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Streit der Muslime in Libanon

Vereinbarung zwischen Hisbollah und "Bewegung für Glauben und Gerechtigkeit" war nur von kurzer Dauer

Von Karin Leukefeld *

Schon einen Tag nach der Unterzeichnung eines Memorandums zwischen der Hisbollah und der »Bewegung für Glauben und Gerechtigkeit«, einem Zusammenschluß verschiedener Salafistengruppen im Libanon, lag die Vereinbarung wieder »auf Eis«. Das teilte am Dienstag (19. August) Scheich Hassan Al-Shahhal mit, der am Montag (18. Aug.) in Beirut das Abkommen für die Salafisten unterzeichnet hatte. Der Streit zwischen sunnitischen Salafisten und Schiiten bzw. mit diesen verbündeten Alawiten, hatte in den vergangenen Monaten wiederholt zu Kämpfen in der nordlibanesischen Hafenstadt Tripoli geführt und viele Todesopfer gefordert. Laut der Vereinbarung soll ein Rat von Klerikern eingerichtet werden, die Religionsfreiheit und die Freiheit von politischen Überzeugungen wird ausdrücklich anerkannt. Außerdem soll jede Ideologie von »Takfiri«, die andere religiöse Strömungen als »Ungläubige« diffamiert, nicht geduldet werden. Die Unterzeichner vereinbarten, sich den »USA und Israel entgegen(zu)stellen, die versuchen, durch das Schüren von Streit die Muslime zu spalten.«

Ursprünglich dreht sich der Streit um die richtige Interpretation der islamischen Lehre. Die Salafisten gelten als Strömung des sunnitischen Wahabismus und verstehen sich als die wahren Nachfolger des Propheten Mohammad. Sie werden seit einigen Jahren zunehmend von arabischen Herrschern und Verbündeten der USA unterstützt und instrumentalisiert, um schiitische Organisationen, wie die Hisbollah oder auch die Bewegung von Muktada Sadr im Irak, zu bekämpfen, die dem (schiitischen Gottesstaat) Iran nahe stehen.

Entsprechend gelten die Kämpfe im nordlibanesischen Tripoli als Stellvertreterkämpfe zwischen Iran und Saudi-Arabien. Dazwischengeschaltet sind wiederum libanesische Parteien wie die Hisbollah auf seiten der Schiiten und die Zukunftsbewegung von Saad Hariri, die eng mit den sunnitischen Salafisten in Tripoli verknüpft ist. Das wurde auch deutlich bei der Unterzeichnung des Abkommens am vergangenen Montag, als Scheich Hassan Al-Shahhal erklärte, ein Zugehen auf die Hisbollah sei nicht als Abkehr von der Zukunftsbewegung zu verstehen. Der Schritt sorgte dennoch umgehend für scharfe Kritik aus der Zukunftsbewegung und von ihr nahestehenden sunnitischen Geistlichen.

Der als Gründer der Salafistenbewegung im Libanon geltende Scheich Dai Al-Islam Al-Shahhal kritisierte Scheich Hassan Al-Shahhal, der sein Cousin ist, und bezeichnete die Vereinbarung als »irrelevant« und »schädlich für die Sunniten.« »So Gott will (...) wird das Abkommen scheitern«, sagte er. Hassan Al-Shahhal zog angesichts der massiven Kritik aus sunnitischen Kreisen die Konsequenz. »Hätten wir realisiert, daß unsere Brüder aus der Zukunftsbewegung gegen die Unterzeichnung des Memorandums sind, hätten wir es nicht getan«, erklärte Al-Shahhal. Die Hisbollah zeigte inzwischen Verständnis. Man respektiere den Mut von Scheich Hassan Al-Shahhal, heißt es in einer Erklärung und sei sich »der besonderen Umstände bewußt, die ihn zu der Entscheidung gezwungen haben, das Memorandum auf Eis zu legen.« Man versichere den unterzeichnenden Salafistengruppen, daß »Hisbollah jede Entscheidung unterstützt, die sie für angemessen halten.«

* Aus: junge Welt, 22. August 2008

Olmert: Wir werden die Hisbollah nicht im Libanon herrschen lassen **

Israels Ministerpräsident Ehud Olmert hat am Dienstag (19. August) erklärt, dass Israel seiner Reaktion keine Grenzen setzen würde, wenn die Hisbollah die Macht im Libanon übernehme. Er warnte davor, dass in einem zukünftigen Krieg auch die großen Städte in Israel in Mitleidenschaft gezogen werden würden.

Olmert sagte bei seinem Besuch des Heimatfrontkommandos in Ramle: „Im zweiten Libanonkrieg hatten wir sehr viel massivere Mittel und Fähigkeiten, deren Einsatz wir vermieden haben, da wir gegen eine Terrororganisation und nicht gegen einen Staat gekämpft haben. Wenn der Libanon zum Hisbollah-Staat wird, werden wir uns in dieser Hinsicht keinerlei Beschränkungen mehr auferlegen.“ Der Ministerpräsident bezog sich dabei auf die Grundlinien der neuen Einheitsregierung im Libanon, die der Hisbollah das Recht zum Einsatz aller Mittel zugestehen, um „den Boden zu befreien, den Israel besetzt hat“.

Olmert fügte hinzu, dass die Kriege der Zukunft sich von denen der Vergangenheit unterscheiden würden, selbst von dem von 2006: „Es wird nicht mehr so sein, dass der Krieg auf einem fernen Schlachtfeld stattfindet, und in den großen Städten geht das Leben weiter wie gehabt. Der nächste Krieg wird auch die Städte und Häuser israelischer Zivilisten erreichen, und das Ziel unseres Feindes ist es, die Heimatfront zu treffen. So rüsten sie sich mit Kriegsgerät aus, das auf die Bevölkerung zielt.“

Gleichzeitig betonte Olmert, dass man den Grad von Furcht in der Öffentlichkeit herabsenken müsse. „Wir sollten uns nicht zu sehr vor den Bedrohungen fürchten. Letztendlich ist die Bedrohung in unserer Vorstellung dämonischer, als sie wirklich ist.“

Der syrische Präsident Bashar Assad, der nach Meinung Israels die Hisbollah mit Waffen versorgt, wird am Donnerstag 21. August) seinen zweitägigen Besuch in Moskau beginnen, in dessen Verlauf er sich mit seinem russischen Amtskollegen Dimitri Medwedew und anderen hochrangigen Politikern, unter ihnen womöglich auch Ministerpräsident Vladimir Putin, treffen wird. Dies ist der dritte Besuch Assads in Russland in den vergangenen Jahren, aber der erste seit Amtsantritt von Medwedew.

Syrische Medien haben die Reise Assads gestern als ‚Arbeitsbesuch’ bezeichnet, dessen Ziel die Stärkung der Beziehungen und der Zusammenarbeit beider Staaten in einer Vielzahl von Bereichen sei. Beide Seiten sollen mehrere Abkommen unterzeichnen, deren Inhalt nicht bekannt gegeben worden ist. Bei den beiden vorherigen Besuchen war eines der zentralen Themen die Förderung russisch-syrischer Waffengeschäfte. In den vergangen Monaten ist in den Medien wiederholt von großen Waffengeschäften zwischen beiden Staaten berichtet worden, darunter fortgeschrittene Flugabwehrbatterien, die Damaskus zur Stärkung seines Luftverteidigungssystems erbeten hat.

Russische und syrische Kommentatoren schätzen, dass die militärische Unterstützung Georgiens durch Israel vor allem vor dem Hintergrund des letzten Krieges im Kaukasus den Weg für einen besonders erfolgreichen Besuch Assads in Moskau ebnet; während Israel in der Krise als Partner Georgiens wahrgenommen worden sei, habe die Position Syriens an der Seite Russlands außer Zweifel gestanden. Die Kommentatoren wiesen darauf hin, dass das Außenministerium in Damaskus die Reise Assads vergangene Woche just auf dem Höhepunkt des Krieges zwischen Russland und Georgien bekannt gegeben habe.

In einem Interview mit dem syrischen Fernsehen sagte eine russische Kommentatorin gestern, dass „die umfangreiche militärische Hilfe, die Israel Georgien hat zukommen lassen, in der Zukunft, zumal der näheren, auf die Beziehungen Russlands zu Israel und zu den arabischen Staaten Einfluss haben“ werden. „Es kann als sicher gelten, dass Russland seine Beziehungen zu Israel neu evaluieren wird, und es ist nicht ausgeschlossen, dass Moskau entscheiden wird, seine Militärhilfe für arabische Staaten, die sich im Konflikt mit Israel befinden, zu erhöhen, darunter Syrien.“ Ein anderer russischer Kommentator wies darauf hin, dass es, solange die USA und Israel als Partner Georgiens gelten würden, klar sei, auf wessen Seite Syrien und sein Präsident Assad stünden.

Russland ringt in letzter Zeit mit der Entscheidung, ob es bestimmte Waffensysteme an Syrien und den Iran verkaufen soll, unter anderem auch wegen des schweren Drucks, den die USA und Israel auf es ausüben. Derzeit scheint es so, dass Damaskus hofft, dass Moskau dem Verkauf jener Systeme „grünes Licht“ geben werde.

Am Vorabend des Besuchs hat Russland an die Beziehungen Israels mit Georgien erinnert. Der stellvertretende russische Generalstabschef, General Anatoli Nogowizin, sagte am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Moskau: „Israel hat auf jeden Fall zur Bewaffnung Georgiens beigetragen. Es hat es mit Kriegsgerät und Waffentechnologie ausgestattet, insbesondere mit unbemannten Flugzeugen, Raketen und Minen.“

Indes gibt es Kontakte zwischen Syrien und Großbritannien in Bezug auf einen Besuch Assads in London noch in diesem Jahr. Dies deutet auf eine weitere Verbesserung der Beziehungen zwischen Damaskus und dem Westen hin, nachdem Assad im vergangenen Monat in Paris zu Besuch gewesen war und derzeit auf den Besuch des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozys in Syrien wartet, der Anfang September stattfinden soll.

(Haaretz, 20.08.08)

** Quelle: Botschaft des Staats Israels in Berlin; Newsletter vom 21. August

Hisbollah verschärft Drohungen gegen Israel

Zwei Tage, nachdem in Israel eine Warnung vor Entführungen durch die Hisbollah im Ausland herausgegeben worden ist, hat die libanesische Terrororganisation ihre Drohungen heute verschärft und baldige Rache für die Tötung ihres Topterroristen Imad Mugniyah angekündigt, für die sie Israel verantwortlich macht.

Gegenüber einer kuwaitischen Zeitung ließ sie verlauten, dass sie handeln werde, sobald die Lage vor Ort es erlaubt. „Der Zeitpunkt muss den Truppen und den Ländern, die Verbündete der Hisbollah sind, passen, in der Annahme, dass jegliche Reaktion Israels jeden treffen würde. Dies zwingt die Hisbollah und ihre Verbündeten, zu einem offenen Krieg bereit zu sein.“

Die Quelle betont, dass es kein Entkommen vor der Rache geben werde und man sich den Folgen einer israelischen Antwort bewusst sei: „Der nächste Krieg wird für beide Seiten zerstörerisch sein. Die Heimatfront des Feindes wird von intensivem Raketenbeschuss getroffen werden, und die Luftwaffe, ebenso wie die Marine und die Bodentruppen des Feindes werden gegen eine signifikante Bedrohung operieren.“ Dabei ist sich die Hisbollah sicher, dass eine israelische Entscheidung für einen Krieg „Selbstmord“ wäre.

Siegesgewiss zeigt sich die Terrororganisation wegen ihres zerstörerischen Raketenarsenals und den in ihrem Besitz befindlichen Luftabwehrsystemen. In Vorbereitung auf einen offenen Krieg seien 800 Millionen $ in den Ausbau der militärischen Infrastruktur im Südlibanon investiert worden.

(Yedioth Ahronot, 22.08.08)

*** Quelle: Botschaft des Staats Israels in Berlin; Newsletter vom 22. August




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