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Wie freiwillig ging Nasheed?

Untersuchungskommission auf den Malediven legt Bericht zum Machtwechsel im Februar vor

Von Thomas Berger *

Der Rücktritt des vormaligen Präsidenten der Malediven, Mohamed Nasheed, am 7. Februar war angeblich kein Coup und hat nicht unter Zwang stattgefunden. Vielmehr habe der Staatschef aus freien Stücken die Macht abgegeben. Zu diesem offiziellen Ergebnis jedenfalls kam Ende August die Nationale Untersuchungskommission (CNI), die das neue Staatsoberhaupt Mohamed Waheed nach seiner Amtsübernahme eingesetzt hatte. Die nunmehrige Opposition allerdings beharrt auf ihrer Sichtweise, daß Nasheed von seinem damaligen Vize, der ihn daraufhin im Amt beerbte, in Kooperation mit Polizei und Militär zum Rücktritt gezwungen worden sei.

Die Verhaftung eines Richters und eines prominenten Oppositionspolitikers waren im Frühjahr der Auslöser für massive Unruhen gewesen, deren Opfer schließlich mit dem Machtverlust auch der erste frei gewählte Präsident seit drei Jahrzehnten wurde. Nasheed und seine Anhänger von der Maledivischen Demokratischen Partei (MDP) sprachen von einem Komplott, dessen Drahtzieher der neue starke Mann in Malé gewesen sei.

Zunächst hatte die CNI nur aus drei Mitgliedern bestanden, war dann aber von Waheed als Zugeständnis an seinen Vorgänger um einen von dessen Vertrauten, der sich später wieder aus der Kommission zurückzog, sowie einen früheren Richter aus Singapur ergänzt worden. Zudem hatte man als Berater Professor John Packer, einen UN-Juristen aus Kanada, und Sir Bruce Robertson, einen ehemaligen Richter am neuseeländischen Berufungsgericht, eingesetzt, um Commonwealth und Vereinte Nationen in den Untersuchungen zu repräsentieren. Bei diesen wurden 293 Zeugen befragt und Dokumente ausgewertet, um sich ein Bild von den stürmischen Ereignissen zwischen dem 5. und 8. Februar zu machen.

UN, Commonwealth und andere haben an die politischen Lager im Land appelliert, das Urteil, daß die Machtübertragung »legal und verfassungsgemäß« gewesen sei, zu akzeptieren. Aber die Fronten bleiben verhärtet. Gahaa Saeed (MDP) erklärte vor der Presse, daß er aus der CNI zurückgetreten sei, weil die Untersuchungen unzureichend gewesen seien und die daraus gezogenen Schlüsse falsch. Einige wichtige Zeugen, vor allem aus dem Polizeiapparat, habe man nicht gehört. Zudem sei die zur Verfügung stehende Zeit trotz einer bereits erfolgten Verlängerung des Mandats zu kurz gewesen.

Öl ins Feuer gossen auch Regierungsmitglieder wie Fischereiminister Fuwad Gasim, der Expräsident Nasheed als »Virus« bezeichnete, das »ausgemerzt« werden müsse. Pressesprecher Abbad Adil Riza warf Nasheed sogar vor, selbst einen Staatsstreich geplant zu haben, der nur mit seiner Entmachtung verhindert worden sei.

* Aus: junge Welt, Freitag, 7. September 2012


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