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Wieder Unruhen auf den Malediven

Präsident Waheed hielt seine Jungfernrede vor aufgebrachten Abgeordneten

Von Hilmar König *

Erstmals seit dem Präsidentenwechsel im Februar trat zu Wochenbeginn (19. März) das Parlament der Malediven zusammen. Vor aufgebrachten Abgeordneten der Opposition hielt der neue Präsident Mohamed Waheed Hassan seine Jungfernrede.

Waheed appellierte an die 300 000 Bewohner des Archipels im Indischen Ozean, die nationale Einheit zu bewahren. Alle politischen Kräfte müssten an einem Strang ziehen. Der Präsident verwies darauf, dass die Verfassung Neuwahlen nicht vor Juli 2013 erlaube. Wenn man sich über eine Verfassungsänderung einigen könnte, stünde er vorgezogenen Wahlen aber nicht im Wege.

Abgeordnete der Maledivischen Demokratischen Partei (MDP), der stärksten Fraktion im Parlament, unterbrachen den Redner immer wieder. Ordner verwiesen einige Parlamentarier des Hauses. Zur gleichen Zeit forderten Anhänger des im Februar gestürzten Präsidenten Mohamed Nasheed auf den Straßen der Hauptstadt Male den Rücktritt Waheeds und sofortige Neuwahlen. Es kam zu heftigen Zusammenstößen mit der Polizei, die Tränengas einsetzte. In einem Gebäude brach Feuer aus. Etliche Personen wurden festgenommen.

Nasheed und seine MDP hatten 2008 nach ersten freien Wahlen das Regierungsruder übernommen und die rund 30 Jahre währende autokratische Herrschaft Maumoon Abdul Gayooms beendet. Jetzt aber sitzen etliche Gefolgsleute und eine der Töchter Gayooms wieder als Minister in der Regierung. Kenner werten dies als Hinweis auf die eigentlichen Drahtzieher des jüngsten Machtwechsels. Dessen Hintergründe bleiben dennoch nebelhaft. Während Nasheed von einem Staatsstreich spricht, besteht Waheed, zuvor Vizepräsident, auf der Verfassungsmäßigkeit des Umsturzes. Tatsache ist, dass öffentliche Proteste gegen Nasheed in den Wochen vor dem Putsch zugenommen hatten. Schließlich verlor er auch die Unterstützung des Sicherheitsapparates.

Indien war von dem Coup überrascht worden und versuchte danach als »großer Bruder« zu vermitteln. Die Kontrahenten sollten sich auf baldige Neuwahlen einigen. Doch die Vermittlung scheiterte. Schon am 1. März wollte der neue Präsident vor dem Parlament sprechen. Die MDP verhinderte das. Insofern gilt es schon als Erfolg, dass die Abgeordneten am Montag (19. März) zusammenkamen.

Auch das Commonwealth schaltete sich ein. Sein Generalsekretär schickte einen Sonderbotschafter nach Male, um die Lage zu beruhigen und baldige Wahlen zu empfehlen. Der Botschafter konferierte in den vergangenen Tagen mit dem Präsidenten, mit Nasheed und mit Gayoom. Aus Regierungskreisen war indes zu hören, wenn sich das Commonwealth in die inneren Angelegenheiten der Malediven einmische, wäre ein Austritt des Inselstaates aus dem Bund ehemaliger britischer Kolonien durchaus denkbar.

* Aus: neues deutschland, 21. März 2012


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