Fragiles "Einheits-Kabinett"
Libanon: Designierter Premier stellt neue Regierung vor
Von Jürgen Cain Külbel *
Libanons designierter Ministerpräsident Tammam Salam präsentierte am Wochenende eine »Regierung der nationalen Einheit«, die auf »starken Druck ausländischer Mächte«, allen voran USA, Frankreich und Saudi-Arabien, zustande gekommen war.
Salams Vorgänger, der Sunnit Nadschib Mikati, war am 22. März 2013 nach einem Zerwürfnis mit dem damaligen Koalitionspartner, der schiitischen Hisbollah, zurückgetreten; auch wegen der Verlängerung der Amtszeit des sunnitischen Geheimdienstchefs Ashraf Rifi. Die prowestlich orientierte Opposition »Allianz des 14. März« hatte gefordert, Rifi solle im Amt bleiben, obwohl er das Rentenalter erreicht hatte. Sie fürchtete, die Hisbollah würde die Schlüsselposition mit einem Gefolgsmann besetzen: Die Miliz kämpfte damals bereits in Syrien auf der Seite von Präsident Baschar Al-Assad, während die Opposition dessen Gegner nach Kräften unterstützte. Nach Mikatis Rücktritt wurde der Libanon elf Monate lang von einer Übergangsregierung unter seiner Leitung geführt.
Dem neuen »Einheits-Kabinett« des 68jährigen Salam gehören nunmehr Vertreter aller Parteien des Landes an – ausgenommen bleiben jedoch die semi-faschistischen »Lebanese Forces« um den früheren christlichen Warlord Samir Geagea. Erstmals seit drei Jahren agieren auch die beiden rivalisierenden Lager um die Hisbollah und die »Zukunftsbewegung« des ehemaligen Ministerpräsidenten Saad Hariri – Bündnispartner der »Allianz des 14. März« – wieder in einer Regierung. Salam besetzte die vakanten 24 Ministerposten zu je einem Drittel mit zentristischen, pro- und antisyrischen Politikern. Acht Ressorts gehen an die Hisbollah und ihre Verbündeten, darunter auch das wichtige Außenministerium. Dessen Chef wurde Dschubran Basil von der »Freien Patriotischen Bewegung«, die vom christlich-maronitischen Exgeneral Michel Aoun gegründet wurde. Aoun ist seit nahezu zehn Jahren eng mit der Hisbollah verbündet. Acht Minister werden auch von den Kreisen um Saad Hariri gestellt, darunter das Innenministerium unter dem Sunniten Nihad Maschnuk und das Justizministerium, das Rifi führt. Acht weitere Posten gehen an Vertraute von Staatspräsident Michel Suleiman, der als neutral gilt, sowie an Anhänger des Drusenführers Walid Dschumblat.
Salam versprach am Samstag im Staatsfernsehen, sein Kabinett werde sich vorrangig um die Verbesserung der Sicherheitslage, die sich wegen des Krieges in Syrien verschärft habe, kümmern: Besonders in der nördlichen Hafenstadt Tripoli flammen immer wieder blutige Kämpfe zwischen Anhängern und Gegnern Assads auf; zudem verübten sunnitische Terroristen in den vergangenen Monaten vermehrt Bombenanschläge in den von der Hisbollah kontrollierten südlichen Vierteln Beiruts. Auch die rund 1,5 Millionen syrischen Flüchtlinge haben die wirtschaftlich-soziale Lage in dem kleinen Staat am Mittelmeer mit seinen 4,4 Millionen Einwohnern enorm verschlechtert; ein Problem, das gelöst werden muß, betonte Salam. Sein neues Kabinett wolle zudem auf eine Regierungserklärung hinarbeiten, in der das Verhältnis seines Landes zu Syrien und der Status der Waffen der Hisbollah definiert werden sollen.
Der Generalsekretär der Hisbollah, Hassan Nasrallah kündigte am Sonntag während eines TV-Auftritts eine konstruktive Rolle seiner Organisation innerhalb der Regierung an, die eine Chance für Einheit, Verständnis und Dialog böte: Man wolle »die gegenseitigen Angriffe beenden und statt dessen gemeinsam die wirtschaftlichen und sozialen Probleme im Libanon angehen.« Allerdings wies er die Forderung der »Allianz des 14. März«, seine Hisbollah-Kämpfer aus Syrien abzuziehen, strikt von sich. Spannungen birgt auch die gerichtliche Aufarbeitung des Attentates auf Libanons Expremier und Milliardär Rafik Hariri im Jahr 2005. Im Januar 2014 begann am UN-Sondertribunal für den Libanon in Den Haag der Prozess gegen vier mutmaßliche Täter, allesamt Hisbollah-Mitglieder. Die Schiiten-Miliz bestreitet jede Tatbeteiligung.
* Aus: junge welt, Dienstag, 18. Februar 2014
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