Liberia: Krieg um Bodenschätze
Interview mit dem Menschenrechtsaktivisten James Torh
Von Iris Schneider
James Torh war Geschäftsführer der inzwischen verbotenen liberianischen
Menschenrechtsorganisation FOCUS, die sich gegen Kindersklaverei und für die
Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkrieges
eingesetzt. Für dieses Engagement wurde der 38-Jährige von der Regierung verfolgt
und musste fliehen. Heute lebt er in Spanien. Iris Schneider traf ihn für das ai-JOURNAL
in Hamburg.
ai-JOURNAL: Wie ist die Lage in Liberia?
James Torh: Düster. Präsident Charles Taylor strebt mit aller Gewalt nach Macht und
Reichtum. Es gibt deshalb wenig Hoffnung auf eine positive politische Entwicklung des Landes
und eine Besserung der Menschenrechtslage.
Welche Rolle spielte Taylor während des Bürgerkriegs von 1989 bis 1996?
Taylor hat 1989 als Rebellenführer angefangen. Seine Botschaft lautete damals, er wolle
Liberia von der Diktatur des Samuel Doe befreien. Tatsächlich verfolgte er aber ganz andere
Ziele. Ihm ging es nur um persönliche Macht und Reichtum.
1997 wurde die verfassungsmäßige Ordnung wieder hergestellt. Wie kam es, dass
Charles Taylor dabei an die Macht kam?
Taylor hatte als einer der einflussreichsten Rebellenführer an den Friedensgesprächen
teilgenommen, weil er sich von einer Wahl eine Festigung seiner Position versprach. Während
des Wahlkampfs hat er wiederholt gedroht, dass er den Bürgerkrieg fortsetzen werde, wenn er
nicht zum Präsidenten gewählt würde. Nach sieben Jahren Bürgerkrieg war die Bevölkerung
zermürbt und wählte Taylor in der Hoffnung, dass das Land Frieden finden würde. Das
Gegenteil ist jedoch eingetreten. Liberia befindet sich im Krieg mit Guinea und betreibt in Sierra
Leone einen Bürgerkrieg. Das Land destabilisiert die gesamte Region. Im Zentrum dieser
Destabilisierung steht Charles Taylor, der in Sierra Leone die bewaffnete Oppositionsgruppe
RUF aufgebaut hat und Söldner nach Guinea schickt.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen politischen und wirtschaftlichen Interessen bei
diesen Auseinandersetzungen?
Bei all diesen Kämpfen geht es um Bodenschätze, vor allem um Diamanten. Taylor kontrolliert
bereits jetzt den Großteil der Diamantenförderung in Sierra Leone. Auch Liberia hat große
Bodenschätze: Eisenerze, Gold, Diamanten. Aber die Bevölkerung des Landes lebt in Armut,
weil diese Ressourcen nicht so genutzt werden, dass sie allen zu gute kommen. Stattdessen
finanziert die Regierung Taylor mit den Gewinnen Waffen und Soldaten. Die Volkswirtschaft ist
weitgehend zusammengebrochen. Es gibt keinen Strom, kaum noch Schulen und nur noch
Reste einer medizinischen Versorgung. Nach neuesten Berichten praktizieren im ganzen Land
nur noch 25 Ärzte.
Weshalb mussten Sie das Land verlassen?
Unsere Organisation FOCUS hat die Ausbeutung und Versklavung von Kindern auf Plantagen im
Südosten dokumentiert. Diesen Bericht haben wir an die Regierung und an die Vereinten
Nationen geschickt. Das Ergebnis war, dass wir von der Regierung auf zehn Millionen US-Dollar
Schadensersatz verklagt wurde, und die Militärberater des Präsidenten beschlossen, mich zu
töten. Ich konnte entkommen, aber meinem Fahrer, der mich schützen wollte, schnitt man ein
Ohr ab. Ich musste über Nacht mein Land verlassen, um mein Leben zu retten.
Welchen Status hat Kindersklaverei in Liberia?
Das Gesetz verbietet Zwangsarbeit und die liberianische Regierung hat die ILO-Konvention
gegen Zwangsarbeit unterzeichnet. Auch unsere Verfassung verbietet Kinderarbeit. Deshalb
haben wir den Bericht über Kindersklaverei auch in gutem Glauben erstellt. Zunächst hat der
Präsident ihn auch interessiert entgegen genommen. Erst nach einer Woche begannen dann
die Repressionen.
Welches Interesse hat die Regierung an der Ausbeutung von Kindern?
Hohe Regierungsbeamte sind direkt daran beteiligt. So war einer der Minister Eigentümer einer
Firma, die Kindersklaven eingesetzt hat.
Sie leben heute in Spanien im Rahmen des Programms für Menschenrechtsverteidiger
der spanischen Sektion von ai. Wie kam es dazu?
Zunächst einmal ist es wunderbar, dass ich noch am Leben bin. Das habe ich auch amnesty
international zu verdanken. Ich bin von Liberia erst nach Sierra Leone geflüchtet. Dort hat ai
mir geholfen, nach Ghana zu fliehen. In Ghana leben aber sehr viele Liberianer, und es bestand
die Gefahr, dass einer mich erkennen und töten würde, denn ich bin in Liberia ein bekannter
Mann. Deshalb hat das Westafrika-Team von ai in London die spanische Sektion kontaktiert
und sich dafür eingesetzt, dass ich in deren Programm zum Schutz von
Menschenrechtsverteidigern aufgenommen wurde. Ich bin der erste Schwarze in dem
Programm, das ursprünglich nur für Kolumbianer gedacht war. Jetzt lebe ich mit meiner Frau
und meiner Tochter in Spanien. Mein Sohn ist noch in Liberia.
Wie sehen Sie Ihre persönliche Zukunft?
Die Frage ist schwer zu beantworten. Ich möchte gerne nach Hause zurückkehren, aber ich
weiß nicht, ob und wann das möglich sein wird. Ich fühle mich meinem Land verpflichtet und
will mich weiter für die Menschenrechte in Liberia einsetzen.
Quelle: ai-JOURNAL Juli / August 2001
Liberia
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