NATO-Einsatz in Makedonien widerspricht der Vernunft und grünen Beschlüssen
Hans-Christian Ströbele begründet seine abweichende Haltung in der Fraktion
Unter der Überschrift "EIN NATO-EINSATZ WIDERSPRICHT DER VERNUNFT UND GRÜNEN BESCHLÜSSEN" veröffentlichte die taz am 25. August 2001 einen Gastkommentar des grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, den wir im Folgenden dokumentieren:
Nur mit UN-Mandat nach Mazedonien
Gegen eine Zustimmung zur Beteiligung der Bundeswehr am
Nato-Einsatz in Mazedonien steht die Beschlusslage der
Bündnisgrünen. Es soll ein internationaler Einsatz der
Bundeswehr zur Erhaltung des Friedens sein. Es geht also um
"peace keeping", unabhängig davon, dass das, was aus
Mazedonien berichtet wird, kaum als Frieden zu bezeichnen ist.
Ein Jahr nach Ende des Kosovokrieges hatte der grüne Parteitag
am 24. Juni 2000 in Münster in einem Beschluss festgestellt,
Aufgabe der Bundeswehr sei, "sich an internationalen Einsätzen
zur Erhaltung und Wiederherstellung des Friedens, die mit einem
Mandat der Vereinten Nationen durchgeführt werden, zu
beteiligen". Also auch Friedenserhaltung nur mit UN-Mandat. In
dem Beschluss von Münster heißt es, die Grünen sähen es als
notwendige Voraussetzung an, dass "der Einsatz mit einem
Mandat der Vereinten Nationen erfolgt". Diese Voraussetzung ist
für den geplanten Einsatz in Mazedonien nicht gegeben.
Die Erklärung des Vorsitzenden des UN-Sicherheitsrats vom 13.
August dieses Jahres enthält kein UNO-Mandat. Diese
Erklärung befasst sich mit dem Rahmenabkommen über die
bessere Respektierung der ethnischen Identität und Interessen
aller mazedonischen Bürger. Der Vorsitzende teilte mit: der
Sicherheitsrat begrüße das Rahmenabkommen zwischen
Regierung und den Führern der vier politischen Parteien sowie
die Bemühungen von EU, OSZE und Nato zur Unterstützung des
Abkommens. Eine solche Erklärung kann ein Mandat nicht
ersetzen.
Die Passage des Parteitagsbeschlusses, die internationale
Einsätze der Bundeswehr an ein UN-Mandat bindet, war nicht
umstritten. Weder der Grünen-Bundesvorstand noch der
Parteirat können Beschlüsse des Parteitages ändern. Im Übrigen
wurde der Parteitagsbeschluss im Juli auch in den aktuellen
Entwurf für ein Grundsatzprogramm der Grünen wörtlich
übernommen.
Der Einsatzplan der Nato ist also nicht nur unrealistisch, unehrlich
und nicht zu Ende gedacht, es fehlt auch das UNO-Mandat.
Hinzu kommt: Die Nato ist absolut ungeeignet, die UÇK zu
entwaffnen und einen Waffenstillstand zu garantieren. Denn sie
wird von großen Teilen der mazedonischen Bevölkerung nicht als
neutral und als ehrlicher Makler angesehen. Zu Recht. Die USA
und ihre Nato-Partner waren es, die einst die UÇK aufgebaut,
ausgebildet und finanziert hatten. Im Kosovokrieg war die UÇK
Verbündete, die Bodentruppe der Nato - und nach dem Krieg
hat die Nato die UÇK nicht entwaffnet. Die UÇK verfügt heute
über mehr Waffen als je zuvor. Die Nato lässt zu, dass die UÇK
Waffen und Kämpfer vom Kosovo nach Mazedonien schleust.
Bis heute.
Vor einigen Wochen noch brachten US-Soldaten der Nato
hunderte UÇK-Kämpfer - unter ihnen 17 US-Militärberater -
aus einer Umzingelung in Aracinovo mit all ihrem Kriegsgerät in
Sicherheit. Kein Wunder, dass die Nato in Mazedonien als Teil
des Problems gesehen wird.
Es steht zu befürchten, dass die UÇK mit den nicht abgelieferten
Waffen im Schatten von Nato und Bundeswehr in Mazedonien
weiter Menschen vertreibt, und zwar die nicht albanischstämmige
Bevölkerung aus den Gebieten, die überwiegend von Albanern
bewohnt werden. Ganz wie im Kosovo.
Die UÇK will die Nato in Mazedonien haben. Andere Truppen
akzeptiert sie nicht. Wieder - wie schon im Kosovokrieg -
bestimmt die UÇK Nato-Politik.
Nur eine als neutral anerkannte Truppe mit eindeutiger
Legitimation durch die Völkergemeinschaft kann wirksam
Frieden bewahren. Deshalb hatte ja der grüne Parteitag
beschlossen, für jeden internationalen Einsatz der Bundeswehr
sei ein Mandat der UN erforderlich.
Wenn die UÇK es ernst meint mit der Abgabe der Waffen und
die Nato mit der Entwaffnung der UÇK, sollen sie im Kosovo
gleich anfangen, wo die Nato ohnehin schon ist. Gleichzeitig ist
der UN-Sicherheitsrat mit konkreten Vorschlägen für ein
Mandat zur Wiederherstellung und Erhaltung des Friedens in
Mazedonien zu befassen.
Es mag sein, dass der geplante Nato-Einsatz diesmal nicht
Völkerrecht verletzt, weil die Konfliktparteien zugestimmt haben;
aber er verstößt gegen die politische Vernunft - und die
bündnisgrünen Beschlusslage.
Aus: taz vom 25. August 2001
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