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Mali bleibt umkämpft

Neue Gefechte in Timbuktu folgen Frankreichs Ankündigung eines schrittweisen Truppenabzugs

Von Ralf Klingsieck, Paris *

Die Staatsführung Frankreichs lässt sich in Mali als Befreier feiern. Dabei kehrt auch nach zwei Monaten der Kämpfe gegen aufständische Islamisten keine Ruhe in dem Land ein.

Frankreich wird Ende April mit dem Rückzug seiner 4000 Soldaten aus Mali beginnen. Dies kündigte Präsident François Hollande in einem Fernsehinterview am vergangenen Donnerstag an. Ende Juli wären nur noch 2000 Franzosen an dem Militäreinsatz beteiligt, wahrscheinlich im Zusammenhang mit einem UN-Friedenseinsatz. Ende des Jahres sollen in Abstimmung mit der malischen Regierung noch rund 1000 Soldaten aus Frankreich verbleiben.

Dieser schrittweise Rückzug sei möglich durch den Erfolg der Operation »Serval«, die am 11. Januar in Zusammenarbeit mit afrikanischen Einheiten begonnen hatte. »Wir haben unsere Ziele erreicht«, zeigte sich Hollande überzeugt. Das erste Ziel sei gewesen, den Vormarsch der islamistischen Terroristen auf Bamako, die Hauptstadt Malis, zu stoppen. »Das haben wir gleich in den ersten Tagen erreicht.« Das zweite Vorhaben habe darin bestanden, die von den Islamisten besetzten und terrorisierten Städte und Regionen im Norden des Landes zurückzuerobern. »Auch das ist erreicht. Davon konnte ich mich selbst überzeugen und wir sind dort von der Bevölkerung als Befreier gefeiert worden. Das ist umso bemerkenswerter als Frankreich dort früher Kolonialmacht war«, so Hollande. Zuletzt sollten die terroristischen Banden bis in ihre Verstecke in den Bergen des äußersten Nordostens verfolgt werden. »Das war äußerst schwierig. Ich habe diese Operation verfolgt und ich bin stolz, was da geleistet wurde«, sagte der Präsident. Allerdings sind fünf französische Soldaten seit Beginn der Operationen in Mali getötet und viele verwundet worden. Mehr Opfer haben jedoch die Einheimischen zu verkraften: Nach jüngsten Angaben der Armee sind rund 600 islamistische Kämpfer und 63 malische Soldaten getötet worden.

Erst am Wochenende kam es zu neuen Kämpfen. Islamisten griffen das seit Januar als befreit geltende Timbuktu an und lieferten sich stundenlang Gefechte mit der malischen Armee, die von einer französischen Einheit unterstützt wurde. Dem war ein Sprengstoffanschlag an einem Kontrollposten vorangegangen. Es war bereits das zweite Selbstmordattentat in Timbuktu innerhalb von zehn Tagen. Nach Militärangaben konnte die für zahlreiche Kulturschätze bekannte Stadt im Norden des Landes aber wieder unter Kontrolle gebracht werden. Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete, sind dabei mindestens fünf Dschihadisten, ein malischer Soldat sowie eine nigerianische Geisel ums Leben gekommen.

Über das Problem der Befreiung von Geiseln sprach auch Hollande. Die Suche nach französischen Staatsbürgern, die von Terroristen gefangen gehalten werden, laufe bisher ohne Erfolg. Zu der Äußerung, dass Frankreich nicht mehr zu Verhandlungen auf finanzieller Basis bereit sei, erklärte der Präsident: »Es ist für die Familienangehörigen sicher nicht leicht zu akzeptieren, aber ich habe ihnen unumwunden gesagt, dass wir kein Geld an Terroristen zahlen werden, mit dem die dann Waffen kaufen, die unsere Soldaten töten. Das heißt nicht, dass es keine Kontakte und keine Verhandlungen mit ihnen mehr geben wird.«

Auch nach dem Abzug des Großteils der eigenen Truppen werde Frankreich die Entwicklung in Mali aufmerksam verfolgen. »Unsere Soldaten sind ja in anderen Ländern der Region stationiert und können jederzeit eingreifen, wenn dies nötig sein sollte«, sagte Hollande. Man werde sich allerdings nicht in die inneren Angelegenheiten Malis einmischen, etwa in die für Juli anberaumten Wahlen, auf denen Frankreich besteht. Sie haben zum Ziel, nach dem aus einem Putsch hervorgegangenen provisorischen Regime mit einem Übergangspräsidenten wieder zu einer demokratisch legitimierten Staatsführung zu gelangen. »Die Zeiten, da Frankreich die afrikanischen Staatsführer ausgewählt und in den Sattel gehoben hat, sind endgültig vorbei«, versicherte Hollande. Die Rückkehr zur Demokratie in Afrika sei Sache der Afrikaner selbst. Die Lösung der inneren Konflikte in Mali zwischen den Tuareg im Norden und der schwarzafrikanischen Bevölkerungsmehrheit im Süden müsse durch die Malier erfolgen.

Hollande verwies auch darauf, dass die malischen Truppen durch Ausbilder aus Europa befähigt werden sollen, künftig selbst für die Sicherheit in ihrem Land zu sorgen.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 2. April 2013


Konzeptlos in Mali

EU-Mission in Afrika gestartet: 550 europäische Soldaten trainieren Regierungstruppen **

Die EU mischt jetzt auch in Mali mit. Am gestrigen Dienstag hat die »European Union Training Mission« (EUTM) zur Ausbildung malischer Soldaten ihre Arbeit offiziell aufgenommen. Ein erstes Kontingent von 570 Kämpfern der Regierung des westafrikanischen Landes sei aus der Hauptstadt Bamako in das Ausbildungslager im rund 60 Kilometer entfernten Koulikoro geschickt worden, sagte EUTM-Sprecher ­Philippe de Cussac. Ihr Training solle zehn Wochen dauern. Zunächst seien eine Grundschulung und anschließend Spezialausbildungen etwa in der Fernmeldetechnik vorgesehen. Zudem würden einige der Soldaten als Scharfschützen trainiert.

Insgesamt sollen für den neuen, für ein Jahr geplanten Einsatz der Europäischen Union etwa 550 europäische Soldaten nach Mali verlegt werden. Er soll rund zwölf Millionen Euro kosten. Auch die Bundeswehr beteiligt sich über ein Mandat zur logistischen Unterstützung der französischen Truppen in Mali. Neben Ausbildern stellen die Deutschen 40 Sanitäter, die ein Rettungszentrum im Ausbildungslager aufbauen sollen.

Kritik kommt aus den eigenen Reihen. Der Chef des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, bezweifelte am Dienstag im Gespräch mit »heute.de«, daß der Einsatz wie geplant nach zwölf Monaten beendet würde. »Die jüngsten Erfahrungen haben bereits gezeigt, daß solche Konflikte unberechenbar sein können«, erklärte Kirsch. Er hoffe, daß es nicht zu einem »zweiten Afghanistan« komme. Er könne jedoch »kein politisches Gesamtkonzept für die gesamte Region« erkennen.

Mit der Begründung, ein weiteres Vordringen von Islamisten in Mali verhindern zu wollen, hatte Frankreich Mitte Januar militärisch dort interveniert. Die EUTM unter der Leitung des französischen Generals François Lecointre soll die malischen Regierungstruppen nun in die Lage versetzen, wirksamer gegen die Aufständischen im Norden des Landes vorzugehen.

** Aus: junge Welt, Mittwoch, 3. April 2013


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