General Ralston gibt grünes Licht für NATO-Einsatz: "Stabile Waffenruhe"
UCK sprengt zur gleichen Zeit orthodoxe Kirche in die Luft
Die NATO geht unbeirrt ihren Weg nach Makedonien weiter. Die folgenden beiden Artikel, willkürlich herausgegriffen aus den Zeitungsmeldungen vom 21. und 22. August 2001, sollen dokumentieren, wie widersprüchlich die Voraussetzungen und Vorstellungen des geplanten NATO-Einsatzes sind. Bald könnte aus dem "sanften" Mandat der NATO ein "robuster" Einsatz werden. Fragt sich dann nur: Wer mit wem gegen wen?
Auf dem Weg zum Protektorat
Bei der NATO rechnet niemand mit wirklicher Entwaffnung der UCK. General Ralston in
Skopje
Vor der Entscheidung des NATO-Rates über eine Mission zur Entwaffnung der UCK in
Mazedonien hat sich der NATO-Oberbefehlshaber für Europa ein »Bild von der Lage vor Ort«
gemacht. US-General Joseph Ralston reiste am Montag nach Skopje, um mit
Regierungsvertretern und den Kommandeuren der NATO-Vorhut zu beraten. Eine »stabile
Waffenruhe« ist offiziell die wichtigste Voraussetzung für die geplante Entsendung von 3500
Soldaten.
Niemand bei der NATO erwartet von der UCK in Mazedonien, daß sie »alle ihre Waffen
abgibt«, erklärte am Montag der BBC-Korrespondent aus Skopje. Aber einige tausend
müßten es schon sein, »damit es eine sinnvolle Geste ist«. Derweil macht die »Nationale
Befreiungsarmee« (UCK) trotz gegenteiliger Zusicherungen von ihren Waffen weiterhin fleißig
Gebrauch. Nur wenige Stunden vor der Ankunft von General Ralston in Skopje hatte die UCK
die mazedonischen Sicherheitskräfte in den Dörfern um Tetovo im Norden des Landes in
heftige Kämpfe verwickelt.
Während die UCK-Feldkommandanten davon sprechen, höchstens 2 500 Waffen freiwillig
abzuliefern, erwartet die mazedonische Seite mindestens 6 000. Der britischen Sunday Times
zufolge glaubt jedoch niemand unter den westlichen nachrichtendienstlichen Experten, daß die
UCK ihre neusten Waffen abliefern wird. Diese seien längst in geheimen Waffenlagern in den
Bergen versteckt. Auch der Botschafter eines NATO-Landes in Skopje befürchtet, daß »die
jungen Albaner Geschmack an erfolgreichen bewaffneten Aufständen gefunden haben. Unter
den nicht-albanischen Mazedoniern hat ohnehin niemand Vertrauen in die NATO, denn auch im
Kosovo hat das westliche Militärbündnis nie ernsthaft versucht, trotz eines eindeutigen
Auftrages des UNO-Sicherheitsrats, die UCK zu entwaffnen.
Daniel Serwer, Direktor der Balkan-Initiative am »US Institute for Peace« in Washington
warnte davor, daß die geplante NATO-Operation im Norden Mazedoniens sogar die Tendenz
zur Teilung des Landes entlang der ethnisch- albanischen Sprachgrenze verstärken wird. »Als
ungewollte Konsequenz der Operation werden Albaner in die von der NATO-kontrollierten
Gebiete ziehen und die Mazedonier werden sie verlassen«. Eine Entwicklung, die dem Plan der
nationalistischen Gewaltseparatisten für die Schaffung von Großalbanien nur förderlich sein
kann. So sieht das auch Stratfor, der private amerikanische Nachrichtendienst für
Großunternehmen, in einer Lageeinschätzung mit dem Titel »Der NATO-Einsatz in Mazedonien
bedeutet den Sieg für die UCK«.
»Die NATO plant, nach Mazedonien zu gehen, und es in einen Zwei-Nationen-Staat
umzuwandeln«, schreibt Stratfor weiter. Dies würde »ein neues Kosovo schaffen, in dem die
albanischen Extremisten de facto alle albanisch-bewohnten Gebiete des Landes kontrollieren.
Die NATO-Streitkräfte werden nicht in der Lage sein, der Terrorkampagne der (UCK)
Guerillas gegen Nicht-Albaner Einhalt zu gebieten. Das Resultat dieser Entwicklung wird sein,
daß albanisch bevölkerte Gebiete Mazedoniens de facto von Mazedonien getrennt werden und
sich statt dessen die Gewaltextremisten und organisierte Gangstersyndikate dort die Macht
teilen«.
Damit die UCK ihren Plan umsetzen kann, muß die NATO allerdings wie im Kosovo mehr
oder weniger permanent in Mazedonien bleiben. Daher werden die ethnischen Albaner in
Mazedonien auch nicht müde, immer wieder die Bedeutung einer dauerhaften NATO-Präsenz
in den albanisch bewohnten Gebieten zu betonen. Die geplante NATO-Operation »Essential
Harvest« kommt diesen Wünschen entgegen. Denn selbst in den NATO- Hauptstädten mehren
sich inzwischen die Stimmen, die daran zweifeln, daß die Operation »Wesentliche Ernte« in 30
Tagen beendet sein wird.
»Ein Monat in Mazedonien wird nicht genug sein«, betitelte der frühere Oberbefehlshaber
NATO-Europa, General Wesley Clark, einen Artikel Ende letzter Woche in der New York
Times. Clark stand der NATO während ihres Angriffskrieges gegen Jugoslawien vor. »Die
Tatsache daß die Truppen mit solch einem beschränkten Mandat (lediglich zum Waffen
einsammeln) geschickt werden, verrät die Verpflichtung der NATO. Eine Mission, die in
Umfang und Zeit dermaßen begrenzt ist, setzt die bereits zehn Jahre dauernden Bemühungen
der NATO aufs Spiel, dem Balkan Frieden, Stabilität und multi-ethnische Demokratie zu
bringen«, schrieb Clark und verlangte statt dessen, daß die NATO »so schnell und so
umfassend wie möglich eingreift und so lange wie nötig bleibt«.
Rainer Rupp
Aus: junge welt, 21. August 2001
Bescherung für die NATO
Mittelalterliches Kloster in Mazedonien von UCK gesprengt. Brüssel berät
Truppenentsendung
Schöne Bescherung für die NATO: albanische Gewaltseparatisten der UCK haben am
Dienstag eine orthodoxe Kirche in Lesok im Nordwesten von Mazedonien in die Luft
gesprengt. Die Kirche in dem mittelalterlichen Kloster, einem der bedeutendsten
Kulturdenkmäler des Balkanlandes, sei bei der Vandalenattacke zerstört worden, sagte ein
Sprecher des Verteidigungsminsteriums in Skopje. Dem Ministerium zufolge kam es in der
Nacht zum Dienstag erneut zu vereinzelten Kämpfen zwischen der UCK und
Regierungstruppen in den Dörfern Poroj, Gajre und Sipkovica im Nordwesten.
Auf Drängen der NATO will das mazedonische Verteidigungsministerium die eigenen Truppen
aus den Gebieten zurückzuziehen, in denen Soldaten der westlichen Militärallianz die Waffen
der UCK einsammeln werden. Außerdem soll eine Flugverbotszone für die mazedonische
Luftwaffe über den betroffenen Gebieten verhängt werden. So soll ein »freundliches Umfeld für
die Waffenübergabe geschaffen werden«.
Als am Montag ein Verbindungsteam des britischen Vorauskommandos in das nordöstlich von
Skopje gelegene Dorf Nikustak fuhr, das von UCK-Kämpfern gehalten wird, war die
internationale Presse vom politischen Chef der UCK, Ali Ahmeti, eingeladen, die britischen
Soldaten zu begleiten. Der von westlichen Medienexperten wohl gut beratene UCK-Politchef
hatte auch ausdrücklich das mazedonische Fernsehen aufgefordert, mitzukommen. An einem
UCK-Kontrollposten wurde das TV-Team aus Skopje jedoch unter den Augen der britischen
Soldaten zur Umkehr gezwungen.
Nach Berichten der mazedonischen Militäraufklärung nimmt derzeit die Zahl der
UCK-Terroristen zu, die an ihren Uniformen das Emblem der UCK mit dem der »neuen« ANA
(Albanische Nationale Armee) austauschen. Über 500 Terroristen hätten auf diese Weise
bereits dem sogenannten Friedensabkommen den Rücken gekehrt.
Dennoch machte sich der NATO-Oberbefehlshaber für Europa, General Joseph Ralston, in
seinem Bericht an die Botschafter der 19 NATO-Mitgliedsstaaten am Dienstag nachmittag für
die Operation »Essential Harvest« stark. Die bei Redaktionsschluß noch ausstehende
Entscheidung des NATO-Rats war im Prinzip nur noch eine Formalität. Durch die Entsendung
der Vorausabteilung hat die NATO bereits Fakten geschaffen.
Rainer Rupp
Aus: junge welt, 22. August 2001
Zurück zur Makedonien-Seite
Zurück zur Seite "Regionen"
Zurück zur Homepage