hochgefahren.

Erst am vorigen Mittwoch hatten der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian und Malis Staatspräsident Ibrahim Boubacar Keïta in Bamako ein neues Militärabkommen unterzeichnet. Es gewährt der französischen Armee erstmals wieder Stationierungsrechte, die ihr in Mali 1961 durch den antikolonial orientierten und in der Blockfreienbewegung aktiven Staatspräsidenten Modibo Keïta entzogen worden waren.

Es sieht also alles danach aus, als verstärke sich der neokoloniale Zugriff Frankreichs auf die Region. Das wiederum dürfte dschihadistische und andere Bewegungen, die ihren – ideologischen oder auch am Beutemachen ausgerichteten – Kampf durch die Konfrontation mit den Neokolonisatoren zu legitimieren versuchen, erst recht anstacheln.

* Aus: neues deutschland, Dienstag 22. Juli 2014


Operation Einfluß

Frankreich schließt Militärabkommen mit Mali ab. »Antiterrorprogramm« für fünf Sahelländer

Von Jörg Tiedjen **


Selten fand eine Militärintervention soviel Beifall wie die französische »Opération Serval« in Mali. Ein rascher Kriegseinsatz im Januar 2013, um das bedrängte Land vor Dschihadisten zu retten – da mochten nur wenige Bedenken anmelden. Doch wer mutmaßte, daß Frankreich die Gelegenheit günstig schien, einen Fuß in die malische Tür zu stellen, darf sich seit dem vergangenen Wochenende bestätigt sehen.

Am 13. Juli endete »Serval« offiziell. Allerdings bleiben ungefähr 1000 französische Soldaten in dem westafrikanischen Land, als Teil einer größer und langfristiger angelegten »Antiterroroperation« mit dem Namen »­Barkhane« (sichelförmige Düne), die am 1. August beginnt. Das kündigte Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian am vergangenen Samstag in der tschadischen Haupstadt N’Djamena an, in die er Staatspräsident François Hollande auf einer Afrika-Tournee begleitet hatte. Le Drian zufolge soll sich die Operation über die fünf Sahelländer Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger und Tschad erstrecken und verfügt über ein Kontingent von 3000 französischen Soldaten.

Um die Anwesenheit französischer Truppen in Mali auf eine neue rechtliche Grundlage zu stellen, hatte Le Drian am vergangenen Mittwoch mit seinem dortigen Amtskollegen Bah N’Daw ein militärisches Kooperationsabkommen unterzeichnet, das einen 1985 geschlossenen Vertrag ersetzt. Die Unterzeichnung war seit Monaten immer wieder verschoben worden. Die Option, daß Frankreich als Gegenleistung für »Serval« Militärbasen im Norden des Landes verlangen könnte, wurde vielfach als Angriff auf die Unabhängigkeit Malis gewertet. Doch hier ließ Le Drian am Samstag keinen Zweifel: Die von Frankreich im Zuge von »Serval« aufgebaute Militärbasis in Gao und eine weitere »provisorische« in Tessalit bleiben bestehen. Daran ändert auch nichts, daß sie im Text des Militärabkommens, wie er inzwischen in einer nicht beglaubigten Version von der Nachrichtenseite Maliactu veröffentlicht wurde, keine Erwähnung finden.

Tatsächlich hält Frankreich mit der militärischen Kontrolle im Norden den Schlüssel zur Einheit des Landes in der Hand. Denn Mali selbst verfügt gegenwärtig über keine funktionsfähige Armee. Im Mai waren deren Reste in der nördlichen Provinz Kidal vor den Augen der französischen und der UN-Truppen der MINUSMA-Mission von Separatisten aufgerieben worden. Diese Niederlage belastet einerseits die Verhandlungen zwischen der malischen Regierung und Rebellenvertretern im algerischen Algier, die ebenfalls am vergangenen Mittwoch begannen. Andererseits beschädigt das Debakel aber auch das Verhältnis zu Frankreich und den UN, die sich nach Ansicht vieler Malier der Separatisten bedienen, um in Nordmali ein Protektorat à la Kosovo zu errichten. Mit den UN hatte Mali Anfang Juli ein militärisches Kooperationsabkommen abgeschlossen.

Die Separatisten sind stärker als vor der französischen Intervention, die Dschihadisten nicht besiegt. Erst am 14. Juli war ein französischer Soldat in Gao einem Attentat zum Opfer gefallen, für das angeblich der Dschihadisten-Kommandant Mokhtar ­Belmokhtar verantwortlich war. Nach der Unterzeichnung des Militärabkommens mit Mali in der vergangenen Woche flog Le Drian daher nach Gao, um den dortigen Soldaten seine Aufwartung zu machen.

Malische Oppositionelle wie die Globalisierungskritikerin Aminata Traoré mahnen derweil hinsichtlich des Dschihadismus im Sahel, dessen Bekämpfung »Barkhane« vorgeblich dienen soll, nicht Ursache und Folge zu verwechseln. So wies sie am Freitag in der BBC darauf hin, daß die Militarisierung der Sahelregion im Namen des nicht zuletzt von den USA geführten »Globalen Antiterrorkriegs« und insbesondere die vor allem von Frankreich betriebene Zerschlagung Libyens 2011 die Bedrohung des Dschihadismus erst geschaffen haben. Die wahren Probleme des Sahel seien sozialer Natur und militärisch nicht zu lösen.

** Aus: junge Welt, Dienstag 22. Juli 2014


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