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Malawi in der Krise

Präsident löst Regierung auf. Oppositionsgruppen kündigen neue Proteste an

Von Simon Loidl *

Ende vergangener Woche hat der Präsident von Malawi, Bingu wa Mutharika, die Regierung des südostafrikanischen Landes aufgelöst. Die Maßnahme ist als Reaktion auf die zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung des Binnenstaates mit der derzeitigen Politik zu sehen. Im Juli war es zu mehrtägigen Unruhen gekommen, bei deren Niederschlagung 19 Menschen getötet und mehrere Dutzend verletzt wurden. Eine der Forderungen der Protestierenden war die Verkleinerung des Regierungsapparates, da nach Ansicht einiger Kritiker die aufgeblähte Administration zu Ineffizienz geführt und die derzeitige Krise ausgelöst habe.

Daß Mutharika dieser Forderung nun in gewisser Weise nachkommt, dürfte mit der Furcht vor neuen Protesten zusammenhängen. Am 20. Juli hatten Oppositionsgruppen der Regierung einen Forderungskatalog übergeben und ein Ultimatum gestellt, das Mitte letzter Woche ausgelaufen ist. Ab diesem Zeitpunkt sollten erneut Kundgebungen abgehalten werden, wenn bis dahin keine politischen Maßnahmen zur Bewältigung der ökonomischen und politischen Probleme des Landes eingeleitet worden wären. Die Absetzung der Regierung war für Mutharika die einfachste Maßnahme, um den Protesten kurzfristig etwas Wind aus den Segeln zu nehmen. Gleichzeitig jedoch bestätigt er mit der Übernahme sämtlicher Regierungsagenden den Vorwurf der malawischen Opposition, daß er seine Befugnisse als Präsident ständig erweitern würde. Jenen Forderungen wiederum, die den Kern der Proteste widerspiegeln, kam der Präsident bislang überhaupt nicht entgegen. Dies würde einen politischen Kurswechsel notwendig machen, zu dem Mutharika nicht bereit zu sein scheint.

Ausgelöst wurden die Unruhen durch mehrere Ereignisse, die zu einer akuten Verschlechterung der ökonomischen Situation Malawis geführt hatten. Die Benzinversorgung des Landes war Anfang Juli zusammengebrochen. Gleichzeitig beeinträchtigte ein Mangel an Devisen die für die Versorgung Malawis wichtige Importwirtschaft. Mehrere internationale Geldgeber des Landes hatten zudem als Reaktion auf Mutharikas Politik Unterstützungszahlungen eingestellt, nachdem während der vergangenen Jahre die Pressefreiheit und Demonstrationsrechte eingeschränkt worden waren. Kürzungen staatlicher Ausgaben, durch die ein Nulldefizit erreicht werden soll, hatten die angespannte Situation noch zusätzlich verschärft.

Malawi, das als eines der ärmsten Länder der Erde gilt, leidet seit langem an einem chronischen Handelsbilanzdefizit. Während der letzten Jahre wurde dieses durch den Rückgang der Preise für Tabak, dem wichtigsten Exportartikel, noch gesteigert. Die Einnahmen, die mit dem Verkauf erzielt werden, gehen kontiniuierlich zurück. Der Devisenmangel, der als Mitauslöser der Proteste vom Juli gilt, ist vorwiegend auf den Einbruch der Erlöse aus dem Tabakhandel zurückzuführen.

Unterdessen konnte die Auflösung der Regierung den Unmut der Bevölkerung keineswegs besänftigen, zumal Mutharika diesen Schritt nicht begründete und bislang keine weiteren Maßnahmen in Aussicht stellte. Trotz der Androhung erneuter Repressionen im Fall neuer Proteste sind bereits für den heutigen Mittwoch Kundgebungen anberaumt. Ein Zusammenschluß mehrerer Oppositionsgruppen hat für September Mahnwachen, Demonstrationen und Streiks angekündigt.

* Aus: junge Welt, 24. August 2011


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