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Mazedonien: Bundeswehr bleibt mindestens drei weitere Monate in Mazedonien

Die Regierung hat ihre Mehrheit wieder

Am 27. September 2001, also kurz vor Ablauf der Monatsfrist, beschloss der Deutsche Bundestag mit überwältigender Mehrheit die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Makedonien um mindestens drei Monate. Im Unterschied zur Entscheidung von vor einem Monat verlief die Debatte leidenschaftslos und die Öffentlichkeit - die Friedensbewegung eingeschlossen - nahm kaum Notiz davon. Zu sehr beherrscht das Terrorismus-Problem (wozu leider kaum jemand die UCK zählt) nach wie vor die Diskussionen. Und zu stark ist vor allem die Friedensbewegung in Anspruch genommen von ihren Aktivitäten gegen die drohenden Kriegshandlungen der USA gegen Afghanistan und andere "Schurkenstaaten".

Das neue Mandat für die Bundeswehr beschloss der Bundestag auf Antrag der Bundesregierung mit 528 gegen 40 Stimmen. An der neuen Mission sollen bis zu 600 deutsche Soldaten teilnehmen. Das erklärte der außen- und sicherheitspolitische Berater des Bundeskanzlers, Michael Steiner, nach dem Beschluss. Mit diesem Schritt wolle man nach dem Ende der bisherigen Mission ein "Sicherheitsvakuum" in Mazedonien vermeiden, so Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye. Die neue Mission heißt "Amber Fox". Nach meinem Lexikon handelt es sich also um einen "bernsteingelben Fuchs", der sich weiterhin auf dem Balkan herumtreiben soll. Die Mission hat den Auftrag, die 284 zivilen Beobachter der Europäischen Union und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vor möglichen Übergriffen zu schützen.

Nachdem sich die NATO und die mazedonische Regierung in Skopje über die Ausgestaltung der Mission geeinigt hatten, gab der NATO-Rat den Einsatzbefehl. Danach sollen 700 Soldaten in dem Land stationiert werden, die auf eine Reserve von 300 Soldaten der Kosovo-Friedenstruppe KFOR zurückgreifen könnten, sagte NATO-Sprecher Mark Laity in Skopje. Das Mandat sei zunächst auf drei Monate beschränkt, es gebe aber eine Option, dies zu verlängern. Die Truppe soll die NATO-Soldaten ablösen, die zur Entwaffnung albanischer Rebellen in dem Land stationiert waren. Der UN-Sicherheitsrat hatte die Mission am Vortag gebilligt.

Gerade der letzte Punkt hat wohl dazu geführt, dass von der stattlichen Zahl von "Abweichlern" (Ende August stimmten noch 24 Abgeordnete der Koalitionsfraktionen dagegen) diesmal nur noch eine Handvoll übrig blieb, zwei aus der SPD und fünf Enthaltungen bei den Grünen. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, der sich enthalten will, sieht bei der neuen Entscheidung "sehr deutliche Fortschritte" gegenüber der vorangegangenen Bundestagsabstimmung. Ströbele sagte, diesmal liege ein UNO-Mandat sowie ein Beschluss des UN-Sicherheitsrates vor. Zudem habe der Einsatz eher den Charakter einer Polizei- als einer Militäraktion. Warum aber, so fragt man sich, schickt man dann keine Polizei hin? Lediglich die PDS hielt sich wacker an ihre Grundsätze - die auch die Grundsätze der Friedensbewegung sind - und stimmte mit NEIN. (Die Begründung weiter unten.)

Das vorerst auf drei Monate befristete neue Bundeswehrmandat für Mazedonien wird nicht automatisch am 27. Dezember auslaufen, so Außenminister Joschka Fischer. Sollte sich ein Verbleib von NATO-Truppen auch nach den bisher geplanten drei Monaten als nötig erweisen, werde die Bundesregierung "rechtzeitig" vor der Weihnachtspause das Parlament um Zustimmung ersuchen. Fischer erinnerte daran, dass es in Mazedonien nicht nur zu Verfassungsänderungen komme, sondern diese auch umgesetzt würden. Unter anderem gehe es dabei um ethnisch gemischte Polizeikräfte, die bis Mitte 2002 aufgestellt sein sollen. Dieser Prozess soll von internationalen Beobachtern begleitet werden. Gegenwärtig befinden sich rund 200 Beobachter in Mazedonien. Der Außenminister betonte zugleich, es gehe nicht nur um eine militärische Begleitung des Friedensprozesses, sondern um politische und wirtschaftliche Perspektiven für das Balkanland.


Der außenpolitische Sprecher der PDS-Fraktion, Wolfgang Gehrcke, erklärte zur heutigen Abstimmung über eine neues Mandat für den Bundeswehrauslandseinsatz in Mazedonien:
Die PDS-Bundestagsfraktion wird gegen den Antrag der Bundesregierung zu einem neuen Mandat für einen Auslandseinsatz der Bundeswehr in Mazedonien stimmen.
»Amber Fox" soll als NATO-Operation der Sicherung der internationalen Beobachtermission (OSZE und EU) in Mazedonien zur Einhaltung des Abkommens zwischen Albanern und Slawo-Mazedoniern dienen. Diese Sicherung von Beobachtermissionen ist jedoch eine klassische peace-keeping-Aufgabe der Vereinten Nationen. Das würde einen UN-geführten Einsatz (Blauhelme) erfordern und eben nicht einen NATO-Einsatz mit bloßem Mandat. Zudem wurde damit die Chance erneut vertan, auch Nicht-NATO-Staaten in eine solche Mission einzubinden.

Die Schwierigkeiten der Regierung bei der Vorbereitung der heutigen Entscheidung zeigen auch, dass die mazedonische Regierung ganz offenbar nur unter massivem Druck der NATO bereit gewesen ist, dem Vorhaben als NATO-Operation zuzustimmen. Sie sprach die formal erforderliche Einladung aus, nachdem sie zunächst eine UNO-Mission zur Grenzsicherung favorisiert, im zweiten Schritt dann eine gemischte UNO/NATO-Mission befürwortet hatte und schließlich dem NATO-Drängen nachgeben musste.

Es drängt sich auch die Frage auf, warum denn überhaupt nach der so gefeierten Entwaffnungsaktion die Beobachter von EU und OSZE mit einem relativ großen und "robusten" Soldatenaufgebot beschützt werden müssen.

Die heutige Entscheidung zu Mazedonien muss zudem in Zeit und Raum, also in Verbindung mit den Folgen des 11. September betrachtet werden. In einer Zeit, in der so viel in militärischen Kategorien gedacht und gesprochen wird, will die PDS erneut ein Zeichen für zivile Konfliktlösungen setzen.


Quellen: Tagesschau vom 27.09.2001; www.ngo-online.de; Website der PDS-BT-Fraktion (www2.pds-online.de/bt/)

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