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29 Jahre Streit um 25 Quadratkilometer

Libanesische Bauern fordern von Israel die Rückgabe der besetzten Scheba-Farmen

Von Karin Leukefeld *

Ohne eine Lösung in der Frage der Scheba-Farmen »macht Hisbollah weiter«, äußerte kürzlich der libanesische Politologe Joseph Bahout. Die libanesische Hisbollah-Miliz hatte in der Vergangenheit angekündigt, ihre Angriffe auf Israel fortzusetzen, bis auch die Farmen nördlich der syrischen Golanhöhen an die libanesischen Bauern zurückgegeben sind.

Nadma Riyat war 1967 noch ein Kind. Sie stammt von den Scheba-Farmen, doch sie und ihre Familie wurden just in jenem Jahr, während des Sechs-Tage-Krieges, von dort vertrieben. Damals besetzte die israelische Armee die Farmen zusammen mit den syrischen Golanhöhen und besiedelte das Land in kürzester Zeit mit eigenen Leuten. Die arabische Bevölkerung war geflohen, niemand war da, sie zu verteidigen. »Sie haben uns alles genommen, unser Land, unsere Höfe«, sagt Nadma Riyat. »Nichts dürfen wir dort in dem Gebiet noch tun, sie erlauben uns nicht, zurückzukehren.« 1981 annektierte Israel die Golanhöhen und damit auch die Scheba-Farmen, internationale Proteste ignorierte die israelische Regierung.

Olivenhaine, Weinberge und Obstgärten überziehen die üppige, wasserreiche Hügellandschaft, die mit ihrem milden Klima beste Voraussetzungen auch für Bienen-, Schaf- und Ziegenzucht bietet. Das rund 25 Quadratkilometer große Gelände der Farmen steigt von 150 auf 1800 Meter an und liegt südlich des libanesischen Hermongebirges an den nordwestlichen Hängen des syrischen Golan. Heute wird das Land von israelischen Siedlern bebaut.

Als 1923 die Mandatsmächte Frankreich und Großbritannien das Gebiet des ehemaligen Osmanischen Reiches unter sich aufteilten, entstanden durch neue Grenzziehung ein syrisches, ein palästinensisches und ein libanesisches Mandatsgebiet. Die Scheba-Farmen wurden Syrien zugeschrieben. Die Bauern aber, die das Land und die Höfe seit Generationen bewirtschaftet hatten, waren Libanesen und verfügten über entsprechende Besitz- oder Pachturkunden libanesischer Behörden. Im Winter lebten sie auf den Höfen, weil das Klima mild war, im Sommer zogen sie hoch in das Dorf Scheba, wo es kühler ist. Ihre Steuern zahlten sie an die libanesische Regierung. Auf neuen Karten, die Frankreich von der Region herstellte, lag das Gebiet weiterhin auf der syrischen Seite. Auch im Jahre 1949, als es zu einer Vereinbarung zwischen Israel und Syrien kam, blieben die Scheba-Farmen offiziell unter syrischer Verwaltung – bis zum Vorabend der israelischen Invasion 1967.

In der UN-Resolution 242, die den Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten fordert, werden die Höfe Syrien zugerechnet. Syrien selbst hat inzwischen jedoch seinen Verzicht auf die Scheba- Farmen erklärt und will das Gebiet Libanon überlassen, sollten sich die Israelis eines Tages von den Golanhöhen zurückziehen.

Nach der letzten Erklärung des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert, die Golanhöhen nicht zurückgeben zu wollen, ist nicht absehbar, ob die libanesischen Bauern zukünftig ihr Land wieder bewirtschaften können. Letztlich jedoch schneide sich Israel ins eigene Fleisch, glaubt der libanesische Politologe Joseph Bahout: Es sei illusorisch zu glauben, dass die Hisbollah-Milizen ohne eine politische Lösung anderer Probleme, eben auch die Rückgabe der Farmen, zur Entwaffnung bereit wären. Ohne eine Klärung »macht Hisbollah weiter«, äußerte Bahout kürzlich gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. In der Vergangenheit hatten die Milizen angekündigt, ihre Angriffe auf Israel so lange fortzusetzen, bis es die Farmen aufgibt.

Während des 34-Tage-Krieges im Juli und August wurde Nadma Riyat mit ihrer Familie erneut vertrieben, diesmal aus dem Dorf Scheba. »Wenn sie sich von unserem Land zurückziehen würden und die Zivilisten in Ruhe ließen, wenn sie Libanon in Ruhe ließen, dann würde niemand etwas gegen Israel unternehmen«, glaubt sie. Hassan Nasrallah, Chef der schiitischen Hisbollah in Libanon, tue das Richtige, meint Jamal Saad, ihr Schwager: Er habe Libanon und die Scheba- Farmen verteidigt. Ein Freund, der bei ihm steht, fügt hinzu: »Auch meine Familie hat Land auf den Scheba-Farmen bewirtschaftet. Wir sind Sunniten, und Sayid Hassan Nasrallah ist Schiit, aber er kämpft für uns, für unsere Rechte. Wir unterstützen ihn.«

* Aus: Neues Deutschland, 5. Dezember 2006


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