Luftangriffe auf Libyen
Nach Enthauptung von 21 Kopten: Ägyptische Kampfjets zerstörenStellungen und Depots des "Islamischen Staates"
Von Karin Leukefeld *
Nach der Ermordung von 21 ägyptischen Kopten in Libyen haben ägyptische Kampfjets am Montag morgen Stellungen des »Islamischen Staats« (IS) in Libyen zerstört. Die Gruppe hatte am Sonntag abend per Internet ein Video verbreitet, in dem die Enthauptung der 21 ägyptischen Gastarbeiter gezeigt wird. Titel des Videos war »Eine mit Blut unterzeichnete Botschaft an die Nation mit dem Kreuz«. In Ägypten leben etwa zehn Millionen koptische Christen; sie gelten als die ursprüngliche Bevölkerung des Landes am Nil.
Die ägyptische Armeeführung erklärte, die Kampfjets hätten »Lager, Sammelpunkte, Ausbildungscamps und Waffendepots angegriffen«. Präsident Abdel Fattah Al-Sisi sagte im Fernsehen, Ägypten habe das Recht, »in angemessener Weise und Zeit« zu reagieren. Er rief eine siebentägige Staatstrauer aus.
Acht Angriffe sollen Anlagen in der Hafenstadt Derna zerstört haben. Nach eigenen Angaben flog auch die libysche Luftwaffe Angriffe auf Sirte und Bin Jawad. Die libyschen Streitkräfte unterstehen dem Kommando der libyschen Regierung, die ihren Sitz in Topruk (Ostlibyen) hat und von westlichen Staaten und Ägypten unterstützt wird.
Kritik an den Luftangriffen kam von der anderen, von Islamisten geführten Regierung in Tripolis. Die Angriffe seien »eine Attacke auf die Souveränität Libyens«, zitierte die Nachrichtenagentur dpa aus einer Erklärung, in der auch die per Video veröffentlichten Morde verurteilt werden. Allerdings sei nicht klar, ob das im Video Gezeigte tatsächlich in Libyen stattgefunden habe. Ende 2014 waren die Widersacher beider Regierungen in Genf zu Friedensgesprächen zusammengekommen, die in Libyen fortgesetzt werden sollten.
Vier Jahre nach dem gewaltsamen Sturz der Regierung von Muammar Al-Ghaddafi (September 2011), gibt es, neben den »Regierungen« in Tripolis und Tobruk, verschiedene Machtzentren im Land, die um die reichen Ölvorkommen konkurrieren: So sind die Hafenstädte Sirte, Misrata und Benghasi fest in der Hand islamistischer Söldner und Kampfverbände, die 2011 vom Westen und den Golfstaaten auf- und ausgerüstet worden waren. Die Hafenstadt Derna soll hauptsächlich Basis von Kämpfern sein, die dem IS Gefolgschaft geschworen haben.
In dem am Sonntag verbreiteten Video wurde gezeigt, wie 21 hochgewachsene, schwarz gekleidete und vermummte Personen 21 Männer in orangefarbenen Overalls am Strand des Mittelmeeres aufstellen, sie vor sich niederknien lassen und dann enthaupten. Die Männer würden getötet, weil sie zum »Volk mit dem Kreuz (gehören), sie folgen der feindlichen ägyptischen Kirche«, hieß es in der Videobotschaft. Sie seien »Kreuzritter« und würden »muslimische Frauen entführen«. Die Mörder gaben an, Teil von »Daesh« (IS) zu sein. Es wurde auch Bezug auf die »Brüder auf dem Sinai« genommen – Kampfverbände, die von der ägyptischen Armee seit Monaten bekämpft werden.
Die Al-Azhar-Universität, eine angesehene Religionsschule für den sunnitischen Islam in Kairo, verurteilte die Morde als »barbarisch«. Verurteilt wurde die Tat auch von der UNO, westlichen und anderen Regierungen weltweit. In Syrien wurden die Morde vom Ministerium für Auslandssyrer, einer Unterabteilung des Außenministeriums, scharf verurteilt.
Die Kopten waren bereits im vergangenen Dezember und Januar in der Hafenstadt Sirte verschleppt worden. Angehörige der Verschleppten hatten wiederholt mit öffentlichen Protesten die Regierung in Kairo zum Handeln gedrängt. Allein aus dem Dorf Al-Our am oberen Nil stammten BBC-Berichten zufolge 13 der ermordeten Männer. Die Gegend gehört zu den ärmsten Gebieten Ägyptens. Muslimische und christliche Ägypter verdingen sich trotz der Gefahren als Gastarbeiter auf Baustellen in Libyen, um ihre Familien ernähren zu können.
* Aus: junge Welt, Dienstag, 17. Februar 2015
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