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"UN-Resolution ist keine Basis für Frieden"

Hauptproblem bleibt die Frage nach einem palästinensischen Staat. Ein Gespräch mit Issam Makhoul *


Vor zehn Tagen verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1701. Ist damit der Frieden zwischen Israel und dem Libanon wiederhergestellt?

Diese Resolution ist keine Lösung, sondern ein Teil des Problems und sicherlich nicht die Basis für Frieden in der Region. Blut und Elend der zivilen Opfer im Libanon wurden genutzt, um die beteiligten Länder im Sicherheitsrat zu einer Zustimmung zu den US-amerikanischen und israelischen Bedingungen zu bewegen. Die USA haben eine sehr aggressive Rolle gespielt. Sie haben Israel die Zeit gegeben, die es brauchte, um den Libanon, seine Infrastruktur und seine Wirtschaft zu zerstören. Über einen Monat lang wurde der Sicherheitsrat seiner Aufgabe nicht gerecht. Er ist deshalb mitverantwortlich für die Ergebnisse der israelischen Aggression im Libanon, für die Zerstörung der Infrastruktur, für Massaker und Blutvergießen.

Wo liegt Ihrer Meinung nach der Schlüssel für einen Frieden in der Region?

Zuallererst müssen alle israelischen Truppen aus dem Libanon abgezogen werden. Israel muß als verantwortlich für die Zerstörung im Libanon benannt werden. Das ist das Vordringlichste. Doch das Hauptproblem im Nahen Osten bleibt die Frage nach einem palästinensischen Staat. Ohne eine Anerkennung der nationalen Rechte der Palästinenser, ohne eine Anerkennung der Rechte der palästinensischen Flüchtlinge im Sinne der UN-Resolutionen, ohne Gründung eines eigenständigen palästinensischen Staates in den Grenzen der UNO-Resolution vom Juni 1967 mit Jerusalem als geteilter Hauptstadt wird es kein Ende des Konfliktes geben.

Israel fällt einseitige Entscheidungen statt eine politische Lösung anzustreben. Dies ist die gefährlichste Entwicklung in den letzten sechs Jahren. Israel versucht, das palästinensische Volk und seine Führung von der Lösung des Problems auszuschließen. Aus der Palästina-Frage wird so eine israelische Frage in der es nicht mehr um die Rechte der Palästinenser, sondern um die Sicherheit Israels geht.

Hauptkräfte des Widerstandes sowohl in Gaza als auch im Libanon sind religiöse Organisationen, die man nicht zum fortschrittlichen Lager rechnen kann. Wie gehen Sie damit um?

Es ist richtig, daß Hamas und Hisbollah keine demokratischen Kräfte sind. Sie sind ebensowenig wie Israel an einer politischen Lösung interessiert. Es gibt aber einen grundsätzlichen Unterschied in ihrer Haltung. Hamas ist im Gaza-Streifen in totaler Opposition zur palästinensischen Autonomiebehörde zu den Wahlen angetreten, während sich Hisbollah im Libanon bei den Wahlen einen Platz im politischen System des Landes erkämpfen wollte. Momentan kämpft Hisbollah gegen die israelische Okkupation. Sie führt einen patriotischen Kampf und macht ihre Sache gut.

Auch Ihre Partei blieb von den Raketen der Hisbollah nicht verschont. Ein feindlicher Akt von Islamisten gegen Kommunisten?

Das Gebäude unserer Tageszeitung Ittihad in Haifa wurde getroffen. Dabei wurde das sehr wertvolle Archiv der Partei teilweise zerstört. Aber wir wissen, daß wir kein Ziel für die Hisbollah darstellten. Wir gehörten zu den Opfern des Krieges und der Situation. Unsere Partei hat eine klare Haltung gegen Angriffe auf Zivilisten, sei es in Beirut, in Haifa oder in Gaza. Wir hatten dazu aufgerufen, Zivilisten aus dem Krieg herauszuhalten.

In Deutschland tut sich auch die Linke schwer, Kritik an der Politik des Staates Israel zu üben. In Griechenland ist das anders. Es kommt sogar zu Vergleichen zwischen Israel und den Nazis ...

Es ist nicht richtig, Israel mit den Nazis zu vergleichen. Genauso wenig kann man Hisbollah mit den Nazis gleichsetzen, wie es Ministerpräsident Olmert gemacht hat. Die israelische Aggression ist brutal und häßlich und muß als solche zurückgewiesen werden. Man braucht keinen Nazivergleich, um zu zeigen, wie verbrecherisch diese Aggression ist. Deutschland hat keine Legitimation, Israel nicht zu kritisieren. Israel ignoriert die Rechte der Palästinenser, es verübt Massaker in Gaza und im Libanon. Dies nicht zu kritisieren, hieße, nichts aus der Vergangenheit gelernt zu haben. Gerade weil Deutschland diese Vergangenheit hat, sollte es sensibler auf Rechtsverletzungen und Rassismus reagieren.

Interview: Heike Schrader, Athen

* Issam Makhoul ist Generalsekretär der Kommunistischen Partei Israels. Die KP Israel hat drei Abgeordnete im Parlament, ihr Wählerpotential schwankt wischen drei und vier Prozent.

Aus: junge Welt, 22. August 2006


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