Libanon: Arabische Liga vermittelt
Anschlag auf UNIFIL und Beschuss Israels im Vorfeld der Gespräche
Von Karin Leukefeld *
Amr Moussa, Generalsekretär der Arabischen Liga, soll in Libanon im Streit um einen neuen
Präsidenten vermitteln.
Kurz vor der geplanten Ankunft des Generalsekretärs der Arabischen Liga (AL), Amr Moussa, in
Beirut, erschütterten zwei Zwischenfälle erneut den Zedernstaat. Im Süden des Landes nahe der
Hafenstadt Saida explodierte am Dienstag eine Bombe am Straßenrand, als ein UNIFIL-Konvoi
vorbei fuhr. Ein Wagen wurde getroffen, vier UNIFIL-Soldaten wurden verletzt. Fast zeitgleich
wurden aus Südlibanon erneut Raketen auf Israel abgefeuert.
Das Störfeuer zum Besuch von Amr Moussa kommt nicht unerwartet. In Tonbandbotschaften waren
in Libanon und speziell gegen die UNIFIL Anschläge angedroht worden. Die Aufnahmen werden
einerseits Osama Bin Laden, andererseits Shaker al-Abssi zugeschrieben, einem islamistischen
Führer, der nach der Schlacht um das palästinensische Flüchtlingslager Nahr al-Bared in
Nordlibanon als verschwunden gilt.
In der angeblichen Botschaft al-Abssis wird insbesondere vor der Wahl von General Michel Sleiman
zum Präsidenten gewarnt. Gerade dafür aber soll Amr Moussa in Beirut werben, denn der Plan der
Arabischen Liga, auf den sich am vergangenen Wochenende die Außenminister der ALMitgliedstaaten
geeinigt hatten, beinhaltet drei Punkte: Erstens soll der Oberkommandierende der
Libanesischen Streitkräfte, General Michel Sleiman, als Kompromisskandidat so rasch wie möglich
zum neuen libanesischen Präsidenten gewählt werden. Zweitens soll eine »Regierung der
Nationalen Einheit« gebildet werden, in der keine Seite ein Vetorecht hat. Drittens soll ein neues
Wahlrecht soll ausgearbeitet werden.
Während sich der französische Außenminister Bernard Kouchner in einem Interview mit der
Tageszeitung »Al Hayat« erneut besonders skeptisch gegenüber Syrien zeigte, scheint Syrien von
Iran gedrängt worden zu sein, einem arabischen Vorschlag zuzustimmen. Ali Laridschani, Leiter des
iranischen Nationalen Sicherheitsrates und Berater von Großajatollah Ali Khamenei hatte noch vor
dem Außenministertreffen in Kairo den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad besucht.
Entsprechend kooperativ zeigte sich der syrische Außenminister Walid al-Muallem, der in Kairo mit
seinen saudischen und ägyptischen Amtskollegen konferierte. Man habe zwar unterschiedliche
Freunde in Libanon, sagte al-Muallem anschließend, doch man habe sich darauf geeinigt zu
kooperieren.
Für Syrien ist ein Einigungsvorschlag für Libanon unter dem Dach der Arabischen Liga wichtig, der
die Einflussnahme der USA, Frankreichs und Europas in die zweite Reihe verweisen würde. In
diesem Frühjahr soll in Damaskus das Gipfeltreffen der AL stattfinden, das ohne Lösung in Libanon
von wichtigen arabischen Staaten wie Saudi-Arabien und Ägypten boykottiert werden könnte.
Amr Moussa will in Beirut zunächst, mit dem Führer der oppositionellen Amal-Bewegung und
Parlamentssprecher Nabi Berri zusammentreffen, bevor er Ministerpräsident Fuad Siniora trifft. Berri
zeigte sich zunächst hoch erfreut über die AL-Initiative und erklärte, man solle sie umgehend
realisieren. Kurz darauf wurde er allerdings in der Internetausgabe der Tageszeitung »An Nahar« mit
Äußerungen zur Zusammensetzung der neuen Regierung zitiert, die vom Vorschlag der AL
abweichen. Zehn Minister solle der neue Präsident ernennen, zehn Minister die parlamentarische
Mehrheit und zehn Minister die Opposition stellen. Der Vorschlag der AL sieht einen anderen
Verteilerschlüssel vor: sechs Minister für den Präsidenten, 14 für die parlamentarischen Mehrheit
und zehn für die Opposition.
* Neues Deutschland, 10. Januar 2008
Arabischer Ausweg
Libanons Parlament tritt erneut zur Wahl eines Präsidenten zusammen. Bündnis der Anrainer will helfen
Von Karin Leukefeld **
Zum inzwischen zwölften Mal soll das libanesische Parlament an diesem Samstag zusammenkommen, um einen neuen Präsidenten zu wählen. Im Verlauf der Woche keimte in Beirut erstmals wieder Hoffnung, daß ein Ausweg aus der verfahrenen Situation gefunden werden kann. Grund dafür ist ein Lösungsvorschlag der Arabischen Liga (AL), den deren Generalsekretär Amr Moussa in der libanesischen Hauptstadt am Mittwoch persönlich vorstellte. Nach seiner Ankunft in Beirut zeigte sich Moussa gegenüber Journalisten optimistisch: »Ich spreche hier im Auftrag aller arabischen Staaten, eingeschlossen Syrien und Saudi-Arabien«. Beide Länder hätten sich in der Libanon-Frage auf Kooperation geeinigt und unterstützten seine Mission.
Das Machtvakuum im Libanon hält seit dem 24. November an. Die pro-westlichen und regionalistischen Fraktionen im Parlament einigten sich nach wochenlangen Diskussionen zwar auf einen Kompromißkandidaten, streiten jedoch weiterhin über eine notwendige Verfassungsänderung. Die Abstimmung am Samstag soll nun einen Ausweg aus der politischen Krise eröffnen.
Gespräche zwischen dem syrischen Außenminister Walid Muallem und seinem saudischen Amtskollegen Prinz Saud Al-Faisal seien »positiv und in brüderlichem Geist verlaufen«, so Moussa. Beide hätten Zustimmung zu dem Lösungsvorschlag der AL signalisiert. Noch vor dem Außenministertreffen des Bündnisses in Kairo hatte Ali Laridschani, Mitglied des Iranischen Nationalen Sicherheitsrates, den syrischen Präsidenten Baschar Assad bei einem Treffen in Damaskus offenbar ermuntert, einem arabischen Vorschlag zuzustimmen. Für Iran und für Syrien wäre eine solche Lösung auf jeden Fall akzeptabler als ein vom Westen, insbesondere den USA oder Frankreich, diktierter Ausweg.
Prinz Saud Al-Faisal legte am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Riad nach und forderte alle politischen Parteien in Libanon auf, die Initiative der Arabischen Liga zu akzeptieren. Der Plan diene der »Einheit, Unabhängigkeit und Souveränität Libanons«. Auch der syrische Informationsminister Mohsen Bilal unterstrich am Mittwoch die Bereitschaft seines Landes, der Mission von Amr Moussa in Beirut zum Erfolg zu verhelfen. Es müsse ein »Konsenspaket« geschnürt werden.
Dieses Paket der Arabischen Liga besteht im Kern aus drei Punkten. Erstens soll der Oberkommandierende der libanesischen Streitkräfte, General Michel Suleiman, als Kompromißkandidat so rasch wie möglich zum neuen libanesischen Präsidenten gewählt werden. Zweitens soll eine »Regierung der nationalen Einheit« gebildet werden. Drittens beinhaltet der Vorschlag die Ausarbeitung eines neuen Wahlrechts.
Doch der Teufel steckt bekanntlich im Detail.Und so begann unter libanesischen Politikern bereits eine Diskussion darüber, nach welchem Schlüssel die Ministerposten einer geplanten Einheitsregierung verteilt werden sollen. Moussa äußerte sich zu den unterschiedlichen Interpretationen jedoch gelassen. Sein Plan sei »kristallklar« und erfordere »weder Erklärungen noch ein Wörterbuch noch einen Atlas«. Allein politischer Wille sei gefragt. Bis zum Samstag, dem Tag der Parlamentssitzung, werde er auf jeden Fall in Beirut bleiben.
* Aus: junge Welt, 11. Januar 2008
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