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"Gordischer Knoten" in Libanon bleibt

Präsidentenwahl auf November verschoben

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

In einem zweiten Anlauf sollte das libanesische Parlament am heutigen Dienstag einen neuen Präsidenten wählen. Am Montag wurde dies auf den 12. November verschoben. Damit solle den Abgeordneten mehr Zeit gegeben werden, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen, hieß es in einer Erklärung des Parlaments.

Eine erste Sitzung war am 25. September gescheitert, weil das erforderliche Quorum von zwei Dritteln nicht erreicht worden war. Auch von der ursprünglich für heute anberaumten Sitzung erwarteten politische Beobachter kein Ergebnis, da es unter den christlichen Parteien, die laut Verfassung den Präsidenten stellen, bisher keine Einigung gibt. Der Verfassungsexperte Ziad Baroud vermutete bereits vor der Verschiebung in einem AFP-Gespräch, dass die Parlamentssitzung auf November verlegt werden könnte. Weil keine Seite stärker sei als die andere, gebe es eine Chance für eine Einigung, so Baroud.

Die christlichen Parteien in Libanon sind tief zerstritten. Phalangisten und die Nationale Partei stehen auf der pro-westlichen Regierungsseite, die Maradapartei und die Freie Patriotische Union stehen auf der Seite der Opposition. Nach vielen vergeblichen Anläufen war es dem maronitischen Patriarchen, Nasrallah Boutros Sfeir, Anfang Oktober gelungen, die christlichen Parteien an einen Tisch zu bringen, um einen Weg aus der Sackgasse zu finden. Der Einfluss des Patriarchen ist aber im Gegensatz zu dem seiner Vorgänger massiv gesunken.

Zugenommen hat dagegen der ausländische Einfluss auf die Präsidentenwahl. Die Außenminister Frankreichs (Bernhard Kouchner), Italiens (Massimo D'Alema) und Spaniens (Miguel Angel Moratinos) zeigten Ende vergangener Woche Präsenz in Libanon. »Die Dinge werden besser«, sagte Kouchner auf einer Pressekonferenz. Er und seine Kollegen seien nicht gekommen, um »über Namen zu diskutieren«, man würde sich aber freuen, »von einem Konsenskandidaten zu hören«. Die Zeitung »Al Anwar« stellte fest, dass die EU-Minister nicht »das Schwert von Alexander dem Großen haben, um den Gordischen Knoten in Libanon zu durchschlagen.«

Politiker des Regierungslagers »14. März« trafen derweil in Washington mit US-Präsident George W. Bush zusammen. Die US-Administration hat die Regierung von Fuad Siniora mit Millionen Dollar für den Ausbau des Sicherheitsapparates unterstützt. Bush und sein Stellvertreter Richard Cheney warnten namentlich Syrien, sich nicht in die Wahlen in Libanon einzumischen. Cheney beschuldigte Damaskus und seine »Agenten«, im Zedernstaat eine »Politik der Erpressung und Einschüchterung« zu betreiben. Die »demokratische Mehrheit soll davon abgehalten werden, einen wirklich unabhängigen Präsidenten zu wählen«, so Cheney in einer Rede vor dem (pro-israelischen) Washingtoner »Institut für Politik im Mittleren Osten«. Die USA und ihre Verbündeten würden alles tun, um »die hart erkämpfte Unabhängigkeit Libanons zu erhalten.«

Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei in Libanon, Khaled Haddada, warnte vor dem »Projekt der USA in der Region«, das ein einiges Libanon verhindern wolle. Haddada rief dazu auf, den arabischen Widerstand (gegen Israel) nicht aufzugeben.

* Aus: Neues Deutschland, 23. Oktober 2007


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