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Nasheed unter Insel-Arrest

Expräsident der Malediven darf auf richterliche Anordnung Hauptstadt nicht verlassen

Von Thomas Berger *

Mit der Entscheidung, Expräsident Mohamed Nasheed in seiner Bewegungsfreiheit einzuschränken, hat die Justiz auf den Malediven die politischen Grabenkämpfe in dem südasiatischen Staat erneut angeheizt. Kaum daß Nasheeds nunmehr oppositionelle Demokratische Partei (MDP) zähneknirschend das Gerichtsurteil akzeptiert hatte, daß der frühere Staatschef bei den Unruhen Anfang Februar angeblich »freiwillig« zurückgetreten wäre, anstatt von seinem Vize und den Sicherheitskräften dazu genötigt worden zu sein, kochen nun die Spannungen erneut in voller Intensität hoch. Nasheed war am Mittwoch von einem Besuch aus Großbritannien zurückgekehrt, wo er in London unter anderem Außenamtschef William Hague getroffen hatte, als er daheim mit den neuen Entwicklungen konfrontiert wurde. Auf Betreiben der Staatsanwaltschaft hat ein Richter angeordnet, daß der Expräsident die Hauptstadt vorerst nicht verlassen darf. Hintergrund sind weiter die Unruhen im Frühjahr. Konkret geht es diesmal um eine Verleumdungsklage des Verteidungsministers gegen seinen früheren Chef, der diesen als Verräter bezeichnet haben soll. Am 2. Oktober soll die erste Anhörung dazu stattfinden.

Nasheed und andere MDP-Führer halten die richterliche Anordnung für eine Inszenierung der neuen Regierung unter Mohamed Waheed. Das ehemalige Staatsoberhaupt, in weiten Teilen der Bevölkerung noch immer sehr populär, soll mit juristischen Mitteln offenbar gezielt davon abgehalten werden, im Land herumzureisen. Diese Einschränkung dürfte sich vor allem im bevorstehenden Wahlkampf negativ auswirken. Im Juli 2013, drei Monate vor dem regulären Termin, soll ein neuer Präsident gewählt werden. »Offenbar haben die jetzigen Machthaber Angst, daß er erneut das Rennen machen könnte«, heißt es aus Nasheeds Umfeld. Der MDP-Führer war das erste freigewählte Staatsoberhaupt, nachdem der autoritäre Herrscher Maumoon Abdul Gayoom nach Jahrzehnten auf inneren und internationalen Druck ein Mehrparteiensystem eingeführt hatte. Die Hauptstadt Malé liegt auf einer von diversen Inseln, die das Staatsgebiet des mehrheitlich muslimischen Urlauberparadieses bilden.

* Aus: junge Welt, Freitag, 28. September 2012


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