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Verfrühte Freude

Mali: Rebellen verweigern Unterschrift unter Abkommen von Algier. Bamako gegen Nachverhandlungen

Von Jörg Tiedjen *

Am 1. März hieß es in den Nachrichten: Bei Friedensverhandlungen in Algier zwischen der Regierung Malis und Vertretern aus dem Norden des westafrikanischen Landes sei ein Durchbruch erzielt worden. Unter dem Vorsitz der UNO war monatelang um eine Einigung der verfeindeten Parteien gerungen worden, jetzt hätten alle einen Abschlussvertrag unterzeichnet. Nur eine Unterschrift fehle. Das war allerdings keine geringere als die der »Koordinierung der Bewegungen von Azawad« (CMA), in der auch die »Nationalbewegung zur Befreiung von Azawad« (MNLA) organisiert ist – jene Tuareg-Fraktion, die Anfang 2012 mit ihrem Sezessionskrieg die gegenwärtige Krise in Mali auslöste. So verschwand die frohe Botschaft schnell wieder aus den Schlagzeilen. Mittlerweile hat es sogar den Anschein, dass die Verhandlungen gescheitert sind, nicht einmal eine Fortsetzung steht in Aussicht.

Nicht nur bei den nordmalischen Rebellen, auch in der Hauptstadt Bamako stieß das in den letzten Februartagen veröffentlichte Vertragswerk auf Ablehnung. Beanstandet wurde in der Presse und in Kommuniqués politischer Vereinigungen die Nennung des Tuareg-Namens »Azawad« in dem Text als Bezeichnung für die nördlichen Provinzen, obwohl dort nicht nur Tuareg leben. Der in dem Entwurf festgehaltene Plan wiederum, den Norden in wirtschaftlicher, politischer und kultureller Hinsicht besonders fördern zu wollen, wurde als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung wahrgenommen.

Die Art und Weise, wie die CMA den Vertrag zum Scheitern brachte, war kaum geeignet, ihre Beliebtheit im Süden zu steigern. Zunächst schien niemand zu ahnen, dass sie sich am Ende weigern könnte, das Abkommen zu unterschreiben – daher die Erfolgsmeldungen. Erst kurz zuvor hatte sich der traditionelle Anführer der nordmalischen Tuareg von jeglichem Separatismus distanziert. Zwei Wochen Zeit brauche man, um den Vertrag mit der Basis zu besprechen, hatten die CMA-Vertreter bei ihrer Abreise aus Algier erklärt. Am 16. März kam dann die Ablehnung. Sie wurde vorübergehend zurückgenommen, als die internationalen Vermittler in Algier ankündigten, am nächsten Tag in der Tuareg-Hochburg Kidal einzutreffen. Aber sie konnten die CMA nicht umstimmen.

Die Onlinezeitschrift Maliactu berichtete über Nachbesserungen, die die CMA noch durchsetzen wollte: Der Name »Azawad« für die Nordprovinzen sollte anerkannt, 20 Jahre lang sollten 40 Prozent des Staatshaushalts in ihre Entwicklung investiert werden. Die malische Armee habe im Norden außerdem zu 80 Prozent aus einheimischen Soldaten zu bestehen. Doch am 18. März erteilte die Regierung in Bamako allen weiteren Verhandlungen mit der CMA eine Absage. Lediglich die bis dahin eingegangenen Verpflichtungen werde man respektieren, so der malische Präsident Ibrahim Boubacar Keita am Montag bei einem Besuch in Algier.

Pressestimmen und Stellungnahmen aus dem Süden werten Vorgehen und Forderungen der CMA als Zeichen von Überheblichkeit, jede Nachgiebigkeit der Regierung als Schwäche. Frankreich wird vorgeworfen, nach der Militärintervention von 2013 den Einfluss insbesondere der MNLA wiederhergestellt zu haben. In der Zeit der Besatzung des Nordens durch Dschihadisten hatte sie sich zurückziehen müssen, erst im Windschatten der französischen Truppen konnte sie ihre Position erneut festigen. Eine Offensive der malischen Armee letzten Mai gegen die MNLA scheiterte kläglich. Seit 2012 hat Bamako die Kontrolle über den Norden weitgehend verloren.

Was genau in diesem Landesteil geschieht, ist aufgrund der Sicherheitslage ungewiss. Ein am 20. März in der Hauptstadt vorgestellter UN-Bericht vermittelt eine Ahnung: Die malische Armee soll dort 2013 Massenerschießungen durchgeführt haben. Auch den diversen Milizen einschließlich der MNLA und den immer noch operierenden Al-Qaida-Kräften werden schwere Menschenrechtsverstöße vorgeworfen. Traurige Premiere in Bamako: Am 7. März überfielen Terroristen eine Bar, warfen Handgranaten und schossen um sich, wobei fünf Todesopfer zu beklagen waren. Das Ziel waren Ausländer. Die Spur der Täter führt nach Gao in Nordmali. Zunächst wurde gemeldet, Mokhtar Belmokhtar, ein vielfach totgesagter algerischer Schmugglerkönig und Dschihadistenkommandant mit vermuteten Geheimdienstbeziehungen, habe die Verantwortung übernommen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 25. März 2015


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