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Ein Land auf dem Rückwärtskurs

Malaysias Scharia-Justiz erlaubt jetzt auch Stockschläge für Frauen

Von Daniel Kestenholz, Bangkok *

Amnesty International zufolge hat Malaysia seit 2002 über 35 000 Männer mit Stockschlägen bestraft, die meisten davon illegale Einwanderer. Jetzt hat das einst als modernste islamische Nation geltende Malaysia die Strafe auch für Frauen eingeführt.

In den ehemaligen britischen Kolonien Singapur und Malaysia ist die Prügelstrafe mit einem Rohrstock noch heute fester Teil im Strafvollzug. Die Schläge sind derart, dass Opfer nicht selten nach dem zweiten Hieb vor Schmerzen in Ohnmacht fallen. Sind die Wunden verheilt, werden die restlichen Schläge verabreicht. Dabei schreibt die islamische Scharia die Prügelstrafe nicht vor. Sie ist ein Relikt der Kolonialherren.

Allerdings gelten Stockschläge für verurteilte Frauen als mehr symbolische Strafe. Sie werden nicht wie Männer mit nacktem Oberkörper auf eine Pritsche geschnallt und dann regelrecht ausgepeitscht. Frauen sitzen, tragen ihre volle Kleidung und die Person, die die Strafe ausführt, darf keine Schmerzen zufügen. Physisch zwar harmlos, aber als klare Erniedrigung gedacht. »Niemand wird verletzt«, versicherte Malaysias Innenminister Hishammuddin Hussein jüngst. Am 9. Februar bestrafte Malaysia zum ersten Mal überhaupt drei wegen Ehebruchs verurteilte Frauen mit Stockschlägen. Schmerzen hätten sie keine erduldet, so der Innenminister, doch die Schläge hätten »ihre Seelen verwundet«. Im Land fragt man sich, was denn eine Strafe überhaupt soll, die staatliche Instanzen wie Barbaren und gleichzeitig wie Narren aussehen lässt.

Selbst die konservative islamische Oppositionspartei PAS äußerte Bedenken und erklärte, »islamische Justiz verlangt Fairness ohne Grausamkeit oder Korruption«. Doch Shahrizat Abdul Jalil, Ministerin für Frauen- und Familienfragen, denkt jetzt sogar an eine internationale Konferenz zum Thema, ob Stockschläge unter islamischem Recht eine angemessene Strafe für Frauen seien.

Für weltweite Schlagzeilen sorgte Malaysias Prügelstrafe für Frauen mit dem Urteil 2009 gegen Kartika Dewi Shukarni, die von Sittenwächtern beim Trinken von Bier in einer Hotellobby erwischt worden war. Das Teilzeitmodel jedoch nahm es mit Malaysias Führung auf und verlangte, sie auszupeitschen, um der Welt zu zeigen, wie erbärmlich es unter dieser Regierung um den Islam stehe.

Premier Najib empfahl ihr, Berufung einzulegen, doch die Vollzugsbehörden schienen kalte Füße zu kriegen. Kartika wartet noch heute auf die Vollstreckung, während die Regierungspartei UMNO den Imageverlust kaum mehr wettmachen kann. Die einst traditionellere PAS, die bei Wahlen kräftig zulegte, wirkt im Vergleich geradezu fortschrittlich-liberal.

Der Züchtigung von Frauen nicht genug, ringt die Regierung um ihre Glaubwürdigkeit mit einem neuen Prozess gegen den früheren Vizepremier Anwar Ibrahim. Anwar soll mit einem jungen Parteigehilfen Sexualverkehr gehabt haben - eine ähnliche Anklage wie 1998, die Anwar für zehn Jahre hinter Gitter brachte, bis das Oberste Gericht das Urteil kippte. Homosexualität ist in Malaysia verboten. Auf dem Papier. In Kuala Lumpur blüht indes die Szene. Man spricht in Malaysia von einem rein politischen Prozess und erfundenen Vorwürfen, um Oppositionsführer Anwar ein für allemal aus dem Weg zu räumen.

In Onlineforen und Leserbriefen ereifern sich Malaysier über die »Zurückentwicklung« des Islams. Beobachter wiederum sehen in der Radikalisierung von Malaysias einst gemäßigter Mehrheitsreligion einen verzweifelten Versuch von UMNO, den eigenen Fall aufzuhalten. Seit einem halben Jahrhundert dominiert UMNO Malaysias Politik, doch die Skandale lassen sich nicht länger vertuschen. Neue Härte, so Beobachter, soll Kontrolle und Dominanz demonstrieren.

* Aus: Neues Deutschland, 4. März 2010

Deutsche Bank will mit Islam-Anleihen punkten

Stefan Ludwig berichtete in der Financial Times Deutschland am 1. März u.a.:

Die Deutsche Bank hat sich den Zugang zum weltgrößten Markt für islamische Finanzprodukte gesichert. Die malaysische Zentralbank erteilte dem Institut eine Lizenz, mit der es islamische Bonds in der lokalen Währung Ringgit anbieten darf. "Wir möchten unsere Fußspuren in Malaysia ausweiten", sagte der für den Nahen Osten und Nordafrika zuständige Manager Hussein Hassan FTD.de.
Die Deutsche Bank habe nun Zugang zum lokalen Markt und könne nun Firmen und anderen Banken islamische Anleihen (Sukuks) anbieten. Sukuks sind schariakonforme Anleihen, bei denen keine Zinsen gezahlt werden. Der Anleger wird stattdessen Teilhaber an einer mit der Bank verbundenen Firma und so an Gewinnen beteiligt.

Der Koran verbietet Zins. Daher verteilen schariakonforme Banken das Risiko anders: Anstatt einen Kredit zu vergeben, kauft die Bank etwa ein Haus und verkauft es in Raten. Beide Vertragspartner teilen somit das Risiko des Kreditausfalls. Der Koran untersagt außerdem Geschäfte mit Alkohol, Tabak, Waffen oder Schweinefleisch.

Islamic Finance zählt zu den am schnellsten wachsenden Teilmärkten der Finanzbranche. Das jährliche Wachstum wird auf 15 bis 20 Prozent geschätzt. Laut der Ratingagentur Moody's, verwalten weltweit 250 islamische Fonds ein Kapital von 300 Mrd. $. Auf 300 islamische Finanzinstitutionen entfallen darüber hinaus 250 Mrd. $. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg ist die Deutsche Bank momentan Marktführer bei Islamanleihen und asiatischen Bonds.
Malaysia ist mit Abstand der weltweit wichtigste Sukuk-Markt. (...)

Auszug aus: Deutsche Bank will mit Islam-Anleihen punkten, in: FTD, 1. März 2010




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