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Friedliche Revolution auf den Malediven

Autokrat Gayoom wurde per Wahl abberufen

Von Daniel Kestenholz, Bangkok *

Nach 30 Jahren autokratischer Herrschaft ist der am längsten amtierende Machthaber Asiens bei der ersten demokratischen Präsidentenwahl auf den Malediven abgewählt worden.

In der Niederlage zeigt er Größe: Umstandslos akzeptierte der 71-jährige Präsident Maumoon Abdul Gayoom am Mittwoch in der Malediven-Hauptstadt Male seine Niederlage und gratulierte seinem 30 Jahre jüngeren Herausforderer Mohamed Nasheed. Dabei hatte er nur im Gefühl des sicheren Sieges die ersten freien Wahlen in der Geschichte des Archipels zugelassen. Damit machte er unverhofft den Weg für Mohamed Nasheed frei.

Menschen in der Hauptstadt Male lagen sich gestern in den Armen und feierten das Ende der Ära Gayoom, der eine siebte Amtszeit zur Umsetzung demokratischer Reformen verlangt hatte. Das Volk traute seinen Versprechen nicht länger und folgte stattdessen seinem Herausforderer Nasheed, dem Chef der Demokratischen Partei. Dabei hatte Gayoom noch beim ersten Wahlgang am 8. Oktober seinen Hauptwidersacher um 16 Prozentpunkte abgehängt. Bei der Stichwahl am Dienstag, bei der sich kleinere Parteien hinter den jungen Reformer Nasheed stellten, vermochte der ausgebildete Ingenieur das Blatt jedoch zu wenden: Bei einer hohen Wahlbeteiligung von 87 Prozent entfielen 54 Prozent der Stimmen auf Nasheed, der wegen journalistischer Schriften mehrmals in Haft war; nur 46 Prozent kamen auf den geschlagenen Gayoom, der im schmutzigen Wahlkampf kein Wort mehr zu brennenden Themen verloren hatte – etwa zu Males Heroinproblem, dem Klimawandel, steigendem Meeresspiegel oder zur Weltfinanzkrise, die den Tourismus einbrechen lässt, die Lebensader der Malediven.

Rufmord war das große Thema Gayooms. So beschuldigte sein Lager den Sunni-Muslim Nasheed, in dieser Nation des zunehmend konservativen Islams Muslime zum Christentum bekehren zu wollen. Selbst Gayooms unumstrittenes Verdienst, Vater der modernen Malediven zu sein, die bei seinem Machtantritt 1978 noch eine einfache Fischergemeinschaft waren, half da nicht mehr.

Nach Berichten befand sich Nasheed gestern bereits zu Gesprächen bei Gayoom, um eine reibungslose Übergabe der Macht sicherzustellen. Trotz Siegesfeiern wurde der Ausbruch von Unruhen befürchtet. Denn mit Gayoom wird auch eine ganze Klasse an Freunden und Verwandten des Patriarchen abzutreten haben, die ihre Pfründe nicht widerstandslos hergeben dürfte. Der Verfall des Ansehens von Gayoom beschleunigte sich mit den Straßenprotesten 2004. Im Wahlkampf durfte ihn Nasheed gar als Diktator verurteilen – was auf den Malediven bislang noch niemand öffentlich und ungestraft wagte. Heute dürfte Gayoom bereuen, nicht wie immer reagiert zu haben: Gegner gleich ins Gefängnis zu werfen.

* Aus: Neues Deutschland, 30. Oktober 2008


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