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Getrübte Freundschaft

Im ostmalaysischen Sabah pochen Anhänger des Sultanats von Sulu auf Territorialansprüche

Von Rainer Werning *

Seitdem am zweiten Februarwochenende zwischen 200 und 300 bewaffnete Anhänger der Königlichen Armee des Sultanats von Sulu von südphilippinischen Inseln aus mit Motorbooten in Lahad Datu und anderen Orten Sabahs anlandeten, sind Diplomaten in den Hauptstädten Kuala Lumpur und Manila bemüht, die Wogen zu glätten und die ansonsten reibungslosen nachbarschaftlichen Beziehungen wieder ins Lot zu rücken (siehe jW-Schwerpunkt am 18.3.). Bislang sind etwa 80 Menschen bei den Auseinandersetzungen ums Leben gekommen.

Seit Anfang der 1970er Jahre war Sabah mit Duldung der malaysischen Behörden ein Ausbildungs- und Rückzugsgebiet der Moro Nationalen Befreiungsfront (MNLF), die für einen unabhängigen Staat kämpfte. Ende 1976 aber kam es im libyschen Tripolis, wo der MNLF-Gründungsvorsitzende Nur Misuari im Exil lebte, zu einem Friedensabkommen mit dem Marcos-Regime. Zwanzig Jahre später unterzeichnete Misuari schließlich das Endgültige Friedensabkommen mit der Regierung unter Fidel V. Ramos.

Nachdem Misuari und die MNLF von Manila kooptiert waren, sattelte Kuala Lumpur um und hofierte fortan die Moro Islamische Befreiungsfront (MILF), eine Abspaltung von der MNLF. Die MILF war zwischenzeitlich zur bedeutsamsten muslimischen Gruppierung avanciert. So fanden ausgerechnet unter der Ägide der malaysischen Regierung in Kuala Lumpur seit 1997 zunächst Waffenstillstands- und später Friedensverhandlungen zwischen der MILF und der Regierung in Manila statt. Derweil hatten die malaysischen Behörden Anfang 2002 Nur Misuari an Manila ausgeliefert, als dieser sich nach einer mißglückten bewaffneten Revolte auf der Insel Jolo nach Sabah abgesetzt hatte. Dies hat Misuari bis heute nicht verwunden.

Zum Durchbruch kam es am 15. Oktober des vergangenen Jahres. An jenem Tag wurde zwischen Manila und der MILF ein Rahmenabkommen zur Regelung der Belange des Moro-Volkes unterzeichnet, wozu auch eigens Malaysias Premierministers Najib Razak anreiste. Eckpunkt des Abkommens ist die Schaffung einer autonomen Re­gion namens Bangsamoro, die spätestens bis 2016 erfolgen soll; dann endet die Amtszeit von Aquino.

Kritik an diesem Abkommen hagelte es umgehend seitens enttäuschter Ex-MILF-Kämpfer, die meinen, ihre einstige Führung sei gegenüber der Regierung in Manila eingeknickt. Außerdem gibt es auf Mindanao zahlreiche einflußreiche Politiker und Landlords, denen ein Friedensabkommen die Geschäfte vermasseln würde. Anhänger der Vorgängerregierung unter Gloria Macapagal-Arroyo (2001–2010) haben sich ebenfalls abfällig über das Rahmenabkommen geäußert. Jesus G. Dureza, einst Pressesprecher Arroyos und Sonderbeauftragter für Mindanao, feuerte Mitte des Monats eine Breitseite gegen die Regierung. Diese, so Dureza, müsse nunmehr einsehen, daß Malaysia nicht länger mehr ein neutraler Vermittler zwischen Manila und der MILF sei. Dieses Argument verfängt im Arroyo-Camp. Die Expräsidentin befindet sich nämlich noch immer unter Hausarrest und erwartet womöglich mehrere Gerichtsverfahren wegen Vorteilsnahme im Amt.

Zwar hat Misuari immer wieder betont, nichts »mit den Ereignissen in Sabah« zu tun zu haben. Doch seine Nähe zum Sultan ist bekannt, und er befürwortet dessen Anspruch auf Sabah. Zudem rivalisiert die MNLF, der mehrheitlich Tausug angehören, mit der vorwiegend aus Maguindanao und Maranao gebildeten MILF um den Führungsanspruch innerhalb der Moros. Misuaris und des Sultans Gefolgschaft beklagen, nicht in den letzten Friedensprozeß eingebunden worden zu sein, und lehnten eine Vermittlerrolle Malaysias stets ab.

Wieso geschieht all das ausgerechnet jetzt? Am 13. Mai finden im Lande Wahlen statt. Da werden Politiker mit nationalistischer Rhetorik Stimmung machen. Die Opposition wittert Morgenluft; sie wirft dem Präsidenten Inkompetenz vor. Als gemeinsamer Nenner bietet sich umso mehr die Ablehnung, ja Torpedierung des Rahmenabkommens an.

* Aus: junge Welt, Montag, 25. März 2013


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