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Liberias Präsidentin macht sich unbeliebt

Schwere Vorwürfe gegen Friedensnobelpreisträgerin Johnson-Sirleaf

Von Thomas Nitz *

Für ihren Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen hat Liberias Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf im vergangenen Jahr den Friedensnobelpreis erhalten. Jetzt aber werden schwere Vorwürfe gegen sie erhoben.

Ellen Johnson-Sirleaf – der Name steht international für ein neues Afrika, für Hoffnung, Aufbruch und für Frauenrechte. In ihrer Heimat ist ihr Ruf jedoch beschädigt. Korruption und Vetternwirtschaft wirft man ihr vor und eine diskriminierende Politik gegenüber Homosexuellen.

Ma Ellen, wie sie von Anhängern genannt wird, ist die erste Frau, die zur Staatschefin eines afrikanischen Landes gewählt wurde. Allein das brachte ihr viele Vorschusslorbeeren ein. Zunächst versprach sie – wie alle neuen Staatschefs – die Bekämpfung der allgegenwärtigen Korruption. Vor allem aber wollte sie keinerlei Toleranz gegenüber der Diskriminierung von Frauen zulassen. Für Liberia, wo während des Bürgerkriegs mehr als zwei Drittel aller Mädchen und Frauen vergewaltigt wurden, war das ein deutliches Signal.

Nach 14 Jahren Bürgerkrieg war Liberia ein Synonym für das gescheiterte Afrika, für Krieg und Chaos. Dank internationaler Geber gelang Johnson-Sirleaf schier Unmögliches: Sie richtete das Land wieder auf und gab den Liberianern neben Schulen, Krankenhäusern und Infrastruktur vor allem Zuversicht. Im vergangenen Jahr erhielt die 73-Jährige zusammen mit zwei anderen Frauen für ihren gewaltfreien Kampf für Frauenrechte den Friedensnobelpreis. Inzwischen jedoch ähnelt ihre Politik immer mehr dem selbstherrlichen Stil, dem sie bei ihrer Amtseinführung 2006 den Kampf angesagt hatte.

Erste Zweifel kamen bereits 2009 auf, als Johnson-Sirleaf vor der Wahrheits- und Versöhnungskommission ihres Landes zugeben musste, den inzwischen in Den Haag zu 50 Jahren Haft verurteilten Kriegsverbrecher Charles Taylor bis Mitte der 90er Jahre unterstützt zu haben. »Das war die größte Verirrung meines Lebens«, entschuldigte sie sich.

Jüngste Vorwürfe wiegen schwerer. Anfang des Jahres berief sie ihren Sohn Charles zum Vizepräsidenten der Zentralbank. Kurze Zeit später ernannte sie dessen 54-jährigen Bruder Robert zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Ölfirma Nocal. Kaum im Amt, sicherte sich Robert Sirleaf Lizenzen für mehrere Ölfelder vor der Küste. Er soll mittlerweile an der Schwelle zum Dollarmilliardär stehen.

Von allen Vorwürfen unbeeindruckt, sorgt Ma Ellen weiter für ihre Familie. Stiefsohn Fomba Sirleaf steht der nationalen Sicherheitsbehörde NSA vor, Neffe Varney Sirleaf ist stellvertretender Innenminister. Schwester Jennie und Schwager Estrada Bernard werden als Berater und Rechtsbeistand ebenfalls aus der Staatskasse bezahlt.

Hinzu kommt, dass Johnson- Sirleaf ein geltendes Gesetz gegen Homosexuelle als Ausdruck traditioneller Werte verteidigt. Das Repräsentantenhaus berät gerade über dessen Verschärfung: Die Haftstrafen für homosexuelle Handlungen sollen von einem Jahr auf fünf Jahre erhöht werden. Auch wer für Homosexualität wirbt, soll künftig mit Gefängnis bestraft werden.

Das UN-Menschenrechtskommissariat hat Liberia wegen dieser diskriminierenden Politik kritisiert. Homosexuellenverbände fordern die Aberkennung des Friedensnobelpreises, sollte Johnson- Shirleaf das Gesetz unterzeichnen.

* Aus: neues deutschland, Montag, 20. August 2012


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