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Keine Lust auf Frieden

Libysche Rebellen und NATO blockieren Waffenstillstand und Vermittlung durch die Afrikanische Union. Auch Bundesregierung auf Kriegskurs

Von Karin Leukefeld *

Libyens Staatschef Muammar Al-Ghaddafi hat dem Vorschlag der Afrikanischen Union (AU) für einen Waffenstillstand zugestimmt. Danach soll es einen sofortigen Waffenstillstand geben, sichere Wege für Hilfslieferungen sollen eingerichtet und der Schutz von Ausländern in Libyen gesichert werden sowie ein Dialog zwischen Regierung und Opposition beginnen. Der Vorsitzende des Friedens- und Sicherheitsrats der AU, Ramtane Lamamra aus Algerien, sagte, auch über einen Truppenrückzug sei diskutiert worden, die Ergebnisse seien aber vertraulich. Die Delegation war unter Führung des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma am Sonntag in Tripolis eingetroffen. Zuma forderte inzwischen die NATO auf, ihre Luftangriffe auf Libyen einzustellen und »der Waffenruhe eine Chance zu geben«. Die arabische Tageszeitung Al-Sharq Al-Awsat meldete am Montag, mehrere internationale Vermittler hätten dem Übergangsrat in Bengasi signalisiert, daß Ghaddafi bereit sei, die Macht für eine Übergangszeit an seinen Sohn Saif Al-Islam zu übergeben. Er selbst wolle dann nur noch eine »symbolische Rolle« spielen. Ziel sei die Umwandlung Libyens in eine demokratische Republik.

Am Montag (11. Apr.) reiste die Delega­tion zu Gesprächen mit Vertretern der oppositionellen Übergangsregierung nach Bengasi weiter. Dort stießen sie jedoch auf Ablehnung. Ahmed Al-Bani, Sprecher der Aufständischen, sagte dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira: »Es gibt nur eine militärische Lösung.« Ghaddafi verstehe nur diese Sprache. Agenturmeldungen zufolge protestierten rund 600 Demonstranten gegen jede Vereinbarung, solange sich Ghaddafi und seine Familie noch in Libyen befinden. Mit diesem sei »keine Demokratie in Libyen« möglich, wird ein Demonstrant zitiert. Ein Kompromiß werde nicht akzeptiert.

Libyen ist Mitglied in der Afrikanischen Union, deren zeitweiliger Vorsitzender Ghaddafi selbst vor zwei Jahren war. Die libysche Regierung hat auch etliche afrikanische Staaten und die Organisation selbst, der 53 Staaten angehören, finanziell unterstützt.

Auch die NATO lehnt einen Waffenstillstand ab. Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte, ein solcher Schritt sei erst nach Erfüllung einer Reihe von Bedingungen möglich. Die Berichte, wonach die libysche Regierung zu einer Waffenruhe bereit sei, nehme er »nicht für bare Münze«, sagte er am Montag in Brüssel.

Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle wiederholte seine Zweifel an der Bereitschaft der libyschen Regierung zu einer Waffenruhe. Solchen Ankündigungen seien bislang niemals Taten gefolgt, sagte er. Nach Ansicht der Bundesregierung ist der Rücktritt Ghaddafis eine Grundvoraussetzung für eine Lösung des Konflikts. Libyen steht auch auf der Tagesordnung eines EU-Außenministertreffens am Dienstag in Luxemburg. Westerwelle wird außerdem am Mittwoch an der ersten Sitzung der neuen »Libyen-Kontaktgruppe« im Golf-Staat Katar teilnehmen. Dort soll über einen dauerhaften Waffenstillstand und über einen politischen Übergangsprozeß nach einem Rücktritt Ghaddafis gesprochen werden. Libyen ist nicht vertreten. Schließlich haben Westerwelle und NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen für Donnerstag und Freitag zu einem NATO-Außenministertreffen nach Berlin eingeladen. Es ist das erste NATO-Treffen auf dieser Ebene seit 1996. Damals einigte man sich auf das NATO-Protektorat über Bosnien.

* Aus: junge Welt, 12. April 2011


AU-Mission verhandelt in Libyen

Gaddafi akzeptiert Friedensplan, NATO-Rasmussen traut ihm nicht **

Die Afrikanische Union hat am Montag (11. April) in der libyschen Hafenstadt Bengasi mit den Rebellen über einen von Muammar al-Gaddafi angeblich akzeptierten Friedensplan verhandelt.

Südafrikas Präsident Jacob Zuma erklärte am Sonntagabend als Leiter der AU-Delegation nach Gesprächen in Tripolis, die libysche Regierung habe den Plan der Afrikanischen Union zur Beilegung des Konflikts akzeptiert. Der Plan sieht eine Waffenruhe, einen Dialog zwischen Regierung und Aufständischen sowie die Erleichterung der humanitären Hilfe vor. Die Übergangsperiode soll von politischen Reformen begleitet sein. Dabei sollen die »Bestrebungen des libyschen Volks nach Demokratie, Gerechtigkeit, Frieden und Sicherheit sowie nach wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung« berücksichtigt werden. Zur Frage eines Rücktritts Gaddafis wollte sich der AU-Friedens- und Sicherheitskommissar Ramtan Lamamra nicht explizit äußern. Es habe dazu aber Gespräche mit Gaddafi gegeben. Laut Zuma fordert die AU ein Ende der NATO-Angriffe, um eine Waffenruhe zu ermöglichen.

Am Montag (11. Apr.) erreichten die AU-Vertreter die Rebellen-Hochburg Bengasi, um auch mit den Aufständischen zu beraten. Die Aufständischen stellten Bedingungen für eine Waffenruhe. »Die Soldaten müssen in ihre Kasernen zurückkehren«, sagte ein Sprecher des Nationalen Übergangsrats. Er forderte zudem Meinungsfreiheit und die Freilassung mehrerer hundert Menschen, die in der Hand der Truppen Gaddafis sein sollen. Bezüglich Gaddafis Position zeigten sich die Rebellen skeptisch. »Die Welt hat diese Angebote zum Waffenstillstand bereits gehört und 15 Minuten später hat Gaddafi erneut geschossen«, sagte ein Sprecher. Die Rebellen verhandeln mit verschiedenen Vertretern der Regierung über einen Übergang zur Demokratie, allerdings nur unter der Bedingung, dass Gaddafi und seine Kinder das Land verlassen. Die Aufständischen erklärten unterdessen, die umkämpfte Stadt Adschdabija wieder zu kontrollieren.

Ein Waffenstillstand in Libyen ist nach Ansicht von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen nur bei Erfüllung einer Reihe von Bedingungen möglich. »Ich nehme diese Versprechungen nicht für bare Münze«, sagte Rasmussen am Montag in Brüssel. Gaddafi habe schon mehrere solcher Ankündigungen nicht eingehalten. Die NATO wolle bei der Absicherung von humanitärer Hilfe in Libyen »keine führende Rolle spielen«, sagte Rasmussen. Die EU-Außenminister wollen am Dienstag über die Planung für einen solchen Militäreinsatz reden. Daran will sich auch Deutschland beteiligen. Grünen-Chefin Claudia Roth und Fraktionschef Jürgen Trittin hatten am Montag die Zustimmung ihrer Partei bekräftigt.

** Aus: Neues Deutschland, 12. April 2011


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