Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Putschistengipfel in Buenos Aires

Kurz vor Präsidentenwahl in Venezuela berät die Rechte über ihre Chancen in Lateinamerika

Von Volker Hermsdorf*

Ehemalige Putschisten und prominente ultrarechte Politikaktivisten aus Lateinamerika, Europa und den USA versammeln sich wenige Tage vor der venezolanischen Präsidentenwahl bei einem Gipfeltreffen in Argentinien. Mitorganisator der viertägigen Konferenz, auf der unter anderem Unterstützer der Militärdiktaturen von Augusto Pinochet in Chile und Hugo Banzer in Bolivien als Redner auftreten, ist die deutsche FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung.

Veranstalter der Tagung, die am 9./10. April in der Stadt Rosario und am 11./12. April in Buenos Aires stattfinden soll, ist die argentinische »Fundación Libertad« (Stiftung Freiheit), ein im Jahr 1988 von führenden Unternehmern und Industriellen des Landes gegründeter neoliberaler Verein. Nach eigenen Angaben wird die als extrem rechts geltende Stiftung von mehr als 200 privaten Firmen unterstützt. Auf ihrer Homepage wird die Verteidigung der »Idee des freien Marktes« als Hauptaufgabe genannt. Tatsächlich pflegt die Organisation aber intensive Kontakte zu faschistischen Gruppierungen, Putschisten und ehemaligen Diktatoren. Neben den Pinochet- und Banzer-Freunden sind zur Jubiläumstagung aus Anlaß des 25jährigen Bestehens auch prominente Neofranquisten aus Spanien, Unterstützer des gescheiterten Putschversuches gegen Hugo Chávez und Aktivisten der Konterrevolution gegen Kuba eingeladen.

Auf der Rednerliste des Treffens, das unter dem Motto »Lateinamerika: Herausforderungen und Chancen« steht, findet sich fast alles, was mit staatlicher Unterdrückung, Gewalt, Mord und Verschleierung zu tun hat. Aus Spanien reisen Expräsident José María Aznar, der sein Land in den Irak einfallen ließ und den Putschversuch gegen Chávez unterstützte, sowie die berüchtigte Vorsitzende der regierenden neofranquistischen Volkspartei (Partido Popular) von Madrid, Esperanza Aguirre, an. Dabei ist auch Jorge Quiroga, der unter dem Diktator Hugo Banzer Vizepräsident Boliviens wurde und später als Präsident (2001–2002) Gas, Öl und die Trinkwasserversorgung zu Spottpreisen an US-Firmen abgab, wodurch die Armut der Bevölkerung sprunghaft anstieg. Nach Amtsantritt von Evo Morales wurde Quiroga 2010 in Bolivien wegen anderer Delikte zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Auch der nach Studentenprotesten 2011 zurückgetretene frühere chilenische Bildungsminister Joaquín Lavín bekam eine Einladung. Er galt als Verehrer des Diktators und Mörders Augusto Pinochet und ist ein politischer Ziehsohn von Pinochets ideologischem Berater Jaime Guzmán.

Mit dem venezolanischen Medienunternehmer Marcel Granier, der nicht nur den Putschversuch gegen Chávez im April 2002 mit anzettelte, sondern – nach dessen Niederschlagung – im Dezember des gleichen Jahres mit seinen Medien versuchte, einen »Generalstreik« zu inszenieren, und dessen Landsmännin Corina Machado wird die Reihe fortgesetzt. Die rechte »Oppositionspolitikerin« Machado gilt als diskreditiert, seitdem Hugo Chávez im Jahr 2004 mit Dokumenten belegen konnte, daß sie riesige Summen von US-Diensten für ihre Kampagnen in Venezuela erhalten hatte. Komplettiert wird die Rednerliste schließlich mit zwei Vertretern der antikubanischen Konterrevolution, dem früheren CIA-Agenten Carlos Alberto Montaner und der weltreisenden Yoani Sánchez, die nach Treffen mit Vertretern der äußersten Rechten in Brasilien, Spanien, Mexiko und den USA nun auch dem Putschistengipfel in Argentinien die Ehre erweist. Einen seriösen Anstrich wollen sich die Extremisten vom rechten Rand mit dem ebenfalls eingeladenen Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa geben.

Die Tagesordnung der viertägigen Zusammenkunft entspricht der Rednerliste. Gleich am ersten Tag steht ein ganztägiges Seminar über die neuen »Herausforderungen und Chancen in Lateinamerika« auf dem Programm. Dieser zentrale Punkt der Tagung wird – nach Angaben der Veranstalter – in einer Kooperation von dem neokonservativen US-Thinktank »Cato Institute« und der Friedrich-Naumann-Stiftung organisiert. Die FDP, die in Deutschland den Außenminister stellt, bleibt damit ihrer Tradition als Putschistenhelfer auch in Argentinien treu.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 27. März 2013


Kreuzzug gegen Kuba

Venezuelas Opposition führt Wahlkampf mit Hetze gegen Havanna. Präsident Nicolás Maduro warnt: Antikommunismus ermöglichte schon Holocaust

Von André Scheer **


Venezuelas geschäftsführender Präsident Nicolás Maduro hat die Opposition aufgefordert, in ihrer Kampagne gegen die Regierung des südamerikanischen Landes nicht zu weit zu gehen. Sollten sich die Rechten »bis zu einem Extrem treiben lassen, von dem es keine Rückkehr mehr gibt«, könnten sie ihre bisherigen politischen Spielräume verlieren. Venezuela werde dann »von der friedlichen Revolution, die wir bisher gehabt haben, zu anderen, ebenfalls verfassungsmäßigen Kampfformen übergehen, zu einer anderen Art Revolution, die wir bis an die Wurzeln radikalisieren würden«. Das sagte er einem Bericht der Tageszeitung Correo del Orinoco zufolge am Montag (Ortszeit) in Caracas während einer Gesprächsrunde mit Intellektuellen aus Lateinamerika. In diesem Zusammenhang erinnerte er daran, daß »einige Teile der deutschen Gesellschaft es in ihrem Antikommunismus erlaubt haben, daß Adolf Hitler an die Macht kam und der Holocaust geschah«. Die schlimmsten Verbrechen der Geschichte seien mit dem Haß auf eine Ideologie oder ein Volk begründet worden, erklärte Maduro. Er zog eine Linie zur Gegenwart: »Heute führt die venezolanische Rechte eine antikubanische Kampagne voller Haß und Ausländerfeindlichkeit«.

Schon seit Jahren phantasieren Gruppierungen wie etwa die »Organisation der Venezolaner im Exil« (Orvex) von Miami aus von einer »kubanischen Invasion«, die eigentliche Regierung in Caracas seien der kubanische Geheimdienst und die »Brüder Castro«. Etwas gewählter drückte sich am Montag Ramón Guillermo Aveledo aus. Der Exekutivsekretär des venezolanischen Oppositionsbündnisses MUD stellte seine bril­lanten Rechenkünste unter Beweis: Da jeder kubanische Arzt in Venezuela umgerechnet 230 US-Dollar (etwa 179 Euro) im Monat verdiene, erhalte Havanna für jeden entsandten Mediziner jährlich 130000 Dollar. Auf diese Summe kam Aveledo offenbar, indem er das Volumen sämtlicher Abkommen zwischen Kuba und Venezuela – nach seinen Angaben 13,5 Milliarden Dollar seit dem Jahr 2000 – auf die Zahl der kubanischen Mediziner umrechnete: »Und im effektivsten Augenblick, der im Jahr 2010 registriert wurde, haben sie nur 40000 Ärzte in unser Land geschickt.« Den Beitrag Havannas etwa beim Alphabetisierungsprogramm »Misión Robinson« und anderen Bildungsinitiativen unterschlug Aveledo.

Trotz solcher Propaganda gibt es über den Ausgang der durch den Tod des bisherigen Staatschefs Hugo Chávez am 5. März notwendig gewordenen Präsidentschaftswahl kaum Zweifel. Alle Umfragen sagen einen klaren Sieg von Nicolás Maduro voraus, den Chávez bei seiner letzten öffentlichen Ansprache am 8. Dezember als seinen Favoriten benannt hatte. So prognostizierte das Meinungsforschungsinstitut IVAD am vergangenen Wochenende für Maduro einen Vorsprung von mehr als 22 Prozentpunkten vor dem Oppositionskandidaten Henrique Capriles Radonski. Während 53,8 Prozent der Befragten für den Amtsinhaber stimmen wollten, votierten lediglich 31,6 Prozent für Capriles. Rund 14,7 Prozent zeigten sich noch unentschlossen. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch Datanálisis und Hinterlaces, die den Vorsprung Maduros auf 14 bis 18 Punkte bezifferten.

Der wahrscheinliche Wahlverlierer ignoriert solche Prognosen tapfer und sieht sich auf einem »Kreuzzug für die Zukunft«, wie er bei einer Kundgebung in Carúpano verkündete: »Wir brauchen Hoffnung, Glauben in Gott und Mut. Wenn wir diese drei Charakteristika am 14. April zusammenbringen, wird ein mobilisiertes Volk Nicolás und seine Combo besiegen.«

** Aus: junge Welt, Mittwoch, 27. März 2013


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