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Bundeswehr vor Einsatz in Libyen

Bundesregierung will Hilfstransporte sichern

Die Bundesregierung ist nun doch zu einem Libyen-Einsatz der Bundeswehr bereit. Nach Informationen des »Tagesspiegels« prüft sie die Bereitstellung von Schiffen zur Sicherung von Hilfsgütertransporten im Rahmen einer EU-Mission. Voraussetzung dafür sind aber eine Anfrage der Vereinten Nationen (UN) und ein Beschluss des Bundestags. An Kampfeinsätzen in und um Libyen will sich Deutschland weiterhin nicht beteiligen.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte die grundsätzliche Bereitschaft Deutschlands zu einem humanitären Libyen-Einsatz bereits am Mittwoch erklärt. »Für die Bundesregierung ist völlig klar, dass wir bei der humanitären Bewältigung der Folgen dieses Krieges unsere Verantwortung wahrnehmen werden«, sagte er.

Westerwelle verwies auf eine Vereinbarung der EU-Außenminister vom 21. März zur humanitären Hilfe für Libyen. In der gemeinsamen Erklärung wird der UN auch der Einsatz von Militär zum Schutz von Hilfstransporten angeboten. »Hierzu steht Deutschland bereit«, so der Außenminister.

Auch die Grünen und die SPD haben sich für einen humanitären Einsatz der Bundeswehr in Libyen ausgesprochen. »Wenn die Bundeswehr hier eine Rolle bei der Logistik spielen kann, dann nur zu!«, sagte der Grüne Omid Nouripour. Und der SPD-Politiker Rainer Arnold meinte: »Deutschland täte gut daran, die Fehler der letzten vier Wochen zu korrigieren und hier mitzumachen.«

Deutschland hatte sich im UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über die Libyen-Resolution enthalten. Sie erlaubt unter anderem die Einrichtung einer Flugverbotszone sowie die Durchsetzung eines Waffenembargos.

* Aus: Neues Deutschland, 8. April 2011


Marschbefehl für Libyen

Von Rüdiger Göbel **

Die schwarz-gelbe Bundesregierung will deutsche Soldaten als eine Art Hilfstruppe doch am Libyen-Krieg beteiligen. Wie der Tagesspiegel am Donnerstag vorab aus seiner heutigen Ausgabe meldete, soll der Bundestag ein entsprechendes Mandat verabschieden. Es gehe nicht um einen »Kampfeinsatz«, sondern um die »militärische Absicherung einer Hilfsaktion für die notleidende libysche Bevölkerung« unter EU-Flagge, heißt es. Bei der Europäischen Union firmiert der Einsatz unter dem Codenamen »­EUFOR Libya«. Das Kommando liegt bei Konteradmiral Claudio Gaudiosi, das Hauptquartier wird in Rom eingerichtet.

Zum Einsatzauftrag heißt es in Berlin: Sicherungseinheiten der Bundeswehr sollen unter anderem den Transport von »Hilfsgütern« mit Schiffen der Marine begleiten. Laut Bundesregierung ist ein Auftrag der UNO allerdings Voraussetzung für den Einsatz. Ein entsprechender Hilferuf dürfte bald kommen, Verteidigungsministerium und Auswärtiges Amt in Berlin haben mit den Einsatzvorbereitungen vorausschauend begonnen. Staatsministerin Cornelia Pieper (FDP) stellte in einer aktuellen Stunde im Bundestag in Aussicht: »Auch die Nutzung der in Bereitschaft stehenden Verbände zur schnellen Krisenreaktion, der sogenannten EU-Battle-Groups, oder von Teilfähigkeiten ist möglich.«

Bündnis 90/Die Grünen und SPD meldeten sich am Donnerstag (7. April) umgehend einsatzbereit. »Wenn die Bundeswehr hier eine Rolle bei der Logistik spielen kann, dann nur zu!«, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Omid Nouripour. SPD-Wehrexperte Rainer Arnold sekundierte: »Deutschland täte gut daran, die Fehler der letzten vier Wochen zu korrigieren und hier mitzumachen.«

»Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle sind umgekippt«, kritisierte dagegen Sevim Dagdelen, Sprecherin für internationale Beziehungen der Linksfraktion im Bundestag. »Die Aussage, keine deutsche Soldaten nach Libyen entsenden zu wollen, ist offensichtlich Schnee von gestern. Es sieht jetzt danach aus, daß Deutschland sich am Krieg auch direkt beteiligt. Unter humanitärem Vorwand sollen nun deutsche Soldaten nach Libyen geschickt werden.« Die Bundesregierung müsse jedwede Kriegsbeteiligung unterlassen, so Dagdelen, »erst recht die Entsendung deutscher Soldaten.«

Daß der Begriff »Hilfsgüter« zudem recht weit aufgefaßt werden kann, machen Meldungen dieser Woche deutlich: Am Montag erklärte die britische Regierung, den libyschen Rebellen »Kommunikationsausrüstung« zu liefern, um sie im Kampf gegen Truppen von Staatschef Muammar Al-Ghaddafi zu unterstützen. Damit solle das Leben von Zivilpersonen geschützt und die Lieferung von humanitären Hilfsgütern unterstützt werden. Konkret geht es um Satellitentelefone und GPS-Geräte zur Angriffsoptimierung. Laut BBC helfen ehemalige Elitesoldaten Ihrer Majestät bei der Schulung der Ghaddafi-Gegner. Wie die USA hat Großbritannien zudem angedeutet, den Aufständischen trotz UN-Embargo mit Waffenlieferungen unter die Arme zu greifen.

Ghaddafi bat derweil US-Präsident Barack Obama in einem Brief um ein Ende der NATO-Angriffe, was von Washington abgelehnt wurde. Laut CNN ist in dem Schreiben von einem »ungerechten Krieg gegen ein kleines Volk eines Entwicklungslandes« die Rede. Ghaddafi konstatiert, eine demokratische Gesellschaft könne nicht durch Raketen und Kampfflugzeuge aufgebaut werden. In den westlichen Agenturen wurde das Schreiben als »wirr« etikettiert. Das ARD-Nachrichtenportal tagesschau.de meldete: »Libyens Machthaber Ghaddafi hat in einem Brief an US-Präsident Obama ein Ende der Luftangriffe gefordert. Doch weder die USA noch die NATO lassen sich davon abschrecken.« Die UNO drängte alle Kriegsbeteiligten um eine Feuerpause, um Hilfslieferungen in die umkämpfte Stadt Misurata bringen zu können. Mindestens zehn Aufständische starben durch »friendly fire« der NATO.

** Aus: junge Welt, 8. April 2011


Bitte um Rehabilitierung

Von René Heilig ***

Bitte, liebe UNO – lass' uns Schiffe mit Hilfsgütern übers Mittelmeer begleiten, auch wenn die gar keines Schutzes bedürfen. Wir versprechen, dass unsere Marinesoldaten, die derzeit so tatenlos auf Mittelmeerwellen schaukeln, ganz grimmig in Richtung Tripolis schauen. Unsere Kanzlerin und der Außenminister verdienen wirklich eine Chance, damit sie – nach ihrer so gescholtenen Enthaltung zum sicherheitsratsgeprüften Schießbefehl – beweisen können, wie fest Deutschland dennoch im NATO-Bündnis verankert ist. Auch wenn deutsche Flugzeuge keine Bomben auf Gaddafi werfen – gerne möchten wir uns vor den Karren von Sarkozy und Cameron spannen lassen. Sonst sind die beiden womöglich nachtragend und wollen uns in der Nach-Gaddafi-Zeit (oder wenn das Land in Ölgebiete und Wüste gespalten ist) nichts abgeben von der schwarzen Flüssigkeit, die unseren Wohlstand schmiert. Und bitte, liebe UNO, gib Schwarz-Gelb die Möglichkeit, der so mächtig werdenden rot-grünen Opposition entgegen zu kommen. Gabriel und Künast warten schon so lange, um dem irren Tyrannen ihre bereits im Bundestag hochgereckten Fäustchen zu zeigen.

Noch sind Meldung über einen deutschen Marine- oder gar einen Battle-Group-Einsatz gegen Libyen nicht bestätigt. Es besteht also die Chance, dass Kanzler- und Außenamt nicht wieder feige Krieg als Mittel der Politik verstehen. Deutschland hat wahrlich andere Möglichkeiten als militärische, will es jenen beistehen, die unter dem Morden in Libyen so grausam leiden. Denn darum geht es doch wohl – und nicht um die Einheit einer zerstrittenen Militärallianz oder das Ego von Parlamentsschwaflern.

*** Aus: Neues Deutschland, 8. April 2011 (Kommentar)


Amnesty fordert Libyen-Luftbrücke

Notleidende müssen versorgt werden / Suche nach Überlebenden der Flüchtlingstragödie ****

Nach der neuerlichen Flüchtlingstragödie im Mittelmeer hat Amnesty International eine Luftbrücke zur Versorgung der notleidenden Bevölkerung Libyens gefordert.

Die Generalsekretärin von Amnesty Deutschland, Monika Lüke, sagte der »Neuen Osnabrücker Zeitung«: »Derzeit flüchten jeden Tag 2500 Menschen aus Libyen, weil es an Nahrung und Medikamenten fehlt oder ihnen Verfolgung droht.« Jenseits der libyschen Grenzen harrten weit mehr als 200 000 Flüchtlinge aus.

Diese Menschen müssten aus der Luft mit Nahrung und Medikamenten versorgt werden, appellierte Lüke an die internationale Gemeinschaft. »Wenn die Vereinten Nationen in Libyen schon eingreifen, dann muss der Schutz und die humanitäre Hilfe für die Bevölkerung im Vordergrund stehen«, sagte Lüke. Der Europäischen Union warf sie vor, »trotz der akuten Krise in der arabischen Welt in der Flüchtlingspolitik nichts gelernt« zu haben. Es dürfe aber nicht sein, dass die EU und ihre Mitgliedsländer in erster Linie Boote auf das Mittelmeer schickten, um Flüchtlinge abzuwehren. Vielmehr sollten sie Flüchtlinge aus Libyen aufnehmen – wie es die EU-Kommission vorgeschlagen habe.

Es bestehe die menschenrechtliche Pflicht, Flüchtlinge in Seenot an Bord zu nehmen und ihnen in der EU ein faires Asylverfahren zu garantieren, betonte Lüke. Die Realität sehe aber völlig anders aus: »Die Zustände in den Flüchtlingslagern auf Lampedusa sind nach wie vor katastrophal.«

Die Küstenwache von Italien und Malta suchte am Donnerstag (7. April) weiter nach Überlebenden der Flüchtlingstragödie vor Lampedusa. Wie das Hafenamt der italienischen Mittelmeerinsel bestätigte, stieg die Zahl der Geretteten inzwischen auf 53. Die Hoffnung, weitere Überlebende bergen zu können, sei hingegen gering. »Aber man darf nichts unversucht lassen«, erklärte der Kommandant der Küstenwache, Pietro Carosia. »Unsere Hoffnung ist es, vielleicht noch jemand zu finden, der sich an einem Wrackteil festklammern konnte.« Die Behörden befürchten, dass beim Kentern eines libyschen Flüchtlingsschiffes in der Nacht zum Mittwoch zwischen Malta und Lampedusa bis zu 250 Menschen ertrunken sind.

**** Aus: Neues Deutschland, 8. April 2011


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