Feldzug gegen Pressefreiheit
Das Sondertribunal für den Libanon geht jetzt massiv gegen kritische Journalisten vor
Von Jürgen Cain Külbel *
Die Pressefreiheit muß ihre Grenzen finden«, zitierte die New York Times den Präsidenten des in Leidschendam bei Den Haag stationierten Sondertribunals für den Libanon (STL), Sir William David Baragwanath. Der 74jährige Neuseeländer hatte am vergangenen Donnerstag die wichtigsten Kritiker des STL im Zedernstaat Libanon angeklagt: »Mißachtung und Behinderung der Justiz« wirft er der stellvertretenden Nachrichtenchefin und Managerin der politischen Programme beim TV-Sender Al-Dschadeed, Karma Mohamed Tahsin Al-Khayat, sowie dem Chefredakteur der Beiruter Tageszeitung Al-Akhbar, Ibrahim Mohamed Al-Amin, vor. Auch das Zeitungsunternehmen Al-Akhbar sowie New TV, die Muttergesellschaft des Senders Al-Dschadeed, müssen sich, so Baragwanath, in dieser Sache noch »strafrechtlich verantworten«.
Das STL habe »genügend Gründe, um gegen Al-Amin und Al-Khayat vorzugehen. Beide seien für »die Veröffentlichung der Namen von angeblich vertraulichen Zeugen des Verfahrens verantwortlich«, gewichtete Baragwanath in seiner Anklage Ende vergangener Woche. Tatsächlich hatte die Tageszeitung Al-Akhbar im Januar 2013 Fotos, Namen und Informationen zu 32 Zeugen abgedruckt. Das Material sei dem Blatt durch »Lecks aus dem Tribunal« in die Hände gelangt. Al-Dschadeed hatte die gleichen Informationen publiziert.
Das vom UN-Sicherheitsrat aufgestellte STL führt seit Januar 2014 unter der Ägide Baragwanaths einen Prozeß in Abwesenheit gegen die vermeintlichen Mörder des libanesischen Multimilliardärs und Expremiers Rafik Hariri; aufgrund von Indizien bezichtigt es fünf Angehörige der schiitischen Hisbollah-Miliz der Bluttat: Hariris Fahrzeugkonvoi war am 14. Februar 2005 an Beiruts Seefront mittels einer wuchtigen Autobombe in die Luft gejagt worden; 23 Menschen starben, Hunderte wurden verletzt. Der spektakuläre Anschlag war Auftakt zur »Zedernrevolution«, die im Frühjahr 2005 den Abzug der Ordnungsmacht Syrien aus dem Libanon erzwang.
Die Zweifel an dem Verfahren in Den Haag sind groß; zudem wurde die Seriosität des STL und seiner Untersuchungskommissionen in den vergangenen neun Jahren regelmäßig von Manipulations- und Korruptionsvorwürfen sowie Skandalen erschüttert. Krimineller Höhepunkt war die Fälschung von Beweismitteln unter Federführung des Berliner Oberstaatsanwaltes Detlev Mehlis; der hatte 2005 Zeugenaussagen mit Millionenbeträgen erkaufen lassen. All das blieb juristisch ungesühnt.
Al-Khayat und Al-Amin wurden nun von Baragwanath aufgefordert, am 13. Mai 2014 vor dem Tribunal zu erscheinen; beiden drohen in der Sache bis zu sieben Jahren Gefängnis und/oder eine Geldstrafe in Höhe von 100000 Euro. Youssef Marten, der Sprecher des STL, zeigte sich am Wochenende gnädig: wenn die Journalisten nicht persönlich erscheinen mögen, wäre der Auftritt auch per Video-Link von Beirut aus möglich; ebenso die Entsendung eines Anwaltes. »Wir sind keine Kriminellen, wir laufen nicht vor der Justiz weg, aber das ist nicht gerecht«, protestierte Al-Khayat gegen Baragwanath. Al-Amin zeigte sich indes im Fernsehsender Al-Manar kämpferisch: »Wenn ich vor Gericht erscheine, werde ich alles tun, um dessen Legitimität in Frage zu stellen und sagen, daß es nicht die Autorität besitzt, Journalisten zu verfolgen.« Rechtsanwalt Antoine Korkmaz, Verteidiger von Mustafa Badreddine, eines der Hauptangeklagten im Prozeß des STL, kritisierte die Journalistenverfolgung am Samstag in der Beiruter Zeitung As Safir kurz als »rechtlich unwirksamen Fall«.
Der Hisbollah-Minister Hussein Hajj Hasan fragt, warum Baragwanath nur gegen libanesische Medien vorgehe; schließlich haben »Unbekannte« innerhalb des STL immer wieder »westlichen« Medien »sensible Informationen zugespielt, die die dann auch veröffentlichten«. Das Hamburger Magazin Der Spiegel beispielsweise druckte lange vor Anklageerhebung die Namen der mutmaßlichen Täter ab. Libanons Präsident Michel Suleiman indes »lehnte einen jeden Angriff gegen Medien und ihre Vertreter, insbesondere gegen Al-Dschadeed und Khayat, ab«. Suleiman will sich energisch für die Wahrung der »Medienfreiheit« einsetzen.
* Aus: junge welt, Montag 28. April 2014
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