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Schrumpfende Vorräte

Flüchtlingsprobleme in Mali und Nachbarländern verschärfen sich. Hilfswerken fehlt es an Geld

Von Thomas Berger *

Es regnet im mittleren Teil Malis. Doch die Freude über die Niederschläge trügt: Nur ein Teil der Felder wird demnächst in frischem Grün erstrahlen. Etlichen Bauern fehlt das Geld, um ausreichend Saatgut für ihre Flächen zu kaufen. Nur gut ein Zehntel der Familien verfügt über ausreichend Reserven, die anderen haben mangels Sicherheiten teilweise nicht einmal die Möglichkeit, bei den Banken Kredite aufzunehmen. Regierung und Hilfsorganisationen schätzen, daß allein beim Reis die Produktion dieses Jahr um 20 bis 30 Prozent niedriger als üblich ausfallen könnte. Zudem steht die potentielle Gefahr einer Heuschreckenplage ins Haus.

Nordmali befindet sich großenteils in der Hand radikalislamischer Rebellen verschiedener Gruppen, und der faktische Bürgerkrieg im Land ist die Ursache für Flüchtlingsprobleme und eine sich verschärfende Ernährungs¬krise. Eine halbe Million Menschen sind inzwischen auf der Flucht. 174000 Flüchtlinge aus den nördlichen Distrikten haben sich andernorts im Inland niedergelassen, teilweise bei Verwandten im Süden Unterschlupft gefunden. Knapp 250000 harren in teils nur sehr provisorischen Lagern auf den Territorien der Nachbarstaaten Mauretanien, Niger und Burkina Faso aus, so aktuelle Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR.

Sowohl diese Organisation der Vereinten Nationen als auch das Welternährungsprogramm (WFP) und diverse andere Verbände klagen immer wieder über mangelnde Finanzen. Vor allem in Burkina Faso, so jüngste Meldungen, sind die Reserven in gut einem Monat aufgebraucht. Andernorts sieht es ähnlich schlimm aus, vermelden Reporter des UN-Informationsportals IRIN. Die Vereinten Nationen hatten für die Katastrophen-Soforthilfe einen Finanzbedarf von 213 Millionen Dollar geltend gemacht. Doch nicht einmal für die Hälfte der Summe gibt es bisher verbindliche Zusagen oder steht das Geld schon zur Verfügung.

Die Ernährungssicherung ist gleichwohl nur drängendstes einer ganzen Reihe von Problemen. UNICEF und andere Organisationen verweisen zudem darauf, daß es ihnen momentan in den Flüchtlingslagern bestenfalls gelingt, für die Kinder der Primarstufe notdürftige Bildungsangebote zu unterbreiten. Für die Versorgung der älteren Schüler seien schlicht keine finanziellen Kapazitäten vorhanden. Was völlig fehlt, ist eine Rückkehrperspektive der Geflüchteten. Frühestens irgendwann 2013, so optimistische Prognosen, könnte sich die Lage in Mali soweit entspannt haben, daß sich die Lager leeren könnten.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 21. August 2012


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