Libanon: Alle Seiten verkünden Sieg
Stimmung bei Nachwahlen angespannt
Von Karin Leukefeld *
Bei Nachwahlen zur Nationalversammlung in Libanon errang die Freie Patriotische Bewegung von
General Michel Aoun einen knappen Sieg.
Der Wahlgang war erforderlich geworden, nachdem die beiden Abgeordneten Walid Eido und Pierre
Gemayel durch Bombenanschläge im November 2006 und im Juni 2007 getötet worden waren. Der
sunnitische Muslim Eido war bei der Zukunftspartei, während der maronitische Christ Gemayel zur
Kata'ib-Bewegung gehörte, einer Abspaltung der Kata'ib-Partei, auch bekannt als Phalangisten. Ins
Parlament war Gemayel 2005 als Mitglied der »Rafik Hariri Märtyrer Liste« eingezogen. Eido und
Gemayel, der auch Industrieminister war, zählten zum Regierungslager.
Nach dem konfessionellen Proporzsystem in Libanon mussten für die beiden Plätze nun neue
Kandidaten der jeweiligen Religion gefunden werden. Während die Wahl des Nachfolgers von Walid
Eido eindeutig der Sunnit Mohammad al-Amin Itani für sich entscheiden konnte, fiel das Ergebnis in
der Provinz Metn knapp aus. Amine Gemayel, der seinen ermordeten Sohn beerben wollte, hatte
zunächst den Sieg für sich reklamiert. Doch im Laufe des Sonntagabends wurde klar, dass sein
Gegenkandidat, Kamil Khoury von der dem Oppositionslager zugerechneten Freien Patriotischen
Bewegung (FPM), mit einem Vorsprung von 418 Stimmen die Wahl für sich entscheiden konnte.
Khoury erreichte 39 534 Stimmen, Gemayel 39 116 Stimmen, fasste Innenminister Hassan Sabei
das Endergebnis zusammen. Die internationalen Medien konzentrierte sich auf die Wahl im
Wahlbezirk Metn im Gebiet der Maroniten, weil sie als Vorentscheidung für die Präsidentschaftswahl
angesehen wurde, die für den 24. September vorgesehen ist. Gemäß der Verfassung ist der
Präsident ein maronitischer Christ, während der Ministerpräsident Sunnit und der
Parlamentssprecher Schiit ist. Der Präsident wird vom Parlament gewählt. Sowohl Amine Gemayel
als auch General Michel Aoun wollen für das höchste Staatsamt kandidieren.
Die Nationalversammlung hat 128 Sitze – seit dem Abkommen von Taif (1989), das den 25-jährigen
Bürgerkrieg beendete, sind 64 Sitze für Christen und 64 für die sunnitischen und schiitischen
Muslime reserviert. Im Wahlbezirk Beirut 2, wo Al-Amin Itani gewann, hatten die Schiiten die Wahlen
boykottiert. Auch im Bezirk Berg Libanon hatte die Hisbollah keine Wahlwerbung gemacht. Lediglich
Plakate mit den verbündeten Führern der Opposition, Michel Aoun und Hisbollah-Chef Hassan
Nasrallah, zierten die Straßen. In Metn verkündeten später beide Seiten ihren Sieg. »Sie kommen
an mir nicht vorbei«, so Aoun. Während der Gemayel-Verbündete Samir Geagea ebenfalls
verkündete: »Das ist ein Sieg.« Hupende Autokonvois mit fahnenschwingenden Unterstützern beider
Seiten blockierten am Sonntagabend die Straßen. 3000 Soldaten der Libanesischen Streitkräfte
hatten den Urnengang gesichert.
* Aus: Neues Deutschland, 7. August 2007
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