US-Soldaten retten albanische Separatisten
Richard Tyler und Chris Marsden berichten über merkwürdige Vorgänge in Mazedonien
Im Folgenden dokumentieren wir einen Artikel aus dem "World Socialist Web Site", den die NGO-Internetzeitung "www.ngo-online.de" am 2. Juli ins Netz gestellt hat.
In einer unilateralen Aktion hat das amerikanische Militär am Montag einige Hundert albanische Kämpfer aus
einer Ortschaft nahe der mazedonischen Hauptstadt Skopje evakuiert. 81 amerikanische Soldaten und 16
Panzerfahrzeuge eskortierten 20 Busse, in denen Angehörige der albanischen Separatistenmiliz Nationale
Befreiungsarmee (UCK) aus dem Ort Aracinovo abtransportiert wurden.
Vorangegangen waren zwei Wochen schwerer Gefechte um Aracinovo, das sich zu einem Brennpunkt des
Kampfes zwischen albanischen Aufständischen und mazedonischer Regierung entwickelt hatte. Als ein Sieg der
Regierungstruppen in greifbare Nähe gerückt war, griff das US-Militär ein und holte die UCK-Kämpfer aus ihrer
umzingelten Stellung heraus. Vier Nato-Lastwagen transportierten die Waffen der Guerilleros, die ihnen später
wieder ausgehändigt wurden.
Der Sprecher des Pentagon Admiral Craig Quigley gab an, die Anordnung zum Einsatz der US-Soldaten als
Eskorte für den Rückzug der UCK sei von General Joseph Ralston ausgegangen, dem
Nato-Oberkommandierenden für die amerikanischen Truppen in Europa. Der Sprecher des Weißen Hauses Ari
Fleischer bestätigte, dass die Entscheidung auf höchster Regierungsebene sanktioniert worden sei. Präsident
Bush, seine Nationale Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld waren
zu Rate gezogen worden.
Die Entscheidung Washingtons zur Rettung der UCK-Truppen löste in weiten Teilen der mazedonischen
Bevölkerung Empörung aus. Am Montag Abend versammelte sich eine Menge von nahezu 10.000 Menschen vor
dem Parlament in Skopje. "Tod allen Albanern! Nur ein toter Albaner ist ein guter Albaner!" wurde ebenso gerufen
wie Parolen gegen die Nato. Einige Demonstranten verbrannten Bilder des Europäischen
Sicherheitsbeauftragten Javier Solana, der das Vorgehen der USA im Nachhinein sanktioniert hatte.
Die Aktion ist im Rahmen des offiziellen Auftrags der Nato nicht zu rechtfertigen. Dieser lautet, die mazedonische
Regierung durch das Aushandeln eines Waffenstillstands bei der Beilegung des albanischen Aufstands zu
unterstützen. Erst vor einer Woche veröffentlichte die Nato eine Erklärung, in der es hieß: "Unter der Bedingung,
dass der politische Dialog zwischen den verschiedenen Parteien zu einem tragfähigen Ergebnis führt und ein
Waffenstillstand verabschiedet wird, ist die Allianz ist bereit, [in Mazedonien] Hilfe zu leisten. In diesem Falle, und
nur in diesem Falle, wird die Nato unter verbindlichen und präzisen Anweisungen Truppen entsenden, um die
Waffen der albanischen Extremisten einzusammeln" (Betonung im Original).
Anstatt auf die Entwaffnung der "albanischen Extremisten" hinzuwirken, haben die USA nun interveniert, um die
UCK-Kämpfer zu retten. Sie wurden in einem anderen Dorf etwa elf Kilometer weiter nördlich abgesetzt, wo sie
unverzüglich neue Angriffe auf Skopje begannen.
Die Rettungsaktion für die UCK hat Washingtons Anspruch entlarvt, seine Intervention auf dem Balkan sei von der
Sorge um die Souveränität der diversen Nachfolgestaaten Jugoslawiens oder um das Schicksal gewählter
Regierungen motiviert.
Die Bush-Regierung hält deshalb ihre schützende Hand über die mazedonische UCK, weil sie sich die
Separatistenarmee als ihr Instrument auf dem Balkan erhalten möchte.
In den späten neunziger Jahren belieferten die USA die UCK mit Hilfsmitteln, und die CIA unterstützte ihre
Mordanschläge auf serbische Polizisten ebenso wie ihren Terror gegen serbische Zivilisten. Dies war Bestandteil
einer umfassenderen Strategie, die darauf abzielte, Serbien zu destabilisieren und die Region unter
amerikanische Hegemonie zu zwingen. Mit der Hilfe der UCK spielte Washington ein gefährliches und zynisches
Spiel. Man nutzte die berechtigte Erbitterung der Kosovo-Albaner gegen das serbisch-nationalistische Regime in
Belgrad aus, um ethnische Konflikte zu schüren und einen Bürgerkrieg zu provozieren.
Während der Friedensverhandlungen in Rambouillet Anfang 1999 hofierten die USA die Delegierten der UCK und
behandelten sie als legitime Vertretung der albanischen Bevölkerung des Kosovo. Washington stellte Serbien ein
als Friedensangebot verkleidetes Ultimatum, das Belgrad nicht annehmen konnte, weil es den westlichen
Truppen uneingeschränkten Zutritt zu serbischem Staatsgebiet ermöglicht hätte und die Souveränität des Landes
missachtete.
Im folgenden Luftkrieg der Nato unter US-amerikanischer Führung gingen das amerikanische und europäische
Militär de facto ein Bündnis mit der UCK ein. Nach dem Krieg wurde das Kosovo zu einer Art Protektorat des
Westens unter UCK-Verwaltung gemacht.
Die UCK war nie eine Befreiungsarmee im eigentlichen Sinne des Wortes. Seit langem unterhält sie
Verbindungen nicht nur zu amerikanischen und europäischen Geheimdiensten, sondern auch zur Drogenmafia
und zu anderen kriminellen Vereinigungen. Kaum war sie im Kosovo an der Macht, errichtete die UCK eine
Terrorherrschaft, zwang die nicht-albanische Bevölkerung (Serben und Roma) zur Flucht und wandte gewaltsame
Unterdrückungsmaßnahmen gegen ihre albanischen politischen Gegner an.
Die UCK war schließlich unter den Kosovo-Albanern derart unbeliebt geworden, dass sie die Wahlen im
vergangenen November haushoch verlor. Doch dies bedeutete nicht das Ende ihrer Aktivitäten. Unter dem
Pseudonym "Befreiungsarmee für Presevo, Medvedja, Bujanovac" unternahm sie Vorstöße in das südliche
Serbien, wo ebenfalls eine große albanische Bevölkerungsgruppe lebt. Dabei konnte sie sich auf die
stillschweigende Unterstützung der USA verlassen, deren Soldaten an der Grenze patrouillieren.
Die erfolgreiche Absetzung des serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic im vergangenen Oktober und die
Einsetzung der prowestlichen Regierung unter Präsident Vojislav Kostunica führte zu einer Veränderung der
offiziellen Nato-Politik gegenüber den albanischen Separatisten.
Nachdem die UCK im Januar und Februar dieses Jahres begonnen hatte, ihre Operationen in das benachbarte
Mazedonien auszudehnen, wurden ihre kriminellen Machenschaften besonders von Europa zunehmend als
Bedrohung für die Stabilität des Balkan empfunden. Während der fünfmonatigen Kämpfe in Mazedonien sind
60.000 Albaner zu Flüchtlingen geworden. Viele von ihnen haben sich in den Kosovo begeben. Bis zu 35.000
mazedonische Slawen sahen sich ebenfalls gezwungen ihre Heimat zu verlassen und leben nun größtenteils in
Flüchtlingslagern in Skopje.
Europäische Politiker haben dieselben UCK-Kämpfer, die sie einst - um die Meinung der Weltöffentlichkeit
zugunsten eines Krieges gegen Serbien zu manipulieren - als Freiheitshelden darstellten, in jüngster Zeit als
Terroristen bezeichnet. Nato-Generalsekretär George Robertson sprach sogar von "Mordbrennern" und sagte,
über Frieden könne man nur mit den "demokratischen" Vertretern der Albaner verhandeln.
Als sich der amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Außenminister Colin Powell im Mai mit
dem mazedonischen Premierminister Georgiewski in Washington trafen, sicherte ihnen Powell die
"uneingeschränkte Unterstützung der USA für die territoriale Integrität Mazedoniens" zu.
Doch als das Überleben der mazedonischen UCK bedroht war, beeilten sich die USA sie zu retten. Mit der UCK
und ihren Ablegern haben die USA ein Mittel in der Hand, den Druck auf Serbien aufrechtzuerhalten und die
dortige Kostunica-Regierung zu steuern. Auch betrachtet Washington seine Stellvertretertruppe in Albanien als
Instrument zur Aufrechterhaltung seiner dominanten Rolle auf dem Balkan und zur Zurückdrängung seiner
europäischen Rivalen.
Die Europäische Union hat gute Mine zum bösen Spiel gemacht, indem sie die Rolle ihres
Sicherheitsbeauftragten Solana hervorhob, der den Abzug der UCK aus Aracinovo ausgehandelt hat. Doch dies
kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die europäischen Mächte von den USA eindeutig ausmanövriert
wurden. Die Zeitung Die Welt schimpfte denn auch unverhohlen, womöglich sei es "gerade sein [Solanas] letzter
Schachzug, der nun Mazedoniens Absturz in Anarchie und Bürgerkrieg beschleunigt".
Auch Teile des politischen Establishments in Mazedonien halten das Techtelmechtel des Westens mit der UCK
und ihrem mazedonischen Ableger für ein gefährliches Abenteuer. Das Time -Magazin stellte fest: "Mit der
Erhebung der UCK in den Status eines legitimen Protagonisten für Albaniens Zukunft haben die Nato und die
Europäische Union möglicherweise die ethnische Aufteilung Mazedoniens bereits besiegelt."
Wieder wenden die konkurrierenden imperialistischen Mächte militärische Gewalt und politische Intrigen an, um
ihre räuberischen Interessen durchzusetzen. Wieder droht dies zu einem Flächenbrand auf dem Balkan zu
führen.
Aus: ngo-online.de, 2. Juli 2001
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