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Versuch der Versöhnung

Politische Fraktionen Libanons konferieren zur Annäherung in Beirut

Von Karin Leukefeld *

In der libanesischen Hauptstadt Beirut hat eine Versöhnungskonferenz der verschiedenen politischen Parteien des Landes begonnen.

Die Themen sind offen, das Ziel ist klar. Die Einigung zum Dialog bedeute, dass jedes Thema diskutiert werden könne. »Das Einzige, was hier verboten ist, ist zu scheitern oder in einer Sackgasse zu landen.« Präsident Michel Suleiman steckte in seiner Eröffnungsrede den Rahmen für die Versöhnungskonferenz in Beirut klar ab, zu deren Auftakt auch der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa, eingeladen war.

Der Versöhnungsprozess ist Teil des Abkommens von Doha, das im Mai nach monatelangem Gezerre um die Macht im Zedernstaat zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit und zur Wahl von Präsident Michel Suleiman geführt hatte. Nun sitzen die gleichen Männer wieder gemeinsam am Tisch und sollen in einer Serie von Gesprächen umstrittene Themen diskutieren.

14 politische Fraktionen sind an den Gesprächen beteiligt, darunter Parlamentssprecher und Führer der oppositionellen Amal-Bewegung, Nabi Berri, Muhammad Raad für die Hisbollah, und Michel Aoun, dessen Freie Patriotische Bewegung im Bündnis mit der Hisbollah steht. Auf der anderen Seite sitzen Saad Hariri, Vorsitzender der Zukunftsbewegung, Ministerpräsident Fouad Siniora, der auch zur Zukunftsbewegung zählt, der Drusenführer Walid Dschumblatt, Samir Geagea von den Libanesischen Streitkräften und der Führer der Falangisten, Amin Gemayyel. Politisch stehen sich im Libanon ein pro-westliches Politikkonzept (Bündnis um die Zukunftsbewegung) und ein arabisch nationales Konzept (Bündnis um die Hisbollah) gegenüber.

Hisbollahführer Hassan Nasrallah hat mehrfach gefordert, die Runde der Versöhnungsgespräche zu erweitern, damit auch kleinere Parteien zu Wort kämen wie die Demokratische Libanesische Partei, eine Drusenbewegung, die mit der Opposition zusammenarbeitet. Die Parteien um Saad Hariri lehnen eine Erweiterung allerdings ab. Bei den ersten Gesprächen dürfte es nach Ansicht von Beobachtern vor allem darum gehen, bilaterale Gespräche zwischen den verschiedenen Parteien zu vereinbaren, die sich möglichst im direkten Gespräch einigen sollen.

Als eines der wichtigsten Themen steht die Frage nach den »Waffen der Hisbollah« an. Die Hisbollah selber hat mehrfach erklärt, sich einer nationalen Verteidigungsstrategie unter Führung der libanesischen Armee unterzuordnen, sofern man sich darauf einigen könne. Jedoch besteht die Bewegung weiter auf dem Recht, die noch von Israel besetzten Scheeba Farmen notfalls auch mit Waffengewalt wieder zu befreien. Allerdings, so Nasrallah, bevorzuge man die Befreiung der besetzten Gebiete durch Verhandlungen.

Die Stimmung in der Bevölkerung ist zerrissen zwischen Skepsis und Hoffnung angesichts der neuen Gespräche. Die politische und religiöse Trennung unter den Libanesen sitzt tief, nicht zuletzt gefördert durch enorme Einmischung des Auslandes. Seit Wochen hält sich in der Hitparade ein Lied auf Platz eins, dass vermutlich vielen aus dem Herzen spricht. »Khalas« ist der arabische Titel des Songs »Es reicht«.

* Aus: Neues Deutschland, 18. September 2008


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