Libanon kommt nicht zur Ruhe
Anschlag auf Brigadegeneral vertieft die politische Krise im Zedernstaat
Von Karin Leukefeld *
Ein neues Attentat hat am Mittwoch die schwere innenpolitische Krise im Libanon verschärft.
Brigadegeneral François al-Hadsch starb durch eine Autobombe, die in Beiruts östlichem Christen-
Vorort Baabda neben seinem Fahrzeug explodierte.
Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Dem Militärstaatsanwalt Raschid Mezher zufolge war die
am Mittwoch in Beirut gezündete TNT-Bombe in einem BMW versteckt und zwischen 20 und 35
Kilogramm schwer. Die Detonation war so stark, dass der Leichnam des Generals 100 Meter vom
Anschlagsort entfernt gefunden wurde. General Hadsch war als möglicher Nachfolger des
Oberkommandierenden der Libanesischen Streitkräfte, General Michel Suleiman, im Gespräch. Auf
Suleiman hatten sich die zerstrittenen politischen Lager erst vor knapp einer Woche als neuen
Präsidenten geeinigt hatten. Der ermordete Hadsch wird am Freitag beerdigt.
Unmittelbar nach dem Anschlag folgten in dichtem Abstand Stellungnahmen und
Schuldzuweisungen, vor allem aus dem parlamentarischen Mehrheits- und Regierungslager.
Der Telekommunikationsminister Marwan Hamadeh brachte den Anschlag mit dem Streit um die
Präsidentennachfolge in Libanon in Verbindung. Syrien wurde immer wieder beschuldigt, es
versuche mit solchen Anschlägen seit drei Jahren, die Oberhand in Libanon zu behalten und das
Land zu destabilisieren. Syrien seinerseits verurteilte den Anschlag und erklärte, Israel und dessen
Helfershelfer in Libanon seien die Einzigen, die davon profitierten.
Der frühere Ministerpräsident Amin Gemayel forderte dazu auf, Michel Suleiman umgehend zum
Präsidenten zu wählen. Wer das verhindere, »wird Libanon ermorden«. Michel Aoun,
Präsidentschaftskandidat des Oppositionslagers, verlangte die Entlassung des Innenministers. Der
Verlauf des Anschlags mache deutlich, dass es sich um ein »geschütztes« Verbrechen gehandelt
haben müsse.
Die Wahl eines neuen Präsidenten ist eng verknüpft mit der Frage nach der Rechtmäßigkeit der
amtierenden Regierung Libanons. Die Verfassung legt fest, dass alle politischen Gremien und
Posten konfessionell quotiert besetzt werden müssen. Nach dem Rücktritt von sechs Ministern im
November 2006 ist die Regierung nach Ansicht der Opposition nicht mehr verfassungsgemäß, da
fünf der sechs zurückgetretenen Minister schiitische Muslime sind. Die Restregierung um
Ministerpräsident Fuad Siniora sowie der parlamentarische Mehrheitsblock (Bewegung 14. März)
teilen diese Ansicht nicht und werden in ihrer Position vom westlichen Ausland bestärkt. Aus den
Reihen der »Bewegung 14. März« war nun am Dienstagabend zu hören, man überlege erneut,
einen Präsidenten mit einfacher Mehrheit zu wählen und die durch den Rücktritt frei gewordenen
sechs Ministerposten aus den eigenen Reihen neu zu besetzen. Seitens der Opposition betonte
Hadsch Mahmud Qmati vom Politbüro der Hisbollah hingegen, die Bewegung müsse einen »Korb
von Bedingungen« erfüllen, um einen Konsens zu erreichen. Dazu gehöre neben der Wahl von
Michel Suleiman als Präsident eine Vereinbarung über die Bildung einer neuen Regierung sowie ein
neues Wahlrecht. Solange es keine Übereinstimmung in allen Punkten gebe, bliebe Michel Aoun der
Präsidentschaftskandidat der Opposition.
Dass Aoun vielleicht nicht für das westliche Ausland, wohl aber für Libanesen ein annehmbarer
Präsident wäre, zeigt eine Internetumfrage der angesehenen Tageszeitung »An Nahar«, in der die
Leser des Internetportals selber ihren Präsidenten aus einer Liste von zwölf Kandidaten wählen
können. Mit fast 40 Prozent führt Michel Aoun vor Nassib Lahoud, einem unabhängigen Kandidaten,
der 27,5 Prozent der Stimmen erhielt. Michel Suleiman liegt mit 6,5 Prozent auf Platz vier.
* Aus: Neues Deutschland, 13. Dezember 2007
Zurück zur Libanon-Seite
Zurück zur Homepage