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Washingtoner Kanonenbootpolitik

USA entsenden Kriegsschiffe vor Küste Libanons / Region "sehr wichtig"

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Die Stationierung US-amerikanischer Kriegsschiffe im östlichen Mittelmeer wird in der arabischen Welt als offene Kriegsdrohung verstanden. Washington bezeichnet die Maßnahme als »Unterstützung der regionalen Stabilität«. Unterdessen wird die Forderung nach einem Dialog mit Syrien stärker.

Zeitgleich mit der Übergabe des deutschen Oberkommandos an die EUROMARFOR, einen europäischen Marineverband, der im Rahmen der UNIFIL-Mission der UNO die Küste Libanons kontrollieren soll, hat die US-Administration drei Kriegsschiffe in das Gebiet entsandt. Es handelt sich um den US-Zerstörer USS-Cole und zwei Begleitschiffe, die am Donnerstag (28. Februar) von Malta Kurs auf Libanon genommen haben. Auch der Zerstörer USS-Nassau, derzeit in Neapel stationiert, soll folgen. Die USA seien besorgt über den politischen Stillstand in Libanon, zitierte der TV-Sender Al Dschasira International einen hochrangigen US-Beamten. Man wolle die »regionale Stabilität« unterstützen, bestätigte US-Admiral Mike Muller den Einsatz der US-Kriegsschiffe in der Region. Das östliche Mittelmeer sei »sehr wichtig« für die USA. Man werde außer Sichtweite für die Libanesen bleiben, »hinter dem Horizont«. Es handele sich nicht um eine »Drohung gegen ein spezielles Land«. Der ehemalige US-Botschafter in Syrien, Richard Murphy, kritisierte die Entsendung der Kriegsschiffe als Kanonenbootpolitik. In Washington wisse man nicht, wie man mit Libanon umgehen solle. Es wäre besser, mit den verschiedenen Parteien zu reden, erklärte Murphy gegenüber Al Dschasira International. »Wir haben keinen Dialog mit Syrien, aber jetzt die Zeit für Dialog.«

Während das westlich orientierte Regierungslager Libanons stets Syrien und Iran der Einmischung in die innerlibanesischen Angelegenheiten beschuldigt, zeigen die US-Kriegsschiffe vor der Küste des Zedernstaates deutlich, dass auch der Westen keine Zurückhaltung im Gezerre um Libanon zeigt. Die militärische US-Präsenz könnte zudem die UNIFIL-Mission in Libanon destabilisieren. Die Regierung in Beirut zeigte sich »überrascht« über die Stationierung der Zerstörer, man habe davon nichts gewusst und die Schiffe »nicht angefordert«, erklärte Ministerpräsident Fuad Siniora. Vieles spricht allerdings dafür, dass Washington nicht ohne Information der NATO, der libanesischen Regierung und in Absprache mit Israel handelt. Israel hatte nach dem Krieg 2006 der Aufhebung der Seeblockade gegenüber Libanon erst zugestimmt, nachdem Deutschland sich bereit erklärte, einen Marineverband im östlichen Mittelmeer zu stationieren. Gespräche zwischen Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Fuad Siniora kürzlich in Berlin hatten sich nach Angaben des Auswärtigen Amtes auf die Frage konzentriert, »wie man zu einer Stabilisierung des Landes beitragen könne«. Dass US- Kriegsschiffe vor Libanon diese »regionale Stabilität« gerade in dem Moment unterstützen wollen, zu dem Deutschland das Oberkommando über die seeseitige UNIFIL-Kontrolle Libanons abgibt, dürfte kein Zufall sein.

Die libanesische Tageszeitung »As Safir« titelte am Freitag (29. Februar), die US-Kriegsschiffe würden Libanon, Syrien und den Arabischen Gipfel »terrorisieren«. Das Arabische Gipfeltreffen, das Ende März in Damaskus stattfinden soll, wird seit Wochen von westlichen und arabischen Verbündeten des Regierungslagers in Beirut genutzt, um den Druck auf Syrien zu erhöhen. Einerseits soll Damaskus sich in Libanon nicht einmischen, andererseits aber seine Verbündeten in der Opposition zu einer Einigung bei der Präsidentenwahl und Bildung der neuen Regierung drängen. Unisono mit Saudi-Arabien und Ägypten hat Fuad Siniora mehrfach betont, das Gipfeltreffen, dessen Erfolg für Syrien politisch wichtig ist, werde ohne einen christlichen libanesischen Präsidenten bedeutungslos sein. Anders als die US-Regierung, die ihre strategischen Interessen nicht zuletzt durch die Stationierung ihrer Zerstörer vor Libanons Küste unterstreicht, hält sich die syrische Regierung mit offiziellen Stellungnahmen jedoch zurück.

* Aus: Neues Deutschland, 3. März 2008


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