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Tribunal zum Mord an Hariri

Internationales Gremium soll Attentat in Libanon 2005 aufklären

Von Karin Leukefeld *

Kurz vor Einrichtung des Sondertribunals zur Aufklärung des Mordes am früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri haben die Hauptverdächtigen vergeblich versucht freizukommen. Der zuständige libanesische Richter wies alle Anträge zurück. Am Sonntag (1. März) konstituiert sich das internationale Gericht in einem Vorort von Den Haag (Niederlande).

Ein »Netzwerk aus Einzelpersonen« soll Hariri am 14. Februar 2005 ermordet haben. Mit dem Politiker starben damals 22 weitere Menschen. Die Kriminellen sollen seit 2004 in die Planung und Ausführung politischer Morde verwickelt gewesen sein, lautet das Fazit des UNO-Chefermittlers Daniel Bellamere, das er beim letzten Zwischenbericht 2007 vor dem Weltsicherheitsrat abgab. Der Ermittler stützte sich dabei auf frühere Aussagen zweier syrischer »Schlüsselzeugen«, von denen einer seine Darlegungen widerrufen hat, während der andere unter mysteriösen Umständen aus Paris verschwunden sein soll. Am heutigen Sonnabend (28. Februar) wird ein weiterer Bericht erwartet, und wenn das UNO-Tribunal am 1. März in Den Haag seine Arbeit aufnimmt, wird Bellamere den Vorsitz übernehmen.

Das Tribunal wurde im Juni 2007 durch die Resolution 1757 des Sicherheitsrats ins Leben gerufen. Von den elf Richtern sind vier Libanesen. Ihr Mandat beläuft sich auf drei Jahre, kann aber verlängert werden. Das Gericht verfügt für 2009 über ein Budget von 36 Millionen Euro, das überwiegend von Libanon, Frankreich, Saudi-Arabien und den USA gezahlt wird. Vor Anfang 2010 werden nach UNO-Angaben keine Verhandlungen stattfinden, die Räumlichkeiten seien »noch nicht so weit«.

Der Hariri-Mord hatte die Zedernrepublik wie ein Erdbeben erschüttert. Die Truppen der langjährigen politischen Schutzmacht Syrien, die immer mehr als Besatzer wahrgenommen worden waren, mussten abziehen, die syrische Führung wurde beschuldigt, den Mord angeordnet zu haben, was Syrien bis heute bestreitet. Ein bereits unterschriftsreifes EU-Assoziierungsabkommen mit Syrien wurde auf Eis gelegt, das Land wurde vom Westen isoliert.

»Detlev from Germany«, wie UNO-Generalsekretär Kofi Annan Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis aus Berlin vorstellte, stolperte etwas überraschend in sein Amt als Leiter der UN-Ermittlungskommission, die kurz nach dem Anschlag die Arbeit aufnahm. Schnell gab Mehlis die Hauptverantwortung Syrien und folgte damit dem anti-syrischen Mainstream in Libanon, Frankreich und den USA. Er ließ erste Verhaftungen vornehmen und Syrien, das sich anfangs wegen der Voreingenommenheit geweigert hatte zu kooperieren, wurde unter Androhung weiterer Sanktionen gefügig gemacht.

Unter den beiden Mehlis-Nachfolgern Serge Brammertz und Daniel Bellamere besserte sich das Verhältnis zu Damaskus zusehends. Wie sich auch die Beziehungen zwischen Frankreich und Großbritannien auf der einen und Syrien auf der anderen Seite verbesserten. Die Einladung für den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zum Gründungstreffen der EU-Mittelmeerunion 2008 in Paris bedeutete die Rückkehr des Landes auf die internationale Bühne.

Mehlis war Ende 2005 ebenso rasch von der Bildfläche verschwunden, wie er aufgetaucht war. Er hinterließ neben Geschichten über ausschweifende Partys eine Ermittlungskommission, die von dem Belgier Brammertz erst wieder in Ordnung gebracht werden musste. Der Belgier stellte neue Ermittler ein und wiederholte Untersuchungen, deren Ergebnisse ihm nicht ausreichten. So wurde beispielsweise der Tatort des Attentats forensisch komplett neu überprüft. Brammertz hielt sich mit öffentlichen Schuldzuweisungen zurück und drängte auf zügige Ermittlungsarbeit.

Ob die vier von Mehlis inhaftierten ehemaligen libanesischen Sicherheitschefs an das Haager Tribunal überstellt werden, ist noch unklar. Man werde mit dem Tribunal zusammenarbeiten, erklärte in Beirut der libanesische Justizminister Ibrahim Najjar. Sollte die libanesische Justiz den vier Generalen, darunter der ehemalige Chef der Präsidentengarde und der frühere Geheimdienstchef der Armee, nicht vor einem libanesischen Gericht den Prozess machen, kann Chefermittler Bellamere deren Auslieferung nach Den Haag verfügen. Drei Zivilisten, die ebenfalls ohne Anklagen in Beirut festgehalten worden waren, wurden Mitte der Woche frei gelassen.

Nach dem Hariri-Mord 2005 folgte eine Kette von Anschlägen, denen insgesamt 61 Menschen zum Opfer fielen, darunter viele Journalisten sowie syrienkritische und linke Politiker wie der langjährige libanesische KP-Vorsitzende George Hawi. Mehr als 500 Menschen wurden bei den Anschlägen verletzt, in keinem Fall wurden die Täter ermittelt.

* Aus: Neues Deutschland, 28. Februar 2009

Lebanon tribunal set to begin work next week, says UN report

26 February 2009 – The international tribunal being set up to try those responsible for political killings in Lebanon is ready to begin its work next week, says a new United Nations report released today.

“All the necessary measures have been taken for the Special Tribunal for Lebanon to commence functioning this Sunday, 1 March,” Secretary-General Ban Ki-moon writes in his latest report to the Security Council.

The Special Tribunal is designed to try those accused of recent political murders in Lebanon, particularly the February 2005 assassination of Rafiq Hariri in a massive car bombing in downtown Beirut that killed 22 others.

The probe into the killings is being carried out by the International Independent Investigation Commission (IIIC), headed by Daniel Bellemare, a Canadian prosecutor.

According to the report, Mr. Bellemare will assume office as Prosecutor of the Special Tribunal on 1 March and continue his investigations from The Hague in the Netherlands, where the court is based.

The judges of the trial and appeals chambers will assume their responsibilities on a date to be determined by the Secretary-General, in consultation with the President of the Special Tribunal.

Meanwhile, the courtroom for the trials is expected to be ready for use by early 2010.

UN Legal Counsel Patricia O’Brien will attend the ceremony this Sunday in the Netherlands to mark the start of the Tribunal.

Mr. Ban pledges in his report, the last before the Tribunal begins functioning as an independent judicial body, that he will continue to ensure that the court is able to achieve its mandate in the most effective manner.

“However, the cooperation of all Member States will remain crucial for the Special Tribunal to be successful,” he adds.

www.un.org




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