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Schluss mit Bumiputra

Malaysia: Wirtschaftsreform gegen Korruption und Vetternwirtschaft

Von Michael Lenz *

Jahrzehntelang wurden in Malaysia beim Aktienkauf die ethnischen Malaien bevorzugt. Ministerpräsident Najib Razak hat diese Regelung nun stark zurückgefahren – Proteste bleiben da nicht aus.

Es ist eine Kulturrevolution. Und auch ein familiärer Bruch. Ministerpräsident Najib Razak hat überraschend nach nur 100 Tagen im Amt die jahrzehntelange »Bumiputra Politik« dramatisch zurückgeschraubt. Die bisherige Regelung, dass mindestens 30 Prozent eines börsennotierten Unternehmens von Bumiputras, den »Prinzen des Landes«, wie die ethnischen Malaien sich nennen, gehalten werden müssen, wird abgeschafft. Zwar muss ein Unternehmen, das an die Börse gehen will, weiter 25 Prozent seiner Aktien der Öffentlichkeit anbieten, aber nur noch 12,5 Prozent davon sind für Malaien reserviert.

Das ist ein gewagtes Spiel von Najib, dessen Vater Abdul Razak als malaysischer Ministerpräsident Anfang der 1970er Jahre nach den blutigen Rassenunruhen im multiethnischen Malaysia die Bumiputra-Regelung zum Kernstück seiner »Neuen Wirtschaftspolitik« machte. Deren Ziel war es, die wirtschaftliche Benachteiligung der Malaien abzubauen, die zu der rassistischen Gewalt vor allem gegen die chinesischstämmigen Malaysier geführt hatte.

Seit 1971 sind die Firmenanteile der Malaien, die etwa 55 Prozent der Einwohner Malaysias ausmachen, von nur 2,4 Prozent auf jetzt etwas über 19 Prozent gestiegen. Gleichzeitig hat sich die Förderungspolitik aber als Vehikel für Korruption und Vetternwirtschaft erwiesen. Malaien mit guten Verbindungen zu Politikern verdienten sich eine goldene Nase.

Gleichzeitig wurde die Bumiputra-Politik zur heiligen Kuh in Malaysias Innenpolitik. Für die immer stärker werdenden nationalistisch-islamistischen Malaien sind die wirtschaftlichen Privilegien der Bumiputras nur eine wichtige Etappe auf dem Weg hin zur totalen Dominanz über die 45 Prozent Malaysier vorwiegend chinesischer und indischer Abstammung und der Errichtung eines islamischen Gottesstaats. Diese brisante Mixtur aus Nationalismus und Religion hat in den vergangenen Jahren zu steigenden Spannungen zwischen den ethnischen Gruppen und Religionen geführt. Chinesen und Inder, Christen, Buddhisten und Hinduisten sehen sich zunehmend als Bürger zweiter Klasse.

Der Konflikt hat sich bisher jedoch noch nicht in erneuten blutigen Kämpfen zwischen den Ethnien entladen, sondern sucht nach einer politischen Lösung. Bei den Wahlen im März 2008 waren die Wähler in Scharen zur Koalition der Oppositionsparteien unter Führung des charismatischen Anwar Ibrahim übergelaufen, die auch unter (vor allem jüngeren) Malaien dick punkten konnte mit ihrem Versprechen, Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik für alle Malaysier machen zu wollen.

Die große Frage ist, ob Najib die Kraft hat, seine Wirtschaftsreform auch durchzusetzen. Scharfe Kritik jedenfalls kommt sowohl von einflussreichen islamischen Führungspersönlichkeiten wie auch von strammen Nationalisten aus den Reihen von Umno, der politisch dominanten Partei in Malaysia, die sich als Sachwalter der Interessen der Malaien versteht. Sie werfen Najib eine »Kapitulation vor ethnischen Minderheiten« vor. Aber der Regierungschef hat auch starke Verbündete aus der Wirtschaft und dem immer stärker werdenden »anderen Malaysia«, das statt auf Konfrontation auf Miteinander, Gleichheit und Demokratie setzt, an seiner Seite. Darunter ist sein Bruder Datuk Seri Nazir Razak, Chef der mächtigen CIMB Bank. Politik ist eben auch eine Familienangelegenheit.

* Aus: Neues Deutschland, 17. Juli 2009


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