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"Wir sind eingeschritten, um ein Massaker zu verhindern"

Im Wortlaut (deutsch): Die Rede des US-Präsidenten zur Rechtfertigung des Krieges gegen Libyen


Im Folgenden dokumentieren wir die Rede von US-Präsident Barack Obama an der National Defense University vom 28. März 2011. Die Übersetzung besorgte der Amerika Dienst. Das englische Original können Sie hier lesen: "We have intervened to stop a massacre".

Präsident Obama zur Lage in Libyen:

Ich möchte den Amerikanern heute den aktuellen Stand der internationalen Bestrebungen in Libyen mitteilen – was wir getan haben, was wir planen und warum es für uns wichtig ist.

Zunächst möchte ich den Soldatinnen und Soldaten danken, die wieder einmal Mut, Professionalität und Patriotismus bewiesen haben. Sie sind mit unglaublicher Geschwindigkeit und Stärke eingeschritten. Dank ihnen und unseren engagierten Diplomaten wurde eine Koalition geschmiedet und unzählige Leben wurden gerettet.

In der Zwischenzeit unterstützen unsere Soldaten auch unseren Verbündeten Japan, übergeben Irak an die eigenen Bürger, durchbrechen die Dynamik der Taliban in Afghanistan und verfolgen die Al Kaida auf der ganzen Welt. Als Oberbefehlshaber bin ich unseren Soldaten, Matrosen, Fliegern, Marineinfanteristen, dem Küstenwache und ihren Familien dankbar. Ich weiß, dass alle Amerikaner dieses Gefühl teilen.

Die Vereinigten Staaten von Amerika übernehmen seit Generationen eine einzigartige Rolle als Anker der globalen Sicherheit und als Verfechter der Freiheit der Menschen. Da wir um die Risiken und Kosten einer Militäraktion wissen, stehen wir dem Einsatz von Gewalt zur Bewältigung der vielen Probleme auf der Welt natürlich zurückhaltend gegenüber. Aber wenn unsere Interessen und Werte auf dem Spiel stehen, stehen wir in der Verantwortung zu handeln. So war es in den letzten sechs Wochen in Libyen.

Libyen befindet sich unmittelbar zwischen Tunesien und Ägypten – zwei Nationen, deren Bürger mit der Übernahme der Kontrolle über das eigene Schicksal die Welt inspirierten. Seit mehr als vierzig Jahren werden die Bürger Libyens nun von einem Tyrannen regiert – Muammar Gaddafi. Er verweigerte seinen Bürgern die Freiheit, nahm ihnen ihr Vermögen, ermordete seine Gegner im In- und Ausland und terrorisierte unschuldige Menschen auf der ganzen Welt – unter anderem Amerikaner, die von libyschen Agenten ermordet wurden.

Vorigen Monat schien Gaddafis Regime der Angst dem Versprechen der Freiheit zu weichen. In Städten im ganzen Land gingen Libyer auf die Straße und forderten grundlegende Menschenrechte ein. Ein Libyer sagte: „Zum ersten Mal haben wir die Hoffnung, dass unser 40 Jahre währender Alptraum bald vorbei sein wird.“

Im Angesicht der Opposition begann Gaddafi, sein eigenes Volk anzugreifen. Als Präsident war mein unmittelbares Anliegen die Sicherheit unserer Bürger, deshalb haben wir die Botschaft und alle Amerikaner, die sich mit der Bitte um Hilfe an uns wandten, evakuiert. Als Reaktion auf die Angriffe Gaddafis haben wir dann innerhalb von Tagen zügig eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet. Wir haben Vermögenswerte Gaddafis in Höhe von mehr als 33 Milliarden Dollar eingefroren. Gemeinsam mit anderen Ländern des UN-Sicherheitsrats haben wir unsere Sanktionen erweitert, ein Waffenembargo durchgesetzt und die Möglichkeit geschaffen, Gaddafi und seine Anhänger zur Rechenschaft zu ziehen. Ich habe deutlich gemacht, dass Gaddafi das Vertrauen seines Volkes und die Berechtigung zu regieren verloren hat, und ich habe gesagt, dass er abtreten muss.

Trotz der weltweiten Verurteilung entschied Gaddafi sich, einen militärischen Feldzug gegen die Libyer zu führen und damit eine Eskalation der Situation zu bewirken. Unschuldige Menschen wurden gezielt getötet. Krankenhäuser und Krankenwagen wurden angegriffen. Journalisten wurden verhaftet, sexuell misshandelt und getötet. Die Lebensmittel- und Treibstoffversorgung wurde unterbrochen. Die Versorgung Hunderttausender Menschen in Misurata mit Wasser wurde gestört. Städte wurden beschossen, Moscheen zerstört und Wohnhäuser in Schutt und Asche gelegt. Militärflugzeuge und Kampfhubschrauber wurden gegen Menschen eingesetzt, die keine Möglichkeit hatten, sich vor den Luftangriffen zu schützen.

Mit dieser brutalen Unterdrückung und einer sich abzeichnenden humanitären Krise konfrontiert, habe ich entschieden, Kriegsschiffe ins Mittelmeer zu entsenden. Europäische Bündnispartner haben ihre Bereitschaft erklärt, Ressourcen zu Verfügung zu stellen, um dem Töten Einhalt zu gebieten. Die libysche Opposition und die Arabische Liga appellierten an die Welt, in Libyen Leben zu retten. Auf meine Anweisung hin haben die Vereinigten Staaten also mit ihren Verbündeten im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Bestrebungen zur Verabschiedung einer historischen Resolution angeführt, die das Mandat für ein Flugverbot zur Beendigung der Angriffe des Regimes aus der Luft und alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Libyer erteilte.

Vor zehn Tagen, nachdem versucht worden war, die Gewalt ohne Einsatz von Waffen zu beenden, bot die internationale Gemeinschaft Gaddafi eine letzte Chance, seinen Tötungsfeldzug zu beenden, andernfalls müsse er sich den Konsequenzen stellen. Statt sich zurückzuziehen, marschierten seine Kräfte weiter auf die Stadt Bengasi zu, in der fast 700.000 Frauen, Männer und Kinder leben, die sich ein Leben ohne Angst wünschen.

An diesem Punkt standen die Vereinigten Staaten und die Welt vor einer Entscheidung. Gaddafi erklärte, er würde gegenüber seinen eigenen Bürgern keine Gnade walten lassen. Er verglich sie mit Ratten und drohte, von Tür zu Tür zu gehen und sie zu bestrafen. In der Vergangenheit haben wir gesehen, wie er Zivilisten auf der Straße erhängen ließ und über Tausend Menschen an einem einzigen Tag umbrachte. Nun sahen wir die Truppen des Regimes am Rande der Stadt. Wir wussten, wenn wir auch nur einen Tag länger warten, würde in Bengasi, einer Stadt fast so groß wie Charlotte, ein Massaker geschehen, das die ganze Region erschüttert und das Gewissen der Welt belastet hätte.

Es lag nicht in unserem nationalen Interesse, es dazu kommen zu lassen. Ich weigerte mich, es dazu kommen zu lassen. Deshalb habe ich vor neun Tagen nach Rücksprache mit beiden Parteien im Kongress einen militärischen Einsatz genehmigt, um das Töten zu beenden und Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrats durchzusetzen.

Wir griffen die Streitkräfte des Regimes, die auf Bengasi zumarschierten, an, um die Stadt und die Menschen dort zu retten. Wir haben Gaddafis Truppen im nahe gelegenen Adschdabiya angegriffen und es der Opposition ermöglicht, sie zurückzudrängen. Wir haben Gaddafis Luftabwehr angegriffen, was den Weg für eine Flugverbotszone ebnete. Wir haben Panzer und militärische Anlagen angegriffen, die die Städte erdrückten, und wir haben einen Großteil ihres Nachschubs unterbrochen. Heute Abend kann ich berichten, dass wir Gaddafis tödlichen Vormarsch gestoppt haben.

Die Vereinigten Staaten haben dabei nicht allein gehandelt. Eine starke und größer werdende Koalition hat uns unterstützt. Darunter befinden sich unsere engsten Verbündeten – Länder wir Großbritannien, Frankreich, Kanada, Dänemark, Norwegen, Italien, Spanien, Griechenland und die Türkei – die alle seit Jahrzehnten an unserer Seite kämpfen. Darunter sind auch arabische Partner wie Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate, die sich dafür entschieden haben, ihrer Verantwortung zum Schutz der Libyer nachzukommen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: In nur einem Monat haben die Vereinigten Staaten mit ihren internationalen Partnern eine breite Koalition mobilisiert, ein internationales Mandat zum Schutz von Zivilisten erwirkt, eine vorrückende Armee gestoppt, ein Massaker verhindert und mit ihren Verbündeten und Partnern eine Flugverbotszone durchgesetzt. Um die Geschwindigkeit zu begreifen, mit der diese militärische und diplomatische Reaktion zustande kam, muss man sie mit den Neunzigerjahren vergleichen, als Menschen in Bosnien unter Gewalt litten und es mehr als ein Jahr dauerte, bis die internationale Gemeinschaft mit Luftangriffen zum Schutz von Zivilisten eingriff. Wir brauchten 31 Tage.

Zudem haben wir diese Ziele im Einklang mit der Zusage erreicht, die ich den Amerikanern zu Beginn des Militäreinsatzes gegeben habe. Ich habe gesagt, dass die Rolle der Vereinigten Staaten begrenzt sein würde, dass wir keine Bodentruppen nach Libyen schicken würden, dass wir uns auf unsere einzigartigen Fähigkeiten zu Beginn eines Einsatzes konzentrieren und dann die Verantwortung an unsere Verbündeten und Partner übertragen. Heute Abend handeln wir entsprechend dieser Zusage.

Unser effektivstes Bündnis, die NATO, hat das Kommando über die Durchsetzung des Waffenembargos und der Flugverbotszone übernommen. Gestern Abend hat die NATO entschieden, zusätzlich Verantwortung für den Schutz von libyschen Zivilisten zu übernehmen. Diese Übergabe von den Vereinigten Staaten an die NATO wird am Mittwoch stattfinden. Zukünftig wird die Führungsverantwortung für die Durchsetzung der Flugverbotszone und den Schutz der Zivilisten vor Ort auf unsere Verbündeten und Partner übergehen, und ich bin zuversichtlich, dass unsere Koalition den Druck auf die verbleibenden Truppen Gaddafis aufrechterhalten wird.

Bei diesen Bestrebungen übernehmen die Vereinigten Staaten eine unterstützende Rolle – darunter nachrichtendienstliche und logistische Unterstützung, Hilfe bei Such- und Rettungsmaßnahmen sowie bei der Störung von Kommunikationswegen des Regimes. Aufgrund dieses Übergangs zu einer breiteren, NATO-gestützten Koalition werden die Risiken und Kosten dieses Einsatzes für unser Militär und den amerikanischen Steuerzahler maßgeblich reduziert.

Denjenigen, die an unserer Fähigkeit, diesen Einsatz durchzuführen, gezweifelt haben, möchte ich ganz deutlich sagen: Die Vereinigten Staaten von Amerika haben getan, was sie versprochen haben.

Das soll nicht heißen, dass unsere Arbeit abgeschlossen ist. Zusätzlich zu unserer Verantwortung im Rahmen der NATO werden wir mit der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten, um den Menschen in Libyen zu helfen, die Lebensmittel und medizinische Versorgung benötigen. Wir werden die mehr als 33 Milliarden eingefrorenen US-Dollar aus dem Vermögen des Gaddafi-Regimes schützen, so dass sie für den Wiederaufbau Libyens zur Verfügung stehen. Schließlich gehört das Geld weder Gaddafi noch uns - es gehört den Bürgern Libyens. Und wir werden dafür sorgen, dass sie es bekommen.

Außenministerin Clinton reist morgen nach London, wo sie sich mit der libyschen Opposition treffen und mit mehr als 30 Ländern besprechen wird. Bei den Gesprächen wird es darum gehen, wie man politischen Druck auf Gaddafi ausüben und gleichzeitig den Übergang zu einer Zukunft in Libyen unterstützen kann, die die Menschen dort verdienen, denn unser Militäreinsatz beschränkt sich zwar darauf, Leben zu retten, aber wir verfolgen auch das umfassendere Ziel eines Libyens, das keinem Diktator, sondern dem Volk gehört.

Trotz unserer erfolgreichen Bemühungen letzte Woche haben einige Amerikaner, wie ich weiß, noch Fragen zu unserem Einsatz in Libyen. Gaddafi ist noch nicht zurückgetreten, und bis er die Macht abgibt, bleibt Libyen gefährlich. Aber auch wenn Gaddafi abtritt – nach 40 Jahren Gewaltherrschaft ist Libyen gespalten, und es fehlen starke zivile Institutionen. Der Übergang zu einer rechtmäßigen, bürgernahen Regierung in Libyen wird eine schwierige Aufgabe. Die Vereinigten Staaten werden natürlich ihren Beitrag leisten um zu helfen, aber im Grunde ist es eine Aufgabe für die internationale Gemeinschaft und – vor allem – für die Libyer selbst.

Viel von dem, was in der Debatte in Washington über Libyen gesagt wurde, war irreführend. Einerseits stellen einige die Intervention der Vereinigten Staaten in einem weit entfernten Land überhaupt infrage – auch wenn sie eingeschränkt ist. Sie argumentieren, es gäbe viele Orte auf der Welt, wo unschuldige Zivilisten brutaler Gewalt durch ihre Regierung ausgesetzt sind, und man solle von den Vereinigten Staaten nicht erwarten, die Weltpolizei zu spielen, insbesondere da es viele drängende Aufgaben hier zu Hause gibt.

Es stimmt, die Vereinigten Staaten können ihr Militär nicht überall dort einsetzen, wo es Unterdrückung gibt. Und angesichts der Kosten und Risiken einer Intervention müssen wir unsere Interessen und die Notwendigkeit zu handeln immer gegeneinander abwägen. Aber das kann kein Argument dafür sein, sich nie dafür einzusetzen, was richtig ist. In diesem Land und zu diesem Zeitpunkt mussten wir mit Gewalt erschreckenden Ausmaßes rechnen. Wir hatten die einzigartige Chance, dieser Gewalt Einhalt zu gebieten: mit einem internationalen Mandat, einer breiten Koalition, die bereit war, uns zu unterstützen, der Unterstützung der arabischen Länder und einem Hilferuf der Libyer selbst. Außerdem war es möglich, Gaddafis Truppen zurückzudrängen, ohne amerikanische Bodentruppen einzusetzen.

Die Verantwortung der Vereinigten Staaten als Führungsmacht und – noch tiefer gehend – unsere Verantwortung gegenüber anderen Menschen unter derartigen Umständen abzutun, wäre ein Verrat an dem, was wir sind. Einige Nationen mögen wegschauen, wenn in anderen Ländern Gräueltaten verübt werden. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind anders. Als Präsident lehnte ich es ab zu warten, bis die Bilder von Gemetzeln und Massengräbern auftauchen, bevor ich handele.

Zudem haben die Vereinigten Staaten ein großes strategisches Interesse daran zu verhindern, dass Gaddafi seine Gegner überrollt. Ein Massaker hätte Tausende zusätzlicher Flüchtlinge über die Grenzen Libyens getrieben und wäre damit zu einer enormen Belastung für den friedlichen, aber fragilen Umbruch in Ägypten und Tunesien geworden. Die demokratischen Impulse, die sich in der Region abzeichnen, würden von der dunkelsten Form der Diktatur erstickt werden, wenn unterdrückerische Herrscher zu dem Schluss kämen, dass Gewalt die beste Strategie für den Machterhalt ist. Die Resolution des UN-Sicherheitsrats hätte sich als wenig mehr als leere Worte herausgestellt, und die zukünftige Glaubwürdigkeit der Institution bei der Gewährleistung von globalem Frieden und Sicherheit wäre zerstört worden. Ich werde die Kosten eines Militäreinsatzes nie bagatellisieren, aber ich bin überzeugt, dass die Vereinigten Staaten einen sehr viel höheren Preis gezahlt hätten, wenn wir in Libyen nicht gehandelt hätten.

Ebenso wie es Stimmen gegen die Intervention in Libyen gab, gab es andere, die die Erweiterung des Militäreinsatzes über den Schutz der Libyer hinaus forderten und dazu aufriefen, alles zu tun, um Gaddafi zu stürzen und eine neue Regierung zu bilden.

Natürlich würde es Libyen und der Welt besser gehen, wenn Gaddafi entmachtet würde. Gemeinsam mit vielen anderen führenden Politikern auf der Welt habe ich mich diesem Ziel verschrieben und werde es mit nichtmilitärischen Mitteln aktiv verfolgen. Aber die Ausdehnung unseres Militäreinsatzes auf einen Regimewechsel wäre ein Fehler.

Die Aufgabe, die ich unseren Truppen gestellt habe – die Libyer vor unmittelbarer Gefahr zu schützen und eine Flugverbotszone durchzusetzen – wird von einem UN-Mandat und der internationalen Gemeinschaft gestützt. Darum hat uns auch die libysche Opposition gebeten. Wenn wir versuchen würden, Gaddafi mit Gewalt zu stürzen, würde unsere Koalition auseinanderbrechen. Um das zu erreichen, müssten wir höchstwahrscheinlich US-Bodentruppen einsetzen oder das Risiko eingehen, aus der Luft viele Zivilisten zu töten. Die Gefahren für unsere Soldatinnen und Soldaten wären weitaus größer. Das gleiche gilt für die Kosten und unseren Anteil an der Verantwortung für das, was danach geschieht.

Offen gesagt, haben wir im Irak diesen Kurs verfolgt. Dank der außergewöhnlichen Opfer unserer Soldaten und der Entschlossenheit unserer Diplomaten blicken wir hoffnungsvoll in die Zukunft des Iraks. Aber der Regimewechsel dort dauerte acht Jahre, kostete Tausende Amerikaner und Iraker das Leben und uns fast eine Billion Dollar. Das können wir uns in Libyen nicht noch einmal leisten.

Nachdem der Großteil unseres Militäreinsatzes abgeschlossen ist, können und werden wir die Hoffnungen der Libyer unterstützen. Wir sind eingeschritten, um ein Massaker zu verhindern, und wir werden zum Schutz der Zivilbevölkerung mit unseren Verbündeten und Partnern zusammenarbeiten. Wir werden dem Regime die Möglichkeiten verwehren, an Waffen zu gelangen, seine Bargeldversorgung unterbinden, die Opposition stützen und mit anderen Ländern zusammenarbeiten, um rasch den Tag herbeizuführen, an dem Gaddafi zurücktritt. Das mag vielleicht nicht über Nacht geschehen, wenn ein stark geschwächter Gaddafi sich verzweifelt an die Macht klammert. Aber es sollte allen um Gaddafi und allen Libyern klar sein, dass die Geschichte nicht auf Gaddafis Seite steht. Mit der Zeit und dem Spielraum, die wir den Libyern verschafft haben, werden sie in der Lage sein, selbst über ihr Schicksal zu entscheiden, und so sollte es auch sein.

Abschließend möchte ich darauf zu sprechen kommen, was diese Mission für den Einsatz militärischer Macht und darüber hinaus für die Führungsstärke der Vereinigten Staaten während meiner Präsidentschaft bedeutet.

Als Oberbefehlshaber trage ich keine größere Verantwortung als den Schutz dieses Landes. Und keine Entscheidung fällt mir schwerer, als die über den richtigen Zeitpunkt, um unsere Soldatinnen und Soldaten zu entsenden. Ich habe deutlich gesagt, dass ich nie zögern werde, das Militär zügig, entschieden und unilateral einzusetzen, wenn es um die Verteidigung unserer eigenen Bürger, unseres Heimatlandes, unserer Bündnispartner und unserer grundlegenden Interessen geht. Deshalb verfolgen wir die Al Kaida wo auch immer sie versucht, Fuß zu fassen. Deshalb kämpfen wir noch immer in Afghanistan, obwohl wir unsere Kampfhandlungen im Irak eingestellt und mehr als 100.000 Soldaten aus dem Land abgezogen haben.

Es wird jedoch Zeiten geben, in denen nicht unsere Sicherheit, aber unsere Interessen und Werte bedroht werden. Manchmal führt der Verlauf der Geschichte zu Herausforderungen, die unser aller Menschlichkeit und unsere gemeinsame Sicherheit bedrohen – beispielsweise die Reaktion auf Naturkatastrophen, die Verhinderung eines Genozids, der Erhalt des Friedens, die Gewährleistung von regionaler Sicherheit und die Aufrechterhaltung des Handelsflusses. Das sind vielleicht nicht allein Probleme der Vereinigten Staaten, aber sie sind uns wichtig. Es sind Probleme, die es wert sind, gelöst zu werden. Und wir wissen, dass die Vereinigten Staaten als mächtigste Nation der Welt unter diesen Umständen häufig um Hilfe gebeten werden.

In diesen Fällen sollten wir keine Angst davor haben zu handeln, aber die Vereinigten Staaten sollten die Lasten des Handelns nicht alleine tragen. Wie im Falle von Libyen ist es stattdessen unsere Aufgabe, die internationale Gemeinschaft zu gemeinsamem Handeln aufzurufen. Im Gegensatz zu den Behauptungen einiger geht es bei der amerikanischen Führungsrolle nicht einfach nur darum, alleine vorzugehen und alle Lasten selbst zu tragen. Wahre Führung schafft die Bedingungen und Bündnisse, so dass andere ebenfalls hervortreten können, um mit den Verbündeten und Partnern zusammenzuarbeiten, damit auch sie ihren Teil dazu beitragen und ihren Anteil an den Kosten übernehmen können und sehen, dass die Prinzipien der Gerechtigkeit und Menschenwürde von allen verteidigt werden.

Das ist die Art von Führungsrolle, die wir in Libyen gezeigt haben. Natürlich ist für uns das Risiko militärischer Maßnahmen auch als Teil einer Koalition groß. Diese Risiken wurden deutlich, als eines unserer Flugzeuge über Libyen eine Fehlfunktion hatte. Aber als sich einer unserer Flieger durch einen Fallschirmsprung retten musste und in einem Land landete, das die Vereinigten Staaten so häufig dämonisiert hat – und in einer Region, die mit unserem Land durch eine so schwierige Geschichte verbunden ist – traf dieser Amerikaner nicht auf Feinde. Stattdessen traf er auf Menschen, die ihn unterstützten. Ein junger Libyer, der ihm zu Hilfe kam, sagte: „Wir sind deine Freunde. Wir sind jenen, die den Himmel schützen, so dankbar.“

Dies ist nur eine Stimme von vielen in einer Region, in der eine neue Generation nicht akzeptiert, dass ihr weiterhin Rechte und Chancen verwehrt werden.

Dieser Wandel wird die Welt für eine gewisse Zeit komplizierter machen. Der Fortschritt wird ungleichmäßig stattfinden und der Wandel wird sich in verschiedenen Ländern unterschiedlich vollziehen. Es sind Länder wie Ägypten, deren Veränderung uns inspiriert und in uns Hoffnungen weckt. Und dann gibt es da noch Länder wie Iran, in denen der Wandel gewaltsam unterdrückt wird. Die dunklen Kräfte des zivilen Konfliktes und religiös motivierten Krieges müssen abgewehrt und schwierige politische und ökonomische Bedenken müssen angesprochen werden.

Die Vereinigten Staaten werden nicht in der Lage sein, die Geschwindigkeit und das Maß dieser Veränderungen vorzugeben. Das können nur die Menschen in der Region. Aber wir können etwas bewirken.

Ich glaube, dass diese Bewegung des Wandels nicht wieder rückgängig gemacht werden kann und dass wir jenen zur Seite stehen müssen, die an die gleichen grundlegenden Werte glauben, die uns durch so viele stürmische Zeiten geleitet haben: unsere Abneigung gegenüber Gewalt gegen die eigene Bevölkerung, unsere Unterstützung für eine Reihe universeller Rechte, zu denen auch die freie Meinungsäußerung und freie Wahlen zählen und unsere Unterstützung für Regierungen, die letztendlich den Bestrebungen der Bevölkerung aufgeschlossen gegenüberstehen.

So wie wir aus einer Revolution hervorgingen, die von denen geführt wurde, die frei sein wollten, begrüßen wir die Tatsache, dass die Geschichte im Nahen Osten und in Nordafrika in Bewegung geraten ist und dass junge Menschen den Weg weisen. Denn wo auch immer Menschen danach streben, frei zu sein, finden sie in den Vereinigten Staaten einen Freund. Letztendlich ist es dieser Glaube – sind es diese Ideale – die der wahrhaftige Maßstab der amerikanischen Führungsrolle sind.

Meine lieben amerikanischen Mitbürger, ich weiß, dass es in Zeiten der Unruhen im Ausland, wenn die Nachrichten voll von Konflikten und Veränderungen sind, verlockend sein kann, sich von der Welt abzuwenden. Wie bereits zuvor gesagt: Unsere Stärke im Ausland basiert auf unserer Stärke hier in unserem eigenen Land. Das muss immer unsere Leitlinie sein – die Fähigkeit unserer Bevölkerung ihr Potenzial auszuschöpfen, kluge Entscheidungen bezüglich unserer Ressourcen zu treffen, unseren Wohlstand zu mehren, der als Quell unserer Macht dient, und die Werte zu leben, die wir so hoch schätzen.

Aber wir sollten uns auch daran erinnern, dass wir über Generationen schwer gearbeitet haben, um unsere Bevölkerung sowie Millionen von Menschen überall auf der Welt zu schützen. Wir haben dies getan, weil wir wissen, dass unsere eigene Zukunft sicherer und besser ist, wenn mehr Menschen auf der Welt im hellen Licht der Freiheit und Würde leben können.

Lassen Sie uns heute Abend den Amerikanern danken, die in diesen schwierigen Zeiten ihren Dienst tun und der Koalition, die unsere Bemühungen weiter trägt. Lassen Sie uns mit Zuversicht und Hoffnung in die Zukunft blicken – nicht nur für unser eigenes Land, sondern auch für all jene, die sich überall auf der Welt nach Freiheit sehnen.

Danke. Gott segne Sie, und Gott segne die Vereinigten Staaten von Amerika.

Originaltext: Remarks by the President to the Nation on Libya.

Herausgeber: US-Botschaft Berlin, Abteilung für öffentliche Angelegenheiten
http://blogs.usembassy.gov/amerikadienst/



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