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Dramatische Zustände in Sirte

Libyen: NATO und Aufständische bombardieren Hafenstadt. Heftige Kämpfe fordern zahlreiche Opfer *

Sechs Wochen nach der Eroberung von Tripolis durch die von der NATO unterstützten Aufständischen ist es den Truppen des »Nationalen Übergangsrates« (NTC) auch am Wochenende nicht gelungen, die wichtige Hafenstadt Sirte unter ihre Kontrolle zu bringen. Eine am Freitag begonnene Offensive kam Medienberichten zufolge kaum voran. Der heftige Widerstand der in Sirte verschanzten Truppen, die loyal zum langjährigen Staatschef Muammar Al-Ghaddafi stehen, forderte offenbar zahlreiche Opfer auf Seiten der Angreifer. NTC-Chef Mustafa Abdul Dschalil räumte ein, am Freitag seien 15 seiner Kämpfer getötet und 180 weitere verletzt worden. Einer der Kommandeure der Aufständischen, Abdel Basit Harun, sprach von 32 Menschen, die bei den Gefechten getötet worden seien. Die Verteidiger Sirtes nannten allein für Freitag eine Zahl von 30 getöteten Angreifern. Die Zahl der zivilen Opfer wurde zunächst nicht bekannt. Allerdings feuerten Kämpfer des Übergangsrates am Samstag Raketen in die Stadt, obwohl die Sicht aufgrund eines Sandsturms stark beeinträchtigt war. Auch die NATO setzte ihre Bombenangriffe fort. Einer am Sonntag in Brüssel veröffentlichten Statistik zufolge flogen Kampfflugzeuge der Militärallianz allein am Sonnabend 28 Angriffe, insgesamt starteten die Maschinen zu 86 Einsätzen.

Unter Berufung auf das Internationale Komitee vom Roten Kreuz berichtete der venezolanische Rundfunksender YVKE Mundial am Wochenende über dramatische Zustände in den Krankenhäusern von Sirte. Mehrere Gesundheitszentren seien bombardiert worden, es fehle an Strom, um die medizinischen Geräte betreiben zu können. Auch Medikamente und Sauerstoff seien knapp. Der Sender zitiert Angestellte des wichtigsten Krankenhauses der Stadt: »Die Verletzten, die normalerweise gerettet werden könnten, sterben in den Operationssälen, zum Beispiel weil der Strom fehlt.«

In der Stadt selbst konzentrierten sich die Kämpfe offenbar um das Ouagadougou-Konferenzzentrum. Dabei handelt es sich um einen Gebäudekomplex im Zentrum von Sirte, den die libysche Regierung häufig für internationale Gipfeltreffen nutzte. Der Sprecher einer Brigade der Aufständischen, die Sirte aus östlicher Richtung angriff, Mohammed Al-Radschali, berichtete von heftigem Widerstand. Daher konzentrierten sie sich darauf, Ghaddafis Heimatstadt vom Stadtrand aus mit Artilleriegeschützen zu beschießen. Am Sonntag meldeten sie die Einnahme der Universität von Sirte.
(PL/dapd/AFP/jW)

* Aus: junge Welt, 10. Oktober 2011


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