Mazedonien: "Nato-Truppen wären Bock, nicht Gärtner"
Von Martin Arnold, Pfarrer (Essen)
Am 4. August 2001 erschien in der Frankfurter Rundschau ein Leserbrief des friedenspolitisch engagierten Pfarrers Martin Arnold aus Essen. Er bezog sich auf einen Artikel in der FR, der eine Woche zuvor erschienen und in dem abgestritten worden war, dass die NATO oder die USA im Makedonienkonflikt für die Albaner Partei ergreifen würden.
Wir dokumentieren den Leserbrief, weil er sehr gut die Kritik aus der Friedensbewegung gegen ein Eingreifen von NATO und Bundeswehr im Makedonienkonflikt zusammenfasst:
Zu Albaner kündigen Teilrückzug an (FR vom 26. Juli 2001):
Der Artikel stellt die
Parteilichkeit der Nato als Propagandalüge von Mazedoniern dar. Die
Nichtakzeptanz der Nato als Konflikthelfer durch die Mazedonier, Regierung wie
Bevölkerung, genügt für die Notwendigkeit, nach anderen Helfern zu suchen. Die
Nato ist allein daher als Konflikthelfer in Mazedonien ungeeignet.
Doch beruht diese Nichtakzeptanz wirklich auf einseitigen Informationen? US- und
BRD-Truppen, die an der Grenze zu Mazedonien im Kosovo zuständig sind, haben
noch vor wenigen Monten zugelassen, dass von dort aus bewaffnete UCK-Albaner
nach Mazedonien eindrangen, auch noch, nachdem diese dort bereits Überfälle
durchgeführt hatten, und auch noch, nachdem die mazedonische Regierung der
Nato genaue Angaben über deren Schleichwege gegeben hatte (Monitor, 5. 7.
2001). Die Nato setze zur Empörung vieler Mazedonier durch, dass 400
UCK-Kämpfer, nachdem sie niedergekämpft waren, aus Aracinovo mit Waffen
abziehen durften. Es ist nicht nur für die Nato peinlich, dass 17 US-Ausbilder bei
dieser UCK-Truppe entdeckt wurden.
Der Norddeutsche Rundfunk weiß von Berichten, nach denen bei der militärischen
Ausbildung in Albanien britische und amerikanische Spezialisten den Ton angeben
sollen. Noch vor zwei Jahren hat sich die Nato als Luftwaffe der UCK betätigt,
nachdem Jahre vorher bereits US- und BRD-Geheimdienste die UCK in Albanien
ausgebildet hatten. Nato und Kfor hatten nach dem Krieg erklärt, sie wollten die
UCK im Kosovo entwaffnen. Doch zugleich führten sie die angefangene
Entwaffnung nicht wirksam fort.
Nach Einschätzung deutscher Polizei-Insider ging die politisch-militärische Spitze
des UN-Protektorats zu nachsichtig mit der UCK um und setzte das
polizeilich-militärische Instrumentarium nicht konsequent ein. Vor fündzehn
Monaten erklärte John Bolton, heute Staatssekretär im US-Außenministerium, bei
einer Konferenz in Bratislava, dass die USA die völkerrechtliche Anerkennung des
Kosovo anstreben (Brief des Vizepräsidenten der Parlamentarischen Versammlung
der OSZE, Willy Wimmer MdB, an den Bundeskanzler vom 2. 5. 2000). Es gibt
wohl kaum eine wirksamere Ermutigung für die UCK, den Konflikt zu schüren und
weiter zu provozieren und vor Erreichen dieses Ziels Waffenstillständen höchstens
als taktischen Mitteln zuzustimmen.
Es kommt hinzu, dass für den geplanten Nato-Einsatz Griechenland eines der
größten Truppen-Kontingente angemeldet hat, ein Staat, der Mazedonien nie
anerkannt hat und von der Landkarte verschwinden lassen möchte.
Allein das Auftauchen griechischer Soldaten wäre eine Provokation für Mazedonier.
Nato-Truppen wären Bock, nicht Gärtner in Mazedonien.
Für eine Konfliktlösung müssen zuerst die USA ihre Politik ändern. Sie müssen
klar sagen, dass sie sich vom Ziel der Anerkennung eines Staates Kosovo
distanzieren und die bestehenden Grenzen als endgültig ansehen, und vor allem
danach handeln, zum Beispiel die UCK im Kosovo wirklich entwaffnen.
So lange das nicht geschieht, ändern auch die jüngsten kosmetischen
Einschränkungen gegen UCK-Kämpfer und -Aktivitäten aus den letzten Wochen
nichts. Eine solche Änderung der US-Politik ist jedoch nicht in Sicht. Die Vereinten
Nationen müssen wieder federführend in die Konfliktbearbeitung eingesetzt werden.
Martin Arnold, Pfarrer
Essen
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