Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Tod eines Terrorfürsten

Anführer der Al-Qaida-nahen "Abdallah-Assam-Brigaden" stirbt nach Verhaftung im Libanon offiziell an Nierenversagen. Iranische Offizielle beschuldigen Saudi-Arabien

Von Jürgen Cain Külbel *

Den Libanesen stockte der Atem: Am Freitag hatte das Militär erklärt, »DNA-Tests haben die Identität des in Haft befindlichen saudiarabischen Staatsbürgers Madschid Al-Madschid bestätigt«, am Samstag zeigte es dessen Exitus an. Al-Madschid, Anführer der Al-Qaida-nahen »Abdallah-Assam-Brigaden«, die am 19. November 2013 zwei Selbstmordanschläge auf die Botschaft Irans in Beirut verübt hatten, 25 Menschen töteten und 170 weitere verletzten, sei »in einem Militärkrankenhaus an Nierenversagen gestorben«.

Der »Terrorfürst« war am 26. Dezember von Agenten des Beiruter Armeegeheimdienstes verhaftet worden, als er Unterschlupf im nahe der libanesisch-syrischen Grenze gelegenen Arsal suchen wollte. Der Tip kam vom US-Militärgeheimdienst; die Amerikaner führen Al-Madschid und dessen »Abdallah-Assam-Brigaden« auf der Terrorliste. Die hatten sich 2010 zu einer Attacke auf ein japanisches Schiff in der Straße von Hormus und jüngst zu Raketenangriffen von libanesischem Staatsgebiet aus auf Israel bekannt. Mehrere Anschläge auf der ägyptischen Halbinsel Sinai gehen ebenso auf ihr Konto. Die Selbstmord­attentate auf die iranische Botschaft in Beirut im November 2013 wollten die Terroristen als Rache für Teherans Unterstützung von Syriens Präsident Baschar Al-Assad verstanden wissen. Mit dem gleichen Motiv begründeten sie mehrere Bombenangriffe auf Hochburgen der libanesischen Hisbollah. Die Miliz kämpft in Syrien auf Seiten der Regierungstruppen.

Die Nachricht vom Tod Al-Madschids platzte mitten in einen Streit zwischen Saudi-Arabien und Iran. Teheran hatte sich am Freitag die Übergabe aller Informationen erbeten, die der libanesische Armeegeheimdienst von Al-Madschid »extrahieren« könne. Libanons Außenminister Adnan Mansour wies in der Beiruter Gazette An-Nahar darauf hin, »daß der Iran das Recht hat, über die Untersuchung informiert zu werden«. Dagegen stellte sich die saudische Regierung im libanesischen Blatt Al-Dschumhuria stur: Saudi-Arabien verweigere die Bitte Irans, über Madschids Verhöre unterrichtet zu werden, da er ein saudischer Staatsbürger sei. Mohammed Asfari, Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates im iranischen Parlament, bezichtigte Saudi-Arabien am Samstag der Tötung des »Terrorfürsten«. Im iranischen TV-Sender Al-Alam sagte er: »Die Leute, die den Anführer der ›Abdallah-Assam-Brigaden‹ unterstützten und finanzierten (…) sind die gleichen Leute, die hinter seinem Tod stehen.« Madschid, so Asfari, »hätte Informationen über seine terroristischen Aktivitäten enthüllt, die Saudi-Arabien geschadet hätten«.

Der Generalsekretär der libanesischen Hisbollah, Hassan Nasrallah, hatte schon am 3. Dezember 2013 verkündet, daß »der saudische Geheimdienst enge Verbindungen zu den ›Abdallah-Assam-Brigaden‹« pflege. Sie seien eine Gruppe, »deren Führung direkt mit dem saudischen Geheimdienst verbunden ist«. Auch Sajed Hussein Naqawi Husseini, Berichterstatter für Nationale Sicherheit und Außenpolitik in Teheran, hat »die Täter hinter den Bombenanschlägen gegen die iranische Botschaft in Beirut und die Geldgeber des Angriffs« längst identifiziert: »Solche Terroranschläge sind von denjenigen kreiert worden, die im Solde des Königshauses Al-Saud stehen.«

Der »saudische Emir« Al-Madschid ist tot. Ob er seine Geheimnisse und die seiner Auftraggeber mit ins Grab genommen hat, ist nicht bekannt. Gewiß ist: Aus Arsal, jenem Nadelöhr für Waffen- und Söldnertransporte nach Syrien, in dem Al-Madschid untergetaucht war, kamen all die mit Sprengstoff präparierten Fahrzeuge, mit denen die Bombenattentate der vergangenen Wochen in Libanon ausgeführt worden waren. Al-Madschids Tod, so munkeln die Menschen in Beirut, verwische nun die Spur zum saudischen Geheimdienst.

* Aus: junge Welt, Montag, 6. Januar 2014


Zurück zur Libanon-Seite

Zur Libanon-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage