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Sunnitischer Terror gegen Hisbollah und Iran

Bombenanschlag in Libanon mit 23 Toten gilt als Folge der Verwicklung in den syrischen Bürgerkrieg

Von Roland Etzel *

Ein Doppelanschlag vor Irans Beiruter Botschaft hat am Dienstag 23 Tote gefordert. Dazu bekannt hat sich eine sunnitische Terrorgruppe. Hintergrund der Tat ist der Krieg in Syrien.

Bei einem Bombenanschlag vor der iranischen Botschaft in Libanons Hauptstadt Beirut sind am Dienstag mindestens 23 Menschen getötet worden. Vor dem Botschaftsgebäude im Süden der Stadt gingen zwei Sprengsätze hoch, durch die außerdem fast 150 weitere Personen verletzt wurden. Zu dem Anschlag bekannte sich ein Terrorkommando sunnitisch-fundamentalistischer Ausrichtung.

Offenbar gibt es eine entsprechende Bekennerbotschaft. Ein Beiruter Fernsehsender zeigte Bilder der mutmaßlichen Verursacher – der sogenannten Abdullah-Azzam-Brigaden. Sie gehören zur Front der Widersacher der Hisbollah, der »Partei Gottes«, der mächtigen Schiitenpartei in Libanon, deren Miliz für stärker als die reguläre Armee gehalten wird. Da der Schiismus in Iran Staatsreligion ist und zumindest enge Bindungen zwischen Hisbollah und Iran bestehen, zudem beide – im Gegensatz zu den führenden sunnitischen Parteien Libanons – die Regierung in Damaskus aktiv unterstützen, ist das Attentat als Weiterung des Bürgerkrieges in Syrien erklärbar.

Das Bekennervideo habe dies bestätigt, hieß es. Aus einem Schreiben, aus dem die Beiruter Zeitung »Al-Nahar« zitierte, geht angeblich Ähnliches hervor.

Das Blatt lässt darüber hinaus Omar Bakri als vermutlichen Hintermann bzw. geistigen Brandstifter zu Wort kommen. Europäische Nachrichtenagenturen pflegen diesen Mann als »Angehörigen der sunnitischen Extremistenszene« zu kennzeichnen.

Abseits dieser noch recht diplomatischen Formulierung gilt als ausgemacht, dass er nicht nur zum ominösen Terrornetzwerk Al Qaida gehört, sondern seine Finanzierung über Saudi-Arabien läuft. Das hätte er dann gemeinsam mit dem erklärten Vorbild der Terrortruppe. »Märtyrer« Abdullah Yusuf Azzam, geboren im britischen Mandatsgebiet Palästina und mit 58 Jahren durch eine Bombe in Pakistan ums Leben gekommen, wird in Veröffentlichungen zum Terrorpaten Osama bin Laden gern als dessen Mentor bezeichnet. Ob die Provenienz dieser Täterschaft jemals bewiesen werden kann, steht dahin. Die beiden Selbstmordattentäter, unterwegs in einem Auto bzw. auf einem Motorrad, haben sich mit ihren Bomben himmelwärts geschickt und sagen nichts mehr. Aber es spricht einiges für die »Nahar«-Version.

Die in Teheran geäußerte Wut ist verständlich, sehr viel weniger dagegen die iranische Version der Schuldfrage. Ohne den Namen Israel auszusprechen, sagte Außenamtssprecherin Marsieh Afcham: »Wir verurteilen diese unmenschliche Tat und machen die Zionisten und ihre Söldner für diese Tat verantwortlich.«

In Deutschland wurde der Anschlag offiziell verurteilt. »Alle politischen Kräfte im Libanon sind zu Dialog und Kompromissbereitschaft aufgerufen«, hieß es in einer Erklärung des Auswärtigen Amtes in Berlin.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 20. November 2013


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