Einigung in Libanon behagt Israel nicht
Regierungsbildung in Beirut nahe / Ehud Barak droht für Konfliktfall mit harter Reaktion
Von Karin Leukefeld *
Während sich gut zwei Monate nach den Parlamentswahlen in Libanon die
Bildung einer Regierung abzeichnet, haben israelische
Regierungsvertreter dem nördlichen Nachbarn erneut mit Krieg gedroht.
Libanon stehe kurz vor der Bildung einer Regierung der nationalen
Einheit, erklärte Parlamentspräsident Nabi Berri vor wenigen Tagen in
Beirut. Der Block »14. März« mit dem künftigen Ministerpräsidenten Saad
Hariri - dem Sohn des 2005 ermordeten früheren Premierminsiters - habe
sich mit der oppositionellen schiitischen Hisbollah geeinigt, in einer
gemeinsamen Regierung zu arbeiten. Unklar sei noch, welche Ministerämter
von der Hisbollah und anderen Vertretern der Opposition übernommen
werden. Klar sei dagegen, dass der »14. März« selbst 15 Minister und die
anderen Parteien 10 Kabinettsmitglieder stellen sollten. Weitere fünf
Minister werde Staatspräsident Michel Sulaiman direkt ernennen.
Grundlage der Entscheidung ist die Doha-Vereinbarung, auf die sich
Libanons rivalisierende Lager im vergangenen Jahr geeinigt hatten.
Eine souveräne Regierungsbildung in Libanon scheint Israel jedoch nicht
zu behagen. Unter Verweis auf die Hisbollah erklärte der israelische
Verteidigungsminister Ehud Barak, in seinem Land werde man nicht
zusehen, wenn »in der Regierung eines benachbarten UN-Mitgliedstaates
Vertreter einer Miliz sitzen, die mehr als 40 000 Raketen hat«. Sollte
an der Grenze zwischen beiden Staaten ein Konflikt auftreten, werde
Israel »mit allen notwendigen Mitteln« reagieren. Barak machte
unmissverständlich klar, dass Israel im Falle eines neuen Krieges
weniger Rücksicht nehmen werde als im Sommer 2006. In dem
seinerzeitigen, 34 Tage andauernden Krieg waren 1200 Libanesen getötet
und große Teile der libanesischen Infrastruktur zerstört worden. Auf
israelischer Seite starben 160 Soldaten und Zivilisten.
Beide Seiten hatten damals der
Sicherheitsratsresolution 1701 zugestimmt, die eine Aufstockung der seit 1978 stationierten
Interimstruppe der Vereinten Nationen in Libanon (UNIFIL), die
Entmilitarisierung des libanesischen Südens und den Rückzug israelischer
Truppen aus den besetzten libanesischen Gebieten der Scheeba-Höfe und
des Grenzdorfes Ghajar festlegte Die Hisbollah wurde verpflichtet, sich
und ihre Waffen hinter den Litani-Fluss zurückzuziehen.
Brigadegeneral Alon Friedman, stellvertretender Chef des israelischen
Nordkommandos, hatte der britischen Zeitung »The Times« Anfang August
gesagt, die Hisbollah habe sich 40 000 neue Raketen angeschafft, sei
inzwischen besser gerüstet als 2006 und trainiere den Angriff auf Tel
Aviv. Friedman ließ sich mit den Worten zitieren, der Frieden der
letzten drei Jahre könne »jede Minute explodieren«.
Auf die Äußerungen Ehud Barak reagierte Robert Wood, Sprecher des
US-amerikanischen Außenministeriums, mit Verständnis. Auch für ihn ist
die Hisbollah eine »Bedrohung für Frieden und Sicherheit in der Region«.
Libanons amtierender Außenminsiter Fawzi Salloukh wies die Vorwürfe
zurück. Im jüngsten UN-Bericht über die Umsetzung der Resolution 1701
sei mit keinem Wort die Rede von Waffenschmuggel gewesen. Die Waffen der
Hisbollah seien zudem eine interne libanesische Angelegenheit.
Tatsache ist, dass Mitte Juli in der entmilitarisierten Zone ein
Waffenlager explodierte, das der Hisbollah zugeschrieben wird. Dessen
Existenz war zweifelsfrei ein Verstoß gegen die
Resolution 1701. Dazu
heißt es jedoch in einem UNIFIL-Untersuchungsbericht, dass die dort
gefundenen Waffen und die Munition aus den Jahren 1970 bis 1990 stammten
und nicht nach 2006 nach Libanon geschmuggelt worden seien.
Nach der Explosion in dem mutmaßlichen Hisbollah-Waffenlager hatte
Israel den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, das UNIFIL-Mandat zu ändern.
Am 27. August entscheidet das Gremium über eine Verlängerung des
Einsatzes um weitere sechs Monate. Die Zusammenarbeit der UNIFIL mit
Israel und Libanon wurde von Anfang auf harte Proben gestellt. Israel
verstößt vielfältig gegen die Resolution. Fast täglich überfliegen
israelische Kampfjets, teilweise im Tiefflug, den Süden Libanons. Vor
den Wahlen Anfang Juni wurden die Libanesen in Telefonanrufen aus Israel
aufgefordert, nicht für die Hisbollah zu stimmen, anderenfalls wählten
sie »den Krieg«. »Zionistische Kühe«, wie eine libanesische Zeitung
berichtete, waren einem unaufmerksamen Hirten über die Grenze nach
Libanon entlaufen, was die israelische Armee (IDF) ohne Rücksprache mit
den UNIFIL-Truppen zum Anlass nahm, ebenfalls die Grenze zu
überschreiten, um den Rückzug der Kühe militärisch abzusichern. Und der
israelische Außenminister Avigdor Lieberman erklärte kürzlich bei einem
Besuch in Ghajar, der Ort werde israelisch bleiben: »Es gibt keine
Konzessionen, nicht an Libanon, nicht an Syrien.«
Die
Resolution 1701 des Sicherheitsrates sieht hingegen vor, dass Israel
seine Truppen aus Ghajar abziehen muss.
Die Hisbollah machte anfänglich aus ihrer Skepsis gegenüber den
UNIFIL-Truppen keinen Hehl, zumal Äußerungen wie die der deutschen
Bundeskanzlerin Angela Merkel, die deutsche Marine beteilige sich zum
Schutz Israels an der Mission, bis heute für Unbehagen sorgt. Gleichwohl
bezeichnete UNIFIL die Beziehung zur Hisbollah als entspannt, im Übrigen
ist die Libanesische Armee ihr Ansprechpartner. Nach der Explosion in
dem Waffenlager waren die UNIFIL-Soldaten zunächst behindert und
teilweise tätlich von »Dorfbewohnern« angegriffen worden, wie
libanesische Zeitungen berichteten. Die Hisbollah erklärte später,
Munition und Waffen in dem Lager seien alt. Gleichzeitig machte sie
deutlich, weiterhin an einer guten Zusammenarbeit mit UNIFIL
interessiert zu sein.
* Aus: Neues Deutschland, 11. August 2009
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