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Syrien im Libanon

Wie der syrische Bürgerkrieg das Nachbarland destabilisiert / Keine internationale Hilfe für palästinensische Flüchtlinge

Von Karin Leukefeld, Beirut *

Der Libanon wird zunehmend durch den Krieg in Syrien destabilisiert. Islamisten und Salafisten haben weite Teile des Nordens zu ihrem Rückzugsgebiet und Angriffsbasis auf Syrien gemacht. Hier werden Kämpfer angeworben, ausgebildet und ausgerüstet. Immer wieder kommt es mit Anhängern von Präsident Bashar al-Assad zu blutigen Auseinandersetzungen, Dutzende Menschen wurden getötet. Am Freitag (8.2.) wurden vier Personen in Tripoli verletzt, als ein Konvoi des Jugend- und Sportministers Faisal Karami von unbekannten Schützen angegriffen wurde. Karami, der unverletzt blieb, sagte später dem libanesischen Fernsehsender Al Jadeed, er gehe davon aus, dass Islamisten versucht hätten, ihnn zu ermorden.

Anfang Februar erst waren im ostlibanesischen Arsal, an der Grenze zu Syrien, zwei Offiziere der libanesischen Streitkräfte „auf barbarische Weise“ getötet worden, wie Armeechef Jean Kahwaji der libanesischen Tageszeitung As Safir sagte. Man gehe von einer Tat radikaler Islamisten aus, die in dem Gebiet nahe der Grenze zu Syrien operieren würden und Ziel einer Operation des libanesischen Militärs geworden waren. Die beiden Offiziere seien mit Äxten erschlagen und ihre Leichen verstümmelt worden.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist offenbar bereit, den Libanon zur Bewältigung des Flüchtlingsstroms aus Syrien finanziell zu stützen. Das berichtet die englischsprachige libanesische Tageszeitung The Daily Star am Freitag. Bezug nehmend auf eine „anonyme Quelle“ die offenbar an Gesprächen zwischen dem libanesischen Finanzminister Mohammad Safadi und IWF-Direktorin Christine Lagarde in New York teilnahm oder intern darüber informiert wurde, habe Lagarde Safadi nach der Lage der syrischen Flüchtlinge gefragt und erklärt, der IWF sei bereit, jede Art von Unterstützung zu leisten. „um den Druck auf die Regierung zu mildern“.

Die libanesische Regierung braucht offiziellen Angaben zufolge 273 Millionen US-Dollar allein für die Unterbringung der syrischen Flüchtlinge. Das Geld solle demnach nicht der Regierung sondern den Nichtregierungsorganisationen zur Verfügung gestellt werden, die seit zwei Jahren im Libanon in der „syrische Flüchtlingskrise“ tätig sind. Die UNO gibt die Zahl der syrischen Flüchtlinge im Libanon mit 260.000 an, etwa 170.000 seien registriert.

Der neu eingesetzte Flüchtlingskoordinator Ramzi Naaman sagte am Donnerstag, bis zum Sommer könnte die Zahl der Flüchtlinge auf 500.000 steigen. Die Hilfe müsse dringend neu koordiniert werden. Nötig wäre es, Lager für die Unterkunft der Menschen zu errichten. Aufgrund langjähriger Erfahrungen mit palästinensischen Flüchtlingen (seit 1948) werden Flüchtlingslager im Libanon mit tiefer Skepsis betrachtet und abgelehnt.

Nicht von der Hilfe profitieren die bis zu 20.000 Palästinenser, die seit Mitte Dezember aus Syrien zu Angehörigen in den Libanon gekommen sind. Die Last für die sozial schlecht gestellten Palästinenser im Libanon sei groß, sagte der Anwalt Souheil el-Natour der Autorin im Flüchtlingslager Mar Elias in Beirut. Es käme zu innerfamiliären Spannungen. Im Januar erhängte sich ein Vater von vier Kindern im Flüchtlingslager Ain al-Hilweh, weil er seine Familie nicht ernähren konnte. Die UN-Hilfsorganisation für Flüchtlinge (UNHCR) sei für die „syrischen Palästinenser“ im Libanon nicht zuständig, sagte El-Natour. Wegen ausbleibender Hilfsgelder verfüge die UN-Hilfsorganisation für die palästinensischen Flüchtlinge (UNRWA) über immer geringere Mittel.

Um die durch Krieg und Sanktionen hart getroffenen Syrer zu unterstützen, hilft der Libanon seit Beginn des Winters auch mit der Lieferung von Benzin und Heizöl. Beides ist in den Wintermonaten knapp und daher teuer geworden. Ursache dafür sind einerseits die EU-Sanktionen, andererseits sind es die anhaltenden Angriffe auf die Infrastruktur (Ölförderanlagen, Pipelines, Raffinerien) und das Transportwesen in Syrien. Die Lage wird zudem von Zwischenhändlern ausgenutzt, die die Notsituation ausnutzen und die Preise in die Höhe schrauben. Täglich sind unzählige Tanklastwagen auf der Verbindungsstraße zwischen Beirut und Damaskus unterwegs, um die knappen Ressourcen wieder aufzufüllen. Venezuela hatte Ende November 2012 bestätigt, bis dahin drei Schiffsladungen Diesel an Syrien geliefert zu haben.

Bei einer Anhörung im US-Senat am Donnerstag (7.2.) wurden in Sachen Syrien derweil erstmals tiefe Meinungsverschiedenheiten zwischen Präsident Obama und Vertretern seiner bisherigen Regierung, der Militärführung sowie dem CIA bekannt. Der scheidende Verteidigungsminister Leon Panetta räumte auf Fragen ein, er und der Chef der US-Streitkräfte, General Martin Dempsey, hätten einem von CIA-Chef David Petraeus vorgelegten Plan zugestimmt, die Aufständischen in Syrien zu bewaffnen und ausgewählte Kommandanten der Aufständischen einer speziellen Ausbildung zu unterziehen. Außenministerin Hillary Clinton habe den CIA-Plan unterstützt. Ziel sei gewesen, syrische Bündnispartner für die Zeit nach dem Sturz von Präsident Assad heranzuziehen. Das Weiße Haus habe sein Veto gegen den Plan eingelegt. Ein Sprecher des Weißen Hauses äußerte sich auf entsprechende Fragen dazu nicht.

* Eine gekürzte Fassung dieses Beitrags erschien unter dem Titel "Libanon destabilisiert" am 9. Februar 2013 in der "jungen welt"


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