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Putschversuch lässt Madagassen kalt

Dilettantisches Unternehmen platzte in den Wahlkampf für Votum über neuen Staatschef

Von Martin Ling, Antananarivo *

Der Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen am 3. Dezember in Madagaskar geht in die zweite Woche. Der Putschversuch des Generals Fidy, dessen Kandidatur vor Monaten abgelehnt wurde, bestimmte am Wochenende und am Montag die Schlagzeilen und die politischen Diskussionen. Als ernste Gefahr für das Land und die demokratischen Grundstrukturen sieht die Ereignisse indes niemand.

Der Putschversuch in Madagaskar kommt einem Anachronismus aus den 60er Jahren gleich.

Damals begrenzten afrikanische Präsidenten allerorten ihre Auslandsreisen auf ein Minimum – aus Angst, bei Abwesenheit entmachtet zu werden. Madagaskars Präsident Marc Ravalomanana weilte letzte Woche guten Mutes bei den entwicklungspolitischen Tagen in Brüssel, schließlich gilt der Madagasse als ein Vorzeigepolitiker Afrikas, der sich der »Guten Regierungsführung« befleißigt und ein Hätschelkind der internationalen Geber ist. Des Beifalls in Brüssel konnte er sicher sein, und auch für die Präsidentschaftswahlen gilt er als klarer Favorit.

Mit einem Putschversuch rechnete hier keiner, und auch, als am Sonnabend erste Gerüchte ihre Runde machten, zeigte sich niemand sonderlich beunruhigt, zumal es hieß, der Versuch sei dilettantisch erfolgt und gescheitert.

Auch wenn die Lage am Montag nicht so richtig klar war – von einer Machtübernahme der Militärs kann keine Rede sein. In der Hauptstadt Antananarivo (Tana) sind keine Militärpatrouillen zu sehen, und alles geht seinen normalen Gang. Zwar musste Präsident Ravalomanana bei seiner Rückkehr am Sonnabend auf den Flughafen in Mahajanga ausweichen, das war's dann aus seiner Sicht aber auch. Die Regierung kondolierte der Familie des beim Putschversuch ermordeten Soldaten, betreibt aber ansonsten Business as usual.

Auch die für Sonntag vorgesehene Wahlkampfveranstaltung in Tana fand ohne Einschränkung vor Tausenden Anhängern statt, und selbst der Präsident tauchte auf und sprach. Einige Leute würden versuchen, Unfrieden in der Bevölkerung zu säen, ging er eingangs kurz auf den Putschversuch ein, doch damit würden sie nicht durchkommen. Im Übrigen zeigte sich Ravalomanana in seiner Hochburg, wo der Großunternehmer einst als Bürgermeister seine politische Karriere begonnen hatte, siegessicher.

Von Putschgeneral Fidy fehlt derweil jede Spur. Sitzt er noch in der Luftwaffenbasis Ivato, wo der Umsturzversuch Sonnabendfrüh stattfand oder gar zu Hause? Darüber wird spekuliert. Klar ist hingegen, dass er im Militär kaum Unterstützung gefunden hat. Von Mitbewerbern um das Präsidentenamt wurde die Aktion von Fidy einerseits zwar klar verurteilt, andererseits wird teilweise ein Dialog gefordert und der Putschversuch als Warnung verstanden. Die Regierung hält sich mit offiziellen Statements unterdessen zurück.

* Aus: Neues Deutschland, 21. November 2006


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