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Alarmbereitschaft in Riga

Massenverhaftungen nach Großdemonstration gegen antisoziale Regierungspolitik

Auf »einer der größten Demonstrationen« nach dem Austritt Lettlands aus der Sowjetunion 1991, so Agenturberichte von Mittwoch (14. Jan.), forderten mindestens 12000 Menschen in Riga den Rücktritt der konservativen Regierung und Neuwahlen. Aufgerufen zum Protest am Dienstag abend gegen die katastrophale soziale Lage großer Teile der Bevölkerung hatten mehrere Gewerkschaften und Oppositionsparteien.

Nach der Kundgebung kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei. Ausgelöst wurden diese, so Augenzeugen, durch Versuche der schwer bewaffneten Polizisten, einzelne Kundgebungsteilnehmer festzunehmen. Mehrere hundert Menschen zogen daraufhin vor das Parlament, das von Sondereinheiten der staatlichen Sicherheitskräfte bewacht wurde. Während der folgenden Straßenschlacht wurden nach Angaben des Innenministeriums 106 Personen festgenommen. Mehr als 40 Menschen wurden verletzt, darunter 14 Polizisten.

Die 2,3 Millionen Einwohner des Landes haben derzeit mit der bisher schwersten Wirtschaftskrise in der jüngeren Geschichte zu kämpfen. Für das kommende Jahr rechnen Experten mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um bis zu fünf Prozent. Der Internationale Währungsfonds (IWF) vergab angesichts der drohenden Staatspleite einen mit drastischen Auflagen verbundenen »Notkredit« in Höhe von 7,5 Milliarden Euro. Das Parlament verabschiedete eine Reihe von antisozialen Maßnahmen, darunter Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst um 15 Prozent. Die Mehrwertsteuer wurde zu Jahresbeginn um drei Prozentpunkte angehoben, die Preise für Heizkosten, Gas, Strom stiegen ebenso rasant wie die Arbeitslosenzahlen. Eine weitere Verschlechterung der Lage steht in Aussicht.

Am Mittwoch (14. Jan.) beschäftigte sich Ministerpräsident Ivars Godmanis ausschließlich mit den gewalttätigen Auseinandersetzungen vom Dienstag abend. Für diese trügen die Organisatoren die Schuld, erklärte er im Fernsehsender LNT. Sie hätten »trotz der Spannungen angesichts der Wirtschaftskrise an der Kundgebung festgehalten«. Für Mittwoch abend (14. Jan.) nach Redaktionsschluß) wurden die Sicherheitskräfte nach Polizeiangaben in Alarmbereitschaft versetzt. (AFP/AP/jW)

* Aus: junge Welt, 15. Januar 2009


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