Hisbollah im Visier der USA und Israels
Grenzscharmützel haben das Ziel, die Entwaffnung der schiitischen Miliz zu erzwingen
Von Jürgen Cain Külbel*
Washingtons Feldzug zur "Demokratisierung" des Nahen und Mittleren Ostens, zuletzt in Libanon erfolgreich, stachelt die Konfrontation in der Region aufs Neue an. Jüngste Grenzstreitigkeiten, die Israel mit Syrien und Libanon ausgefochten hat, sollen jedoch letztlich nur die vollständige Entwaffnung der schiitischen Hisbollah-Miliz erzwingen.
Der Ausgang der jüngsten Parlamentswahlen in Libanon entsprach
nicht ganz dem Geschmack der Führungen der USA und Israels, obwohl
die "amerikafreundliche", antisyrische Opposition den Sieg
davontrug. Die "prosyrische" Hisbollah, politische Partei und bewaffnete
Miliz zugleich, errang zusammen mit der schiitischen Amal-Bewegung immerhin 35 von 128 Mandaten im Beiruter Parlament. Die Hisbollah, "Partei Gottes", wird von den USA als Terrororganisation
geächtet, die für einen Anschlag auf das Hauptquartier der US-Marines
am Beiruter Flughafen mit 242 Toten im Jahre 1983 und für zahlreiche
Entführungen verantwortlich ist. Außerdem habe sie die Vernichtung
Israels zum Ziel.
Die 1982 während der israelischen Invasion Libanons gegründete Miliz, die von Syrien und Iran politisch, militärisch und finanziell unterstützt wird, drängte Israel im Jahre 2000 mit militärischem Druck zum Abzug aus Libanon. Seitdem ist sie die vorherrschende Kraft im Süden des Landes. Als der Beiruter Buschfunk am 27. Juni meldete, dass der "prosyrische" Abgeordnete Nabih Berri, Führer der Amal und seit 1992 libanesischer Parlamentspräsident, in diesem Amt bestätigt werden soll, ließ eine israelische Armeesprecherin noch am selben Abend wissen, auf
den Golan-Höhen, südlich der Stadt Kuneitra, seien israelische Soldaten
von syrischer Seite aus beschossen worden. Da niemand verletzt wurde,
hätten "die israelischen Verteidigungskräfte das Feuer nicht erwidert,
um eine Eskalation zu vermeiden". Israel, das die Golan-Höhen
1967 widerrechtlich okkupierte, hinterlegte jedoch sofort eine Protestnote bei den UNO-Friedenstruppen, die seit 1973 die Einhaltung
des Waffenstillstands zwischen beiden Ländern überwachen.
Umgehend schmetterte ein syrischer Regierungsvertreter den israelischen
Vorwurf ab: "Das ist eine Lüge. Einige Jugendliche schossen
Feuerwerkskörper ab, um den Jahrestag der Befreiung von Kuneitra
von der israelischen Besetzung zu feiern." Die Israelis waren im Juni
1974 von dort abgezogen, nachdem sie die Stadt und etwa 122 syrische
Dörfer dem Erdboden gleichgemacht hatten.
Zeitgleich mit jenem Vorfall auf
den Golan-Höhen hatte die russische
Regierung Syrien Boden-Luft-
Raketen im Wert von mehreren
Hundert Millionen Dollar geliefert.
Die Raketen sollen niedrig fliegende
Flugzeuge und Helikopter bekämpfen.
Hintergrund sind wiederholte
Angriffe Israels auf »terroristische«
Ziele in Syrien. Im vergangenen
Jahr hatten israelische Militärflugzeuge
sogar den Palast des syrischen
Präsidenten überflogen.
Israel und die USA protestierten
vergeblich gegen die russische Raketenlieferung.
Sie befürchten, dass
die Raketen, die von der Schulter
abgeschossen werden, irgendwann
der Hisbollah in Libanon oder Terrororganisationen
in Irak in die
Hände fallen könnten. Am 29. Juni,
mit dem Glockenschlag der Ernennung
Nabih Berris zum Präsidenten
des libanesischen Parlaments, beschossen
israelische Kampfjets und
Hubschrauber Ziele im Grenzgebiet
zwischen Israel und Libanon mit
Raketen. Nach israelischer Deutung
hatte die Hisbollah-Miliz zuvor
mehrere Granaten auf einen Militärposten
im Bereich der umstrittenen
Scheba-Farmen im Länderdreieck
Israel-Libanon-Syrien abgefeuert.
Bei den Gefechten wurden
ein israelischer Soldat und ein Hisbollah-
Freischärler getötet. Israel
warnte, die Hisbollah wolle im
Grenzgebiet eine neue Front eröffnen,
legte Protest beim UN-Sicherheitsrat
ein, und der israelische UNBotschafter
Dan Gillerman machte
die libanesische Regierung für Zwischenfälle
verantwortlich: "Die Regierung
in Beirut muss die Hisbollah
entwaffnen." Der Sicherheitsrat
forderte Libanon denn auch prompt
auf, "alle von seinem Gebiet ausgehenden
Angriffe zu stoppen". Vertreter
der Hisbollah im Beiruter
Parlament warfen ihrerseits Israel
vor, das Grenzgebiet verletzt zu haben.
"Darum wurden sie angegriffen."
Israels Marschrichtung ist offensichtlich:
Nachdem man die "internationale
Gemeinschaft" mit der
Nase auf die vorgeblich "terroristischen" Aktivitäten der Hisbollah
und des Helfershelfers Syrien gedrückt
hat, wird die demokratische
Welt beim nächsten "Grenzfall", sei
er auch konstruiert, die vollständige
Entwaffnung der Miliz lautstark
und zwingend fordern.
* Aus: Neues Deutschland, 7. Juli 2005
Zurück zur Libanon-Seite
Zur Israel-Seite
Zurück zur Homepage